Überall begegnen uns Gefängnisse: Mitten in Städten oder immer mehr außerhalb. Manche sind in Betrieb andere ausgemustert. So auch in Brixen in Südtirol. Nur dieses ist upgecycled zu einem Kulturort, der nicht verheimlicht, was er einmal war. In Südtirol sagt man „im Tschupus“ – ins Gefängnis gehen. Auch dies ist eine neue Bedeutung.
Im Tschumbus findet Kultur der höchsten Ansprüche statt. Auch so eine Transformation. So kann aus Altem Neues entstehen, eine zwei Chance. In Brixen wird sie in jedem Sommer neu genutzt. Der Brixner Tschumpus ist seit 2016 ein Fixpunkt für Brixens Kultur und Theater. Das alte Bezirksgefängnis vor der aufragenden Domsilhouette zeigt, wie dicht in der Kleinstadt alles beisammen liegt: Kirche, Knast und Kultur beinahe unter einem Dach. Das Areal hat eine wechselvolle Geschichte und es ranken sich nicht wenige Legenden um die einstige Bischofsresidenz, Hinrichtungsstätte, das Gerichtsgebäude und Gefängnis. Eine Kulturinitiative rund um den Schauspieler und Regisseur Georg Kaser haucht den Geschichten aus dem und rund um den Tschumpus seit 2016 neues Leben ein – und schreibt neue, indem sie Kunst und Kultur in die Mauern des Gebäudes bzw. in den ehemaligen Gefängnishof holt.
Im Knast letzte Überlebende?
„Der ‚Tschumpus‘“, so die Organisatoren, „in den bisher keiner hinein wollte, wandelte sich zum Ort, aus dem plötzlich keiner mehr raus will. Der Kultursommer 2022 hinter Gittern ist gerne gefragt. Die Theaterszenerie dreht sich das Jahr 2050. Das Knurren des Weltalls hat sich ausgebreitet und alles Leben auf der Welt verschluckt. Nur eine letzte Festung trotzt dem schwarzen, unheilvollen Nichts: der Tschumpus! Dort, hinter den ehemaligen Gefängnismauern, zwischen Nussbaum und Hollerstauden, haben sich die letzten Überlebenden verschanzt und suchen einen Weg, um das Unfassbare rückgängig zu machen. Gescheiterte, seltsame, liebenswerte Existenzen hat der Zufall da zusammengewürfelt.
Im Knast Kultur erleben
Angeführt werden sie von der hellsichtigen Kassandra. Sie und ihr ausrangierter Androide Datalack reisen mit Hilfe des größenwahnsinnigen Erfinders Dr. Wernher K. K. Braun zurück in die Vergangenheit. Sie wollen jene Stelle auf der Zeitleiste in der Geschichte der Menschheit finden, an der das Verderben seinen Anfang genommen hat. Doch eine Zeitreise ist kein Honiglecken. Das Stück für den Tschumpus, angelehnt an den Filmklassiker „Back to the future“, lässt fast vergessene Epochen wieder aufleben und schwebt musikalisch durch die Hitparaden alter Zeiten. „Das Jahr des Oktopus“ ist eine Geschichte über Macht und Gier, aber auch über Zuversicht, Mut und Optimismus. Über Liebe, Freundschaft und das Glück, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Ins Gefängnis gehen und Kultur erleben und dabei ein Spiegelbild vorgehalten zu bekommen? Hier für die Kultur. An anderen Orten für ein neues Leben ohne Gitter und Mauern.
Stefan Thünemann