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Ich bin kein Richter. Ich bin Ryszard Krolikowski…

5. März 2023

Verabschiedungsworte für Pfarrer Ryszard (polnisch ausgesprochen: Risch-art für Richard) oder „Krolli“ für Krolikowski. 

Ich bin kein Richter. Ich verurteile die Menschen nicht wieder, denn sie wurden schon verurteilt. Deswegen haben die Menschen eine Strafe bekommen und sitzen ein. Dabei betrachte ich die Inhaftierten als normale Menschen. Nicht als verurteilte Gefangene. Jeder der hier in die Kirche kommt ist ein Geschöpf – ein Kind Gottes. Nicht weniger – aber auch nicht mehr.

Dieses Zitat stammt aus einem Podcast mit dem Titel „Schlüsselrolle Gefängnisseelsorge“ und wurde im Domradio veröffentlicht. Dort stellt sich der Mann, der diese Worte sagt, wie folgt vor: „Mein Name ist Pfarrer Ryszard Krolikowski, ich bin Katholischer Pfarrer und seit 2007 Seelsorger in der JVA Werl. Ich kam aus der Gemeindeseelsorge aus dem Hochsauerland. In Polen wurde ich in Breslau zum Priester geweiht.“

Kein typischer Pfarrer

16 Jahre liegen zwischen dem Anfang im Jahr 2007 und seiner Pension im März 2023. Jede und jeder der Pfarrer Krolikowski kennengelernt hat, weiß: Diese Begegnung hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Pfarrer Krolikowski war kein typischer Pfarrer. Er nahm Sachen in die Hand: Mit Emotion und Reaktion. Aber er nahm sich die Zeit für Leute, die ein ernstes Gespräch mit ihm führen wollten. „Krolli“ wie ihn die Menschen in der JVA Werl „tauften“, erlebte viel in seinen 16 Jahren Vollzug. Man könnte sagen, er hat 15 Jahre LL (lebenslänglich) abgesessen, aber wegen ungünstigen Umständen durfte er die Anstalt nach 16 Jahren verlassen.

Man muss Richard erleben. Jede und jeder, der ihn erlebt hat, weiß, wie unterschiedlich seine Auftritte waren: Vom Gang der Pforte über C 1 und den A-Flügel in die Kirche. Wie die Büronachbarn der Bediensteten ihn gesehen haben. Wie die Gottesdienstteilnehmer von der inhaftierten Seite ihn erlebt haben. In den Gottesdiensten zeigt Pfarrer Krolikowski was er am besten konnte: Die Schola dirigieren und selbst kräftig mitsingen. Aber auch den Leuten im Gottesdienst, die sich nicht „gottesdienstkonform“ verhielten, einen guten Spruch drücken! „Gottesdienst ist keine Freistunde.“ Oder „Sie können nachher beim Umschluss quatschen.“ Jedoch konnte „Krolli“ mit seiner Mimik der große Augen und seiner Gestik mit dem Fingerzeig den Menschen zu verstehen geben: Bis hier hin und nicht weiter. Bestimmend, aber nicht unfreundlich.

Außerhalb der Gottesdienste war er für jeden in der JVA Werl ein Ansprechpartner und die Leute mochten ihn. Als ich von 2017 bis 2019 als Gefängnisseelsorger in der JVA Werl gewesen bin, und ich mit verschiedensten Menschen gesprochen habe, wurde mir zurückgemeldet: „Wie? Sie arbeiten mit Krolli zusammen? Dann schönen Grüße! Der Krolli, den kann man mit keinem Pfarrer aus der Gemeinde vergleichen…

Am Menschen interessiert

In meiner Wahrnehmung war Krolikowski in der Belegschaft gut vernetzt und kommunikativ aktiv. Alleine durch die Fragen „Na wie geht’s?“, „Wie geht es Person X oder Person Y?“ zeigte er, dass er am Leben der Person interessiert ist. Und aus meinen Beobachtungen konnte ich entnehmen, dass sich die Menschen ihm öffneten und mit ihm vertraut gewesen sind. Sogar die kirchenfremden Menschen fanden einen Draht zu Krolli. Oder Krolli fand einen Draht zu ihnen. Die Feindesliebe lebte „Father Ritchie“ – wie ihn Dr. Jörg-Uwe Schäfer in seinen Werler Tagen taufte. Pfarrer Krolikowski schaffte es, dass „Schaf“ und „Wolf“ im Vollzug miteinander zusammenleben konnten. Denn untypisch für einen Gefängnisseelsorger pflegte Pfarrer Krolikowski einen sehr freundschaftlichen Kontakt zur Abteilung „Sicherheit und Ordnung“.

Ein Mann der großen Emotionen

Wenn Ryszard einen mochte, dann hat man es gemerkt. Wenn Ryszard einen nicht mochte, dann haben es die Leute auch gemerkt. Extrem ehrlich, kein Blatt vor den Mund genommen.  Persönliche Anekdoten hatte jeder mit „Krolli“, wer ihn kannte. Die Reibungen machen das Leben im Vollzug aus. Streng und hart muss man sein, aber man muss auch Herz haben. Das hatte Pfarrer Krolikowski für die JVA Werl: Wer Tür an Tür an der Anstalt wohnt, der macht es nicht, weil man die Gefängnismauern so schön findet. Man macht es, weil man sich mit den Mauern und den Menschen in den Mauern identifiziert.

Danke…

Egal mit oder ohne Schlüssel, „das ist ihm egal.“ Krolikowski war nicht nur auf Abteilungen aktiv, er war auch in den Betrieben unterwegs. Haus I, Haus II, Steinbaracke, Elektrowerkstatt, Kantine, Haus III, Schreinerei, Schlosserei, Bäckerei und Backshop. Verwaltung, Sicherungsverwahrung, Bereichsleitungen und Abteilungsleitungen. Ausführungen. Fahrdienst und Pforte. Jeder der eine Begegnung mit ihm hatte, wusste wie es mit ihm war bzw. wo man ihm am häufigsten gesehen hat. An der Seite von Gefängnisseelsorger Theo Halekotte war Richard mein inoffizieller „Mit-Ausbilder“ gewesen. Von ihm habe ich meinen eigenen Schliff erhalten. Mit guten Worten, aber auch mit Strenge. Daher sage ich Danke und ein „Vergelts Gott“ auf seine Zeit in der JVA Werl.

Alexander Glinka | JVA Dortmund und JVA Castrop-Rauxel

 

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