„Not lehrt beten“, sagt der Volksmund. Manch einer im Gefängnis schickt ein Stoßgebet zum Himmel, auch wenn er sonst mit Glaube und Religion wenig anfangen kann. So groß die Not ist, so groß scheint auch das Vertrauen oder ein Rest davon. Vorausgesetzt wird dabei, dass es eben doch eine göttliche Instanz gibt, die helfen kann und das hoffentlich auch will und tut.
Allmächtig soll sie sein und unbedingt hilfreich. So ist es kein Zufall, dass auch in der Kirchensprache die meisten Gebete mit der Anrede beginnen: „Allmächtiger Gott“. Gleich am Beginn des christlichen Glaubensbekenntnisses heißt es: „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater“, und dieser Glaube wird konkret im Gebet. Aber spätestens, wenn die Not nachlässt, tauchen kritische Fragen auf – und viele Menschen stellen sie: wenn es Gott überhaupt gibt, ist er wirklich allmächtig? Warum lässt er dieses Unglück oder jene Not überhaupt zu? Und wenn er denn helfen kann, warum tut er es nicht? Werden die Gebete überhaupt gehört oder gehen sie ins Leere? Ist er in Wahrheit gar nicht allmächtig, sondern ohnmächtig und braucht selbst Hilfe?
Aber wie wird dabei Allmacht verstanden? Dass dieser Gott alles kann – eben auch das, was der Mensch nicht kann. Der angesprochene Nothelfergott soll sozusagen das Mädchen für alles sein, ein göttlicher Alles-Könner. Zugespitzt gesagt eine Art himmlischer Zauberer, dem jedes Mittel recht ist, wenn es nur hilft. Diese Vorstellung aber hätte zur Folge, dass der Mensch im Grunde nichtsnutzig und klein ist, eine Art Marionette in der Hand Gottes, der stets helfen soll, aber eben für alles gut ist. Kann aber eine Vorstellung vom Helfer-Gott, der nach der Pfeife des Menschen tanzt und dem man sich doch unterwerfen soll, der Würde des Menschen genügen? Gliche er nicht mehr einem totalitären Machthaber, der nach Belieben hilft oder auch nicht?
Im christlichen Bekenntnis heißt es: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“. Gemeint ist also ein Gott, der wohlwollend ist wie ein Vater und wie eine Mutter. Allmächtig ist er, nicht in erster Linie weil er alles kann, sondern weil er absolut verlässlich ist. Man kann ihm wirklich vertrauen, aber ein Alleskönner und Zauberer ist er nicht. Wer an ihn glaubt, tut das in Freiheit und schreibt seinem Gott nicht vor, was er zu tun hat. Dietrich Bonhoeffer, der evangelische Christ im Widerstand gegen Hitler, hat das einmal treffend beschrieben. In einem Brief aus dem Nazi–Gefängnis heißt es: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.“
Ja, Gott ist allmächtig. Aber nicht als Alles-Könner ist er da, der dem Menschen das Leben abnähme und ihn damit entmündigte. Nein: im christlichen Glauben zeigt sich Gott vor allem als der Mit-Leidende. Absolut verlässlich ist er da – in guten wie in schweren Tagen. Denken wir z.B. an Eltern, die klar zu ihren Kindern stehen – auch dann, wenn die schwere Fehler machen oder Irrwege gehen. Auf solche Eltern ist Verlass, was auch immer geschieht. Allmächtig im Sinne der Alleskönnerschaft sind sie nicht, aber treu und verlässlich. Ich meine, das ist das Wesen der Liebe. Ohnmächtig ist diese Liebe, weil sie die Freiheit der anderen hochschätzt! Aber auch machtvoll in der verlässlichen Beziehung.
Dr. Gotthard Fuchs | Wiesbaden