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Ist liturgische Kleidung dem Zeitgeist unterworfen?

6. Dezember 2022

Kleider machen Leute. Im Gefängnis ist die Kleidung der Inhaftierten vereinheitlicht. Diese lässt kaum einen persönlichen Ausdruck zu. Auf der anderen Seite stehen die Bediensteten mit Ihrer uniformierten Kleidung. Ebenfalls nach einer festen Ordnung ausgerichtet. Die englische Richterrobe gibt Informationen über die Würde des Amtes. Wie ist das mit der liturgischen Kleidung in der Katholischen Kirche? In der 140 Jahre alten Justizvollzugsanstalt Herford befinden sich noch Messgewänder, die heute nicht mehr getragen werden.

In der Kirchengeschichte lassen sich Modeströmungen erkennen, obwohl es in der Zeit der frühen Kirche noch keine wirklichen Kleidervorschriften gab. Jesus unterschied sich in seinem Gewand nicht von der übrigen Bevölkerung. Er übernahm weder die Kultgewänder aus dem Alten Testament noch schuf er Gewänder, die den neuen Bund repräsentierten. Die Apostel sowie die ersten Bischöfe folgten seinem Vorbild und kleideten sich im Stil der damaligen Mode. Dass sich die Kleidung der Kleriker zunächst nicht von jener ihrer Mitbürger unterschied, dürfte vermutlich auf die Christenverfolgung im römischen Reich zurückgehen. In der frühen Kirche wollte man seine innere Berufung nicht durch Kleidung zur Schau stellen, sondern es zählte einzig die Transparenz gegenüber Gott.

Das Obergewand des Priesters wird als Kasel oder Planeta bezeichnet. Zusammen mit der Albe bildet sie die Messkleidung in den liturgischen Farben. Die Kasel hat ihren Ursprung im Obergewand der griechisch-römischen Welt. Häufig wird sie als Bassgeige bezeichnet.

Geistliche als Vorbildfunktion?

Diese Grundeinstellung verlor durch das 4. Konzil von Karthago an Bedeutung. Hier wurde festgelegt, dass ein Kleriker allein seiner „professio“ und keiner anderen Beschäftigung nachgehen sollte. Die Berufung ein Gott geweihtes Leben zu führen und dies für jedermann erkenntlich, war eines der Ergebnisse des Konzils. Die Kleriker sollten „bartlos, mit kurzem Haar und mit einfacher Gewandung“ auftreten. Wobei sich die Kleider für die liturgischen Zeremonien deutlich von der alltäglichen unterschieden. Mit den erlassenen Vorschriften wollte man eine Deckungsgleichheit zwischen innerer Einstellung und äußerer Erscheinung herstellen. Kleriker wie Laien trugen damals nach griechisch-römischer Sitte die Tunika, weshalb bei der Kirche die Sorge wuchs, die Priester könnten sich zu sehr dem Laienstand angleichen. Somit würde die außerordentliche Stellung, die man in der Gesellschaft einnahm, verlorengehen. Im Verlauf des 5. Jahrhunderts wurde die Idee geboren, dass der Geistliche eine Vorbildfunktion in der Gesellschaft einnehme, so dass das einfache Volk zu ihm aufblicken kann. Des Weiteren sollte er sich als gebildeter Mensch von der Masse abheben. Das Priesteramt des Neuen Bundes wurde mit jenem des Alten Bundes verknüpft und Aaron wurde als Vorbild für das geistliche Gewand herangezogen. In dieser Zeit wurde die Tunika durch ein ärmelloses Hemd aus dunklem Stoff, welches Paenula genannt wird, ersetzt.

Priesterkleidung dem Zeitgeist unterworfen

Der kirchliche Kult erfuhr in der Zeit der konstantinischen Wende eine Aufwertung, als Konstantin der Große im Zuge seiner Religionspolitik das Episkopat in den römischen Beamtenapparat eingliederte und somit bestätigte, dass ihm bestimmte Rangabzeichen zuerkannt werden müssten. Die Stola wurde zum Kennzeichen der Geistlichkeit und so unterschied sich von anderen klerikalen Rängen und von anderen Berufen überhaupt. Unter Pippin und Karl dem Großen wurde das antike Erbe betont, indem es allein in den Händen des Klerus lag, Gottesdienste abzuhalten. Dieser Dienst für Gott und die Menschen sollte sich ebenfalls in der Kleidung manifestieren. Auf dem Konzil von Nicäa (787) wurden die Geistlichen zum ersten Mal als Stand angesprochen und auf der Synode von Mainz (813) finden wir die Erwähnung eines liturgischen Gewandes. Im 11. Jahrhundert tauchte der Vorwurf auf, dass der Klerus zur Prachtentfaltung und Vielfarbigkeit neige. Später schrieb man ihnen ein knöchellanges Kleid vor, damit sollte für jeden klar sein, dass der Mann, der im Priestergewand steckt von geringer Bedeutung ist, ja eigentlich gar nicht existierte, da er seinen Körper dem heiligen Dienst unterzuordnen hatte. Laut dem Verständnis der Kirche hatte die liturgische im Gegensatz zur alltäglichen Kleidung einen sakralen Charakter, der ihr durch eine Segnung verliehen wurde. Bis ins frühe Mittelalter hinein war liturgische Kleidung schlicht und bestand aus ungemusterten Stoffen ohne Zierbesätze. Die Wandlung, die die Kleidung durchlief, war stark abhängig von der jeweiligen Geisteshaltung in den Epochen: Das heißt die Textilien waren genauso wie die Malerei und die Musik dem Zeitgeist unterworfen.

GefängnisseelsorgerIn im Knast

Die Tätigkeit der einzelnen Berufsgruppen im Justizvollzug als GefängnisseelsorgerIn unterscheidet sich heute kaum noch – allenfalls im gottesdienstlich-sakramentalen Handeln. Die Seelsorge im Gefängnis stellt für die dort pastoral Tätigen eine besondere Herausforderung dar. Deshalb sind eine theologische Kompetenz und eine angemessene Zusatzausbildung notwendig. Als Priester, Diakon, Pastoral- oder GemeindereferentInnen der Katholischen Kirche sind sie der Gefängnisseelsorge tätig. Sie tun dies im Auftrag des betreffenden Bistums, die mit dem jeweiligen Bundesland einen Gestellungsvertrag schließt. So unterschiedlich wie die Seelsorgekonzepte sind, so verschieden sind die gottesdienstlichen Feiern in den Gefängnissen. Der christliche geprägte Gottesdienst hat im Knast oft einen anderen Charakter als draußen. Er ist gleichzeitig aber ein Fremdkörper in einer totalen Institution und muss es wohl auch sein. Gefängnisseelsorgerlnnen sind mit vielen Fragen konfrontiert: Wie kann Gottes Wort in dieser ganz eigenen Welt hinter Mauern und Gittern zur Sprache kommen? Wie kann spürbar werden, dass die Zusage seiner Gegenwart letztlich über allen Systemen und Institutionen, über Gesetz und Sicherheit steht, dass Göttlichkeit Liebe und Freiheit ist? Wie kann Gottesdienst mit Bekenntnisfreien, mit Menschen anderer Kultur und Religion gelingen?

Alte Messgewänder werden nicht mehr getragen

All diese Fragen wirken sich auf die Feier der Liturgie aus. In einer Sprache, die verstanden werden kann, alte Rituale anders gefeiert oder eben die Wahl oder Nichtwahl liturgischer Kleidung je nach Profession. Die Zelebration eines Gottesdienstes ist kein Kaffeegespräch, sondern eine Feier des Lebens mit Blick auf die göttliche Offenbarung der Bibel. Dies gelingt mal mehr mal weniger. Immer weniger sind es katholische Priester, die das Amt des Pastors hinter Mauern innehaben. Die gottesdienstliche Gemeinde vor Ort sowie der/die LeiterIn der Liturgie sind maßgebend. Im Jugendvollzug der JVA Herford sind dies Jugendliche und junge Erwachsene aus anderen Kulturkreisen, aus nicht kirchlich sozialisierten Biografien, es sind bekenntnisfreie Menschen oder mit Wurzeln in anderen Religionen. Die alten Messgewänder im Schrank der Anstaltskirche in Herford werden nicht mehr getragen. Sie sind Zeugen einer vergangenen Zeit. Ein gemeinschaftlicher Gottesdienst hängt nicht allein von der liturgischen Kleidung einer Amtsperson ab. Das Leben soll gedeutet und gefeiert werden. Der Verweis auf Göttlichkeit, in uns allen grundgelegt und erfahrbar werdend (nicht nur) im Gottesdienst, steht im Mittelpunkt.

Michael King
Unter Zuhilfenahme der Quelle aus dem Landesmuseum für Kärnten: Karin Lorber, Eine Geschichte des Messgewandes

 

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