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Nach Entlassung aus Haft wird einiges zurückgelassen

31. Oktober 2021

Vor einzelnen Gefängnissen stehen häufig aufgerissene, halbvolle Kartons. Ein unschönes Bild. Es sind Reste der Haftkleidung wie Socken, Unterhosen, Comichefte oder elektrische Geräte wie ein Wasserkocher. Man will die Zeit im Gefängnis so schnell wie möglich vergessen. Nichts mitnehmen, was einem an diese Zeit erinnert. Oder der ehemalige Gefangene will vor der JVA ein Zeichen setzen. Auf dass der „Müll“ zurückbleibt?

Auf dem Weg zum Schmetterlingsleben muss sich die Raupe zunächst verpuppen. Sie bildet ein fest gesponnenes Seidengespinst, den Kokon. Wenn der Schmetterling ausgebildet ist, benötigt er den Kokon nicht mehr. Er entpuppt sich, wirft die Hülle ab und schwingt sich in die Lüfte. Nichts anderes als Kokons sind solche Kartonreste. Der entlassene Häftling braucht vieles nicht mehr. Auf seinem Weg zum Bahnhof ist ihm manches zu schwer. Er wirft es weg. Fromme Kalender, Bibeln, gar bisher überlebenswichtige Tauchsieder sind nun wertlos und unnütz. Sie stören ihn auf seinem Weg in die Freiheit. Sie hindern beim Fliegen.

Irgendwie kann es ebenso das Setzen eines Markenzeichens sein. Es sollen Spuren vor der JVA hinterlassen werden. Zum Schluss „denen da drin“ noch ein Andenken hinterlassen. Seinen Abfall da lassen. Die Zeit, die einen so stark eingeschränkt hat wird plötzlich entbehrlich. Eine Befreiung? Diejenigen, die so denken, handeln oft kurzsichtig. Eine Inhaftierung ist keine „ausgesetzte“ Lebenszeit. Drinnen wie draußen ist man die Person, die man geworden ist. Man nimmt sich selbst mit. Die Haft hinterlässt Spuren. Sie zu vergessen birgt die Gefahr, in die bekannte Fahrwasser von Sucht und Straffälligkeit zu geraten. Menschen vergessen schnell. Mögliche Veränderungen ereignen sich nicht immer blitzartig. Ist jemand in sein vorhergehendes Umfeld zurückgekehrt, kann es bedeuten, dass alte Verhaltensmuster wieder an Normalität gewinnen.

„Nimm etwas mit, was dich an die Zeit im Knast erinnert, auch wenn es noch so schmerzhaft ist“, sagt ein junger Gefangener, der bereits die 3. Entlassung mitmacht. „Alles, was ich nicht brauche, verschenke ich an Mitgefangene“, grinst er. Damit sind die Geschäfte innerhalb der Mauern abgeschlossen. Ob er dieses Mal den Dreh bekommt? Wir können es ihm nur wünschen.

Alfons Zimmer, JVA Bochum  | Michael King, JVA Herford

 

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