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Kreuz in JSA Arnstadt: Kein Tattoo, aber ein Heiligenschein

31. Mai 2023

Junge Strafgefangene haben mit ihrem Gefängnisseelsorger Dietmar Niesel und einem Künstler ein Kreuz für die Kapelle in der Jugendstrafanstalt Arnstadt gestaltet. Der Künstler kann gut damit leben, dass sein Kunstwerk an einem Ort hängt, der nicht für jedermann frei zugänglich ist. „Ich habe kein Problem, ein fertiges Werk loszulassen, wenn es an einen Ort kommt, wo es seinen Zweck erfüllt“, sagt der Nürnberger Holzbildhauer.

Der Ort ist die thüringische Jugendstrafanstalt (JSA) Arnstadt, genauer die dortige Kapelle. Gefängnisseelsorger Niesel hat für den kleinen Andachtsraum ein neues Holzkreuz geschaffen – zusammen mit jungen Männern, die in diesem Gefängnis ihre Strafe verbüßen müssen. Dass das Kreuz an diesem Ort seinen Zweck erfüllt, davon zeugen die Reaktionen der Gefangenen am Tag der Segnung. „Dieses Kreuz spricht mich an. Dieser Jesus ist mir nahe, weil er einer von uns ist, was die Handschellen und der Stacheldraht am Kreuz zeigen. Und zugleich ist er eine Gestalt der Hoffnung, weil er einen Heiligenschein hat“, sagt einer von ihnen.

Mit „seinen Männern“ Kreuz entworfen

Die Idee hatte vor Jahren Diakon Dietmar Niesel. Er ist der katholische Gefängnisseelsorger. Die Gestaltung der kleinen, aus viel Beton und Glas bestehenden Kapelle in dem 2014 eröffneten Gefängnis liegt ihm am Herzen. Schließlich trifft er sich hier regelmäßig mit „seinen Männern“ -wie er sie nennt – zur Bibelstunde, Gottesdienst oder zum seelsorglichen Gespräch. Ein erster Schritt war die Gestaltung der Wände. Junge Strafgefangene haben bunte Bilder gemalt, die zum Ausdruck bringen, was ihr Leben ausmacht: ihre Vergangenheit aber auch ihre Hoffnung und Ängste mit Blick auf die Zukunft.

Bezug zum Ort

Nachdem so ein paar Farbtupfer in die Kapelle eingezogen waren, fragte sich Dietmar Niesel, ob er nicht auch mit den Gefangenen ein Kreuz für die Kapelle schaffen kann, das einen Bezug zum Ort und zu den Menschen hat, die sich hier versammeln. In den wöchentlichen Treffen wurden verschiedenen Kreuze betrachtet. Die. Strafgefangenen sagten, was sie gut oder was sie unpassend an den jeweiligen Kreuzen fanden. Notiert haben sie zum Beispiel: „Jesus, ich wünsche mir für dich, dass du Nägel bekommst, damit du nicht rutschst, und ein Tattoo, das dir ein Antlitz des Modernen verleiht, einen schönen Dornenkranz und dass du einer von uns bist und mit offenen Augen über uns wachst.“ Bei der Suche nach einem Künstler wurde Dietmar Niesel in der eigenen Familie fündig: Patrick Niesel ist sein Neffe. Er setzte sich mit den Vorstellungen der Gefangenen auseinander und schuf ein Kreuz, in dem sich vieles von dem wiederfindet, was den jungen Männern wichtig war: Auf den Kreuzbalken etwa sind Stacheldraht und Handschellen abgebildet.

Symbol der Hoffnung

Die Jesus-Gestalt ist weniger der leidende Gottesknecht, als der Erlöser. Wichtig war den Gefangenen auch der Heiligenschein als Symbol der Hoffnung. Nur das Tattoo hat Patrick Niesel nicht umgesetzt: „Das ist eine Mode, die vielleicht in ein paar Jahren wieder verschwunden ist“, meint er. Zur Segnung des Kreuzes war Erfurts Weihbischof Reinhard Hauke in die Strafanstalt gekommen. Zusammen mit etwa 20 Gefangenen, der Künstlerfamilie und Bediensteten feierte er Gottesdienst. Die Sponsoren des Kunstwerks – ein Ehepaar aus Freiburg im Breisgau – konnten nicht teilnehmen.

Diesen Gottesdienst hatten die Jugendlichen intensiv mit Diakon Niesel vorbereit: Lieder geübt und eigene Texte geschrieben, wie eine Jesus-Litanei, die zwei Strafgefangene vortrugen. „Jesus, du sagst mir, dass ich nicht traurig sein soll, das Leben geht weiter; dass ohne dich und Gott das Leben nicht weitergeht; dass ich nicht aufgeben soll, nur weil ich eine Niederlage erlitten habe; dass ich daran glauben soll, dass ich es am Ende doch schaffen werde; dass du für uns gestorben bist, um uns vom Bösen zu befreien…“, heißt es darin. Der Weihbischof machte den jungen Straffälligen Mut für die Zukunft: Das Kreuz sei ein Symbol, das uns sagt: „Wir dürfen bei Gott immer wieder neu anfangen.“ Übrigens: Für Patrick Niesel war dieses Kreuz das erste Kunstwerk, das er für einen Kirchenraum geschaffen hat. Er kann sich gut vorstellen, dass es nicht das letzte war. Weitere Knastkirchen…

Matthias Holluba

 

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