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JVA Hohenleuben: Häftlinge suchen das Gute in Jedem

9. Februar 2024

Ein kalter Tag im Januar. Inhaftierte der thüringischen Justizvollzugsanstalt Hohenleuben haben Raucherpause. Sie sprechen über ein Theaterstück, als hätten sie noch nie etwas anderes getan. Denn die sechs Männer werden bald auf der Bühne der Greizer Vogtlandhalle stehen, um das Stück „Adams Äpfel“ unter der Leitung der Sport- und Freizeitbeamtin der JVA, Anke Hartmann, aufzuführen.

„Es ist ein ziemlich einmaliges Projekt, was wir in der JVA haben“, sagt Regierungsdirektor der JVA Hohenleuben, Andreas Budan. „Wir sind sehr stolz darauf und freuen uns, dass Anke Hartmann jedes Jahr spannende Stücke mit den Häftlingen inszeniert.“ Dabei gehe es auch immer um die Beschäftigung mit dem eigenen Ich der Gefangenen. „Adams Äpfel“ ist ein Stück nach dem gleichnamigen dänischen Film von Anders Thomas Jensen. Es geht um einen Resozialisierungshof, der ehemaligen Häftlingen auf Bewährung helfen soll. Pfarrer Iwan leitet die Einrichtung. Iwan sieht die Welt und jeden Menschen nur positiv. So sehr, dass es fast schon weh tut. Er will den harten Jungs, darunter Nazis, ein Tankstellenräuber namens Khalid und der Alkoholiker Gunnar, zeigen, wie gut die Welt und wie gut sie selbst sind. Dann kommt Adam auf dem Hof an. Der aggressive Neonazi will überhaupt nicht auf dem Hof sein.

Inhaftierte proben für das Theaterstück ‚Adams Äpfel‘ unter der Leitung der Sport- und Freizeitbeamtin Anke Hartmann.

Glaube an den Sinn

„Es ist ein bitterböses, schwarzhumoriges Stück“, sagt Anke Hartmann. „Adam hat sich vorgenommen, Iwan vom Glauben an das Gute abzubringen. Was dann passiert, ist spannend.“ Was geschieht, wenn Iwan wegfällt? Übernimmt Adam die Verantwortung? Was macht das mit Adam? „Das Stück hat ein krasses Ende“, verrät Hartmann. „Es lässt uns alle darüber nachdenken, wie wir auf Menschen blicken und dass wir alle einzigartig sind, mit all unseren Macken, Stärken und Schwächen. Warum können wir Menschen uns nicht einfach mit Wohlwollen betrachten, egal wie wir gerade sind?“

Ein bisschen verrückt

Diese Frage werde verhandelt. Für viele der Männer ist es die erste Erfahrung mit dem Theaterspielen, für Jeton aus Albanien zum Beispiel. „Macht mir Spaß. Ist aber anstrengend. Die Sprache ist ein Problem“, sagt Jeton. „Der konnte gar kein Deutsch, als er in den Knast kam“, sagt Selim aus Tschetschenien. Er spielt Adam. „Ja, das stimmt. Bin Albanier und muss sechseinhalb Jahre absitzen“, verrät Jeton. Er sitze wegen Drogenhandel und -konsum. „Ich arbeite hart an mir. Aber ich bin das ganze Gegenteil von Iwan.“ Wieso das? „Er ist dumm und ein bisschen verrückt.“ Aber ja, er glaube auch an Gott, wie Iwan und er glaube daran, dass alles einen Sinn hat. „Ich weiß jetzt, dass diese Zeit im Knast verloren ist und sie mir niemand zurückgeben wird. Dass ich hier bin, ist meine Schuld. Aber es hat auch etwas Gutes. Es hat mich vor Schlimmerem bewahrt“, sagt Jeton. „Ich gebe mein Bestes im Stück. Regisseurin ist sehr streng, aber sehr gut.“

Mehr daraus geworden

Damit meint er Anke Hartmann. Am Rande verrät sie, was für ein großes Talent in Jeton schlummert. „Er hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz und ist ganz drin in dem Stück. Das habe ich nicht immer, wenn ich mit Häftlingen an einem Stück arbeite“, sagt sie. Überhaupt sei die Truppe dieses Mal echt dufte. „Sie verstehen sich alle gut und sie haben alle eine unglaubliche Entwicklung vollzogen.“ „Ich wollte gern mitmachen“, sagt Selim. Anfangs sei es ihm nur um die Abwechslung im Knastalltag gegangen und ums Freundetreffen. „Aber es ist viel mehr daraus geworden. Es macht Spaß und ich muss über meinen Schatten springen. Was andere denken, ist mir egal.“ Dann steht da noch Justin im Kreise seiner Haftbrüder. Ruhig. Unscheinbar. „Ich konnte es mir erst nicht vorstellen. Aber ich dachte, es könnte gut sein, um abschalten zu können und um den Kopf freizubekommen.“ Das Fallenlassen in die Rolle funktioniere nicht immer.

Das innere Kind heilen

Und dann ist da noch Mike. Er hat mehrere kleinere Rollen. „Ich hab schon mal in einem Stück von Anke Hartmann mitgespielt. In 1984 von George Orwell.“ Warum genau er sitze, wolle er nicht verraten. „Ich habe gegen meine Bewährungsauflagen verstoßen“, erzählt Mike. Seit einem Jahr ist er in der JVA. „Ich versuche, an mir zu arbeiten. Es gibt Einzelgespräche mit der Psychologin. Die eigenen Gefühle auszuhalten und das innere Kind zu heilen, darum geht es bei mir.“ Am 8. Februar, 19.30 Uhr, werden die sechs Männer aus der JVA Hohenleuben in der Vogtlandhalle auf der Bühne stehen und ihr Bestes geben, inklusive Gesangseinlage, für die eigens eine Chorleiterin zu den Proben eingeladen wurde. Die Anspannung steigt, je näher der Termin rückt. Aber am Ende wird nicht Perfektion zählen, sondern der Weg hin zu einer Aufführung, die für jeden, ob Darsteller oder Zuschauer, ein Erkenntnisgewinn sein wird.

Conni Winkler | Mit freundlicher Genehmigung: Ostthüringer Zeitung

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