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Leben mit der Corona-Pandemie in der JVA Würzburg

18. Dezember 2021

Ein durchgängiges Thema in der Justizvollzugsanstalt Würzburg ist das Leben mit der Corona-Pandemie. Nach dem Lockdown Anfang des Jahres gab es lange Zeit keine Ausgänge oder Hafturlaub mehr. Mit den sinkenden Inzidenzzahlen konnten die Freigänger wieder extern arbeiten und seit September 2021 waren auch wieder – bei entsprechender Lockerungsstufe – Ausgänge für geimpfte Gefangenen möglich. Dank der guten Impfbereitschaft der Gefangenen und der Bediensteten gab das für Viele neue Hoffnung und ein Stück Normalität zurück.

Im Herbst war es wieder möglich, dass Ehrenamtliche Angebote in den JVAs machten. In der JVA Würzburg gab es etwa wieder den Abend mit der „Initiative Zelle“ der kath. Hochschulgemeinde – ein wöchentlicher Brettspielabend zwischen Studieren- den und Gefangenen. Auch die Bibelgesprächsgruppe in der Strafhaft konnte wieder ehrenamtlich geleitet werden. Die rasant steigenden Fallzahlen ab November beendeten diese kurzen Erleichterungen. Beim Besuch galten nun die 3G+ Regeln: Besucher dürfen seitdem nur noch mit PCR-Test kommen, wenn sie nicht geimpft oder genesen sind. Aber zumindest konnte jeder Strafgefangene einmal im Monat eine Besuchsstunde haben, bzw. die U-Häftlinge in den ersten Monaten gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zweimal Besuch. Viele Gefangene nutzen die Möglichkeit zweimal im Monat je 20 Minuten auf Kosten der Justiz zu telefonieren. Ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Beziehung zu Familie oder Freunden.

Das Abendmahl-Bild stammt von Amadou Bello, einem ehemaligen Gefangenen der JVA Würzburg. Er hat sich dazu von Leonardo da Vincis berühmten „letzten Abendmahl“ inspirieren lassen. Bello kommt aus Afrika, wurde 1965 in Niger geboren und wuchs als Straßenkind in Kamerun auf. Um den Jahrhundertwechsel büßte er eine Strafe in der JVA Würzburg ab und wurde 2001 abgeschoben. In der Haft hat er sein künstlerisches Talent entdeckt und in seiner Zelle viele Bilder gemalt. Den Erlös verkaufter Bilder spendete Bello zu Gunsten eines Straßenkinder-Hilfsprojektes.

Unbekannter fremder Mann

Auch das Angebot mit den eigenen Kindern zu Skypen wird von immer mehr Gefangenen genutzt. Pro Monat zusätzlich 45 Minuten mit Mama oder Papa zu erzählen, zu lachen, Quatsch zu machen ist für die Kinder eine wirklich gute Sache. Und bei den Gefangenen mit kleinen Kindern ist die Angst geringer, nach der Entlassung der „unbekannte fremde Mann“ zu sein, von dem Mama nur alte Bilder hat. Allerdings gibt es auch sonst hinter den Mauern immer wieder Fototermine, bei denen Gefangenen Bilder von sich machen lassen können, um sie dann an Angehörige zu schicken. Eine besonders schwierige Zeit begann für die Gefangenen der Strafhaft Mitte November. Mehrere Gefangenen wurden positiv auf das Corona-Virus getestet. Dies bedeutete für die Männer Strafhaft 4 Wochen Ausnahmezustand. Alle drei Häuser mussten zunächst komplett 14 Tage in Quarantäne. Für viele Gefangene war es keine leichte Situation, so mit sich alleine zu sein. Andere teilen sich zu zweit einen 9 qm Haftraum und hatten dadurch zwar jemand zum Reden, dafür aber weniger Bewegungsfreiheit. Zumindest konnte bei den negativ getesteten Ende November unter zusätzlichen Vorsichtsmaßnamen die täglich eine Stunde Hofgang wieder durchgeführt werden.

Anstaltsleben anders organisiert

Vielen Gefangenen fehlte der durch die Arbeit vorgegebene Tagesrhythmus. Auch die Aufschlusszeiten, in denen sonst gemeinsam gekocht oder Karten gespielt wird, mussten für mehrere Wochen entfallen. Mehrere Reihentestungen brachten danach immer wieder einzelne Infektionen zum Vorschein, so dass erst Mitte Dezember nach und nach zu einer geregelten Arbeit in den Betrieben zurückgekehrt werden konnte. Auch in den nicht direkt von den Infektionen betroffenen Häusern musste das Anstaltsleben anders organisiert werden. Eine vorsichthalber strikte Trennung der verschiedenen Stationen und Flure mit unterschiedlichen Hofgangzeiten vermied Kontakte und reduzierte das Risiko. Küche oder Wäscherei arbeiten mit komplett getrennten Teams um im Falle von Infektionen nicht komplett schließen zu müssen.

Jetzt darf man telefonieren

Die Gefangenen haben diese notwendigen Einschränkungen mit einer bewundernswerten Ruhe ausgehalten. Größere Konflikte gab es so gut wie keine. Es war zu spüren, dass alle irgendwie froh waren, wenn sie selbst nicht erkrankten. Gott sei Dank hatte auch keiner der Infizierten einen schweren Verlauf. Die gesamte Atmosphäre in der Anstalt war sehr ruhig. „Es ist klasse, dass die Beamten trotz der Mehrarbeit freundlich waren“, erzählte mir ein Gefangener. „Beim Essen Austeilen durch die Kostklappe haben sie immer gefragt‚ kann ich sonst noch was für Sie tun?‘“ Die Corona-Pandemie bewirkt jedoch mit ihren Herausforderungen und Notlagen nicht nur Negatives. Sie brachte auch eine aus Sicht der Fachdienste positive und längst überfällige Veränderung in den bayrischen Strafvollzug: Gefangene durften zur Aufrechterhaltung der sozialen Bindungen seit Mai 2020 regulär telefonieren.

Bislang war das nach dem bayrischen Strafvollzugsgesetz nur in sehr wenigen Ausnahmefällen möglich, etwa beim Tod eines Angehörigen oder in anderen (familiären) Notlagen. Hier waren und sind dann Seelsorge oder Sozialdienst gefragt. Ansonsten waren bisher in Bayern Briefe und die maximal drei monatlichen Besuche der Draht zur Außenwelt. In allen anderen Bundesländern erhalten Gefangene die Möglichkeit zu Telefonaten mit Angehörigen oder Freunden. Dazu gibt es Chipkarten-Telefone auf den Fluren oder in den Hafträumen. Die Telefonkosten tragen die Häftlinge selbst. In Bayern hielt man dies bislang für ein Sicherheitsrisiko. Hier gab es in den letzten Monaten ein Umdenken im Justizministerium. Bei einem Treffen mit den bayerischen JVA-Seelsorgern sagte Herr Ltd. Ministerialrat Horst Krä: „Ich war bisher immer der Meinung, Telefonate der Gefangenen sind aus Sicherheitsgründen nicht vertretbar. Hier habe ich dazu gelernt!“ Es seien in der Pandemie keine größeren Sicherheitsprobleme durch die Telefonate mit Familien-Telefon in einer JVA in Niedersachsen angehörigen oder Freunden entstanden.

Telefonie in den Hafträumen?

Auch in Würzburg haben die GefängnisseelsorgerInnen erlebt, wie es viele Gefangene psychisch entlastete, zumindest telefonisch in Kontakt zu den Angehörigen sein zu können. Auch die Gefangenen, die bisher keinen Besuch haben konnten, weil die Besucher zu weite Anreisen haben oder gar im Ausland leben, profitierten von dem Kontakt. Gedacht ist, in Zukunft auch in Bayern Telefone in den Hafträumen zu installieren. Die Gefangenen könnten dann, sofern sie über Geld verfügen, einige zuvor genehmigte Telefonnummern selbständig anrufen. Telefonate sollten dabei die persönlichen Besuche nicht ersetzen oder deren Anzahl reduzieren, sondern als zusätzliche Kontaktmöglichkeit zur Außenwelt dienen. Wir hoffen, dass dieses Vorhaben nun auch zügig umgesetzt wird. Es wird nicht nur die Situation der Gefangenen verbessern, sondern auch den Vollzug erleichtern. So wäre der Anreiz deutlich geringer, sich illegal ein eingeschmuggeltes Handy zu besorgen. Häftlinge oder ihre Angehörigen geraten immer wieder unter Druck, wenn Forderungen für solche illegalen Handys innerhalb oder außerhalb der Anstalten eingetrieben werden. Mehr lesen…

Quelle: Rundbrief Gefängnisseelsorge in der JVA Würzburg, 3/2021

 

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