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Josef ist ein Knacki, der sich auf Besuch freut

4. November 2020

Durch das Corona-Virus leben wir in schwierigen Zeiten. Den Gefangenen macht vor allem zu schaffen, dass die Besuche entweder stark eingeschränkt sind oder ganz ausfallen. Umso wichtiger ist der Kontakt zur Seelsorge: Gespräche, Gottesdienste und Anregungen zum Nachdenken. In der Eintönigkeit des Knastalltags spielen Musik, Kunst und Kultur eine große Rolle.

Auf dem Bild sehen Sie eine Krippe, die dieses Jahr in der Advents- und Weihnachtszeit im Karlsruher Gefängnis ausgestellt ist. Der durch seine sozialkritischen Krippendarstellungen überregional bekannte Bildhauer Rudi Bannwarth aus Ettlingen hat sie entworfen. Mit 15 Jahren begann Bannwarth eine Schreinerlehre, die ihm später als Basis für die Arbeit als Holzbildhauer diente. Anfang der 1990´er-Jahre beschloss der 57-Jährige sich zum Holzbildhauer weiterzubilden.

„Der Schreinerberuf ist mir mit der Zeit zu technisch geworden“, sagt Bannwarth. Auch heute findet man in seiner Werkstatt wenig moderne Technologie. Für die Weiterbildung besuchte Bannwarth die Fachschule für Schnitzerei in Berchtesgaden. Er fertigte Holzmasken und Heiligenfiguren, die Privatleute, Kommunen und Vereine in Auftrag gaben. Nach seiner Meinung verharren Motive und Darstellung zu sehr in der Vergangenheit. Aus diesem Wunsch entstand die Idee, die Bannwarth zum Durchbruch verhalf: Traditionelle Krippenfiguren modern zu interpretieren.

Weihnachten ist im Gefängnis ein schwieriges Fest. Die Inhaftierten spüren besonders, wie sehr ihnen vertraute Menschen fehlen. Rudi Bannwarth hat die Weihnachtsgeschichte deshalb in den Besucherraum eines Gefängnisses verlegt. Josef ist ein Knacki, der sich auf den Besuch seiner Verlobten Maria freut. Die ganze Szene ist in einem Fernsehkasten dargestellt, denn der Fernseher ist für Inhaftierte oft das einzige Fenster zur Welt draußen. Statt Hirten sind Vollzugsbeamte und ein Rechtsanwalt Zeugen des Geschehens. Der Ochse scheint sich im Paragrafendschungel verheddert zu haben und der Zuschauer, ein Esel, kommentiert die Szene von außen. Der Stern von Bethlehem schlägt von oben begleitet von Rockmusikern lautstark ins Gehäuse ein. Weihnachten will so gar nicht zum Gefängnis passen und doch ist es für viele ein Fest ihrer Hoffnung und Sehnsucht.

Michael Drescher | JVA Karlsruhe

 

 

 

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