Hoffnung hinter Gittern – geht das überhaupt? Daniela Bröckl weiß: Ja, das geht! Gemeinsam mit ihren KollegInnen der Gefängnisseelsorge im Erzbistum Paderborn ist sie für die Menschen im Gefängnis da. Seit 2010 ist Bröckl in der Gefängnisseelsorge des offenen Vollzuges tätig. Als Diözesanbeauftragte für die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten im Erzbistum kennt sie sich aus.

„Die Gefangen umtreibt die Sorge um die Familie, um Krankheit, was die Zukunft bringt, wenn sie wieder in Freiheit sind. Viele fragen sich, wer dann noch zu ihnen hält“, so Bröckl. Foto: Anna-Sophie Meyer
Hoffnung. Vielleicht eines der schwersten Wörter, wenn man im Gefängnis sitzt. Worauf hoffen, wenn man seine Strafe noch Jahre oder Jahrzehnte absitzen muss? Wenn die Welt sich weiterdreht, während die Fenstergitter die gleichen bleiben? „Es gibt auch Grund zur Hoffnung, wenn man im Gefängnis sitzt“, sagt Daniela Bröckl. Sie muss es wissen, denn sie ist regelmäßig im Gefängnis, aber niemals eingesperrt. Daniela Bröckl ist die Diözesanbeauftragte für die Seelsorge in den Justizvollzugsanstalten im Erzbistum Paderborn. Sie spricht mit Dieben, Mördern und Schlägern über Gott und die Welt. Im wahrsten Sinne. Und da geht es immer wieder auch um Hoffnung.
Eine andere Welt
Noch vor einigen Jahren hatte Daniela Bröckl mit der Gefängnisseelsorge ebenso wenige Berührungspunkte wie mit dem Erzbistum Paderborn an sich. Im Grunde keine. Die „ziemlich katholische Laufbahn“, von der sie spricht, hat ihren Ursprung im Bistum Augsburg. Dort studiert sie Diplom-Theologie, absolviert eine Ausbildung zur Pastoralreferentin, organisiert Schulunterrichtsstunden und die Gemeindearbeit. 1994 zieht sie mit der Familie nach Ostwestfalen, genauer nach Halle in Westfalen. Dort engagiert sie sich in der Erwachsenenbildung, ist ehrenamtlich in der Gemeinde tätig, wechselt 2003 in die Schulabteilung des Erzbistums. Und 2010 in die Gefängnisseelsorge. Nach wie vor im offenen Vollzug in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne tätig, seit 2018 aber zu 50 Prozent auch als Diözesanbeauftragte für die gesamte Gefängnisseelsorge im Erzbistum. Über „einen Kollegen“ sei sie dazu gekommen, erzählt sie: „Ich fand es einfach spannend, auch die Geschichten der Menschen zu hören, ihnen in diesen Situationen beizustehen, sie zu unterstützen.“ Wobei ihre Seelsorge nicht nur den Gefangenen, sondern auch den Mitarbeitern und Beamten der Anstalten gilt. Es sei die Neugier und das Interesse am Menschen, das sie antreibe: „Und ein wenig ist es auch eine andere Welt.“
Warum ChristenInnen
Gefangene nicht vergessen
„Ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen“ – so sagt es Jesus im Matthäusevangelium (Mt 25,36). Die Sorge um Inhaftierte zählt zu den sieben Werken der Barmherzigkeit, die Christinnen und Christen als konkrete Taten der Nächstenliebe verstehen. Denn jeder Mensch bleibt Gottes Ebenbild – auch wenn er Schuld auf sich geladen hat und dafür eine Strafe absitzen muss.
Die Gefängnisseelsorge lebt diesen Gedanken: Sie schenkt Inhaftierten Aufmerksamkeit, hört zu, spendet Trost und vermittelt Hoffnung. Sie erinnert daran, dass kein Mensch auf seine Tat reduziert werden darf – und dass Vergebung, Umkehr und ein neuer Anfang möglich sind.
„Ich glaube es geht darum, Gutes aus der aktuellen Situation herauszuholen. Und manchmal hilft es auch, einfach gemeinsam zu schweigen und die Sorgen für einen Moment zusammen zu tragen“, sagt Daniela Bröckl über ihre Arbeit.
Eine andere Welt, in der es für Daniel Bröckl und ihre Kolleginnen und Kollegen vor allem um das Reden und Zuhören geht. „Der Schwerpunkt unserer Arbeit ist das Einzelgespräch mit den Gefangenen“, sagt sie. Es sei ein Angebot, niemals verpflichtend: „Eine freie Entscheidung. Und davon gibt es nicht viele im Gefängnis.“ Die Inhaftierten stellen im Vorfeld einen Antrag, einen Gesprächsgrund müssen sie aber nicht nennen. Die Themen? „Häufig ganz ähnlich zu denen draußen“, sagt Daniela Bröckl. Es seien ähnliche Gedanken, ähnliche Sorgen, ähnliche Ängste. Nur, dass sie zusätzlich den schweren Rucksack der Inhaftierung tragen: „Die Gefangen umtreibt die Sorge um die Familie, um Krankheit, was die Zukunft bringt, wenn sie wieder in Freiheit sind. Viele fragen sich, wer dann noch zu ihnen hält.“ Und ja, auch Schuld spiele bei den Gesprächen eine Rolle. Schuld und Schuldgefühle. „Darf ich, nachdem was ich getan habe, überhaupt noch vor Gott treten?“, werde regelmäßig gefragt, schildert Daniela Bröckl. Die Antwort: „Ja. Denn Gott sagt zu jedem Menschen Ja, egal was er tut oder getan hat.“ Ohne Wenn und Aber. Das mache Hoffnung.
Schlimme Taten und harte Lebensgeschichten
„Es ist wichtig, dass wir regelmäßig vor Ort sind, regelmäßig sprechen“, sagt Daniela Bröckl. Neben den Gottesdiensten, die immer sonntags gemeinsam in den Vollzugsanstalten gefeiert werden. Ja, es habe auch Fälle gegeben, dass Täter erst im Gefängnis gläubig wurden, erst in der vermeintlichen Hoffnungslosigkeit ihren Zugang zu Gott gefunden haben. „Gott ist für jeden da, wenn man es will.“ Aber natürlich gebe es auch die Inhaftierten, die nicht gläubig seien, die auch keine Seelsorge wünschen: „Das ist nicht anders als draußen. Es gibt die Menschen, die nicht glauben. Es gibt die, die suchend sind und die, die seit Kindertagen gläubig sind. Und es gibt eben auch die Menschen, die hier ihren Glauben wiederfinden.“ Ja, gerade die schwierigen Momente, die Lebenskrisen, bedürfen Halt und Hoffnung. Dass der Gesprächspartner nicht ohne Grund in Haft ist, weiß auch Daniela Bröckl. Das schaltet sie auch nicht aus: „Manchmal wissen wir aber gar nicht, was der oder die genau verbrochen hat.“ Manchmal sei die Tat Teil der Gespräche, aber das müsse sie nicht sein. „Wenn man hinter dem Gesicht die Geschichte kennt, erklärt sich manches, ohne dass es eine Entschuldigung ist. Aber es gibt eine Erklärung.“ Es seien nicht immer nur harte Jungs, manchmal auch einfach harte Lebensgeschichten seit Kindheit an.
Hoffnung wollen
Nimmt man die harten Geschichten als Seelsorgerin auch ins Private mit, weil sie bewegen? „Nach über zehn Jahren kennt man manche Situationen, die einen nicht mehr so persönlich mitnehmen. Aber es gibt immer mal wieder Situationen, wo man persönlich auch etwas mit aus dem Gefängnis hinausnimmt.“ Aber auch dafür gebe es Supervisionen, Gespräche unter Kollegen, um das Erlebte zu verarbeiten: „Ich habe in dieser Arbeit auch eine große Dankbarkeit gelernt, dass mein Leben und das meiner Familie bislang so verlaufen ist, wie es verlaufen ist.“ Hoffnung, die könne man nicht einfach vermitteln, die müsse der Gegenüber auch in sich tragen. Auch wollen: „Ich glaube es geht darum, Gutes aus der aktuellen Situation herauszuholen. Und manchmal hilft es auch, einfach gemeinsam zu schweigen und die Sorgen für einen Moment zusammen zu tragen.“
Alexander Lange | Erzbistum Paderborn
Gefangenenwallfahrt nach Werl
Zum inzwischen dritten Mal fand im Jahr 2025 die Gefangenenwallfahrt nach Werl statt. „Es ist ein Angebot des Glaubens, das über den Alltag hinaus geht“, sagt Daniela Bröckl: „Aber es ist schön, dass es so gelingt.“ Die Inhaftierten der 14 Justizvollzugsanstalten im Erzbistum Paderborn, gemeinsam mit den Mitarbeitenden aus dem Allgemeinen Vollzugsdienst und aus den Fachdiensten, seien dann „eine große Gemeinschaft, die den Tag gemeinsam verbringt“. Zuerst werde gemeinsam gefrühstückt, dann werde zu einer Kapelle gepilgert, es folgt ein Impuls in der Werler Wallfahrtsbasilika Mariä Heimsuchung mit einzelnen Stationen zum Thema Hoffnung. Dann das Mittagessen und ein gemeinsamer Abschlussgottesdienst. „Wir haben in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass Außenstehende an diesem Tag gar nicht unterscheiden können zwischen Gefangenem und Bediensteten. Und so war auch die Erfahrung untereinander“, schildert Daniela Bröckl: „Wir erleben in Werl eine große Gastfreundschaft, die auch die Gefangenen unheimlich beeindruckt.“ Es sei ein Tag, an dem die Inhaftierten so sein dürfen, wie sie sind – und nicht nur Gefangene: „Und genau das Gefühl kann Hoffnung stiften.“