Knastprodukte durchstöbern, aussuchen und online bestellen? Online-Shops mit Produkten aus den Betrieben von Justizvollzugsanstalten gibt es in fast jedem Bundesland. Die Waren sind sehr gefragt. Die Plattform knastladen.de in Nordrhein-Westfalen bietet beispielsweise Produkte aus 35 Betrieben in 28 Justizvollzugsanstalten an. Das Angebot ist umfangreich und vielfältig; von Schmuck über Handtaschen und Vogelhäusern bis hin zu urigen und technisch ausgereiften Grills. Mit wenigen Klicks kann man dort Artikel einkaufen, die eines gemeinsam haben: Von Gefangenen hergestellt.
Doch nicht nur diesen Knastladen gibt es online. In Hamburg ist das Projekt Santa Fu mehrmals ausgezeichnet worden. Es würdigt ein Projekt, dass die Produkte aus der JVA Glasmoor vermarktet, eine Anstalt des offenen Vollzuges mit 209 Haftplätzen. Die Produkte sind knastspezifisch. Da gibt es das Knasthandtuch oder das Kapuzen Sweat Shirt mit den 5 Zählstrichen abgedruckt. Das Markenlogo zeigt vier hochkant stehende Striche, die von einem fünften Strich durchkreuzt werden. Man hat sich etwas einfallen lassen. Marketing-, Werbe- und Vertriebsexperten unterstützten die Behörde in den ersten Jahren dabei und helfen mit, die Marke bekannt zu machen, So berüchtigt wie das Gefängnis, dessen Spitznamen sie trägt: Santa Fu. Die Produktpalette bietet nicht nur Kleidung: Kochbücher, Memories und Pflegemittel gehören ebenfalls ins Sortiment. Vor allem in Hamburg, aber auch in den übrigen Teilen der Bundesrepublik genießt die “heiße Ware aus dem Knast” Kultstatus.
Ein Resozialisierungsbaustein
Die nordrhein-westfälische Justizvollzugsanstalt Werl hat sich unter anderem auf Tierbedarf spezialisiert, in der Justizvollzugsanstalt Remscheid werden sogar Schuhe hergestellt. Besonders attraktiv ist das Angebot an Büromöbeln, die in verschiedenen Einrichtungen hergestellt werden. Der Arbeitseisatz und die erlernten Fähigkeiten sollen die Inhaftierten befähigen, nach der Entlassung ihren Lebensunterhalt eigenständig bestreiten zu können. Durch den Verkauf der Produkte erhalten viele Gefangenen erstmals eine Anerkennung für ihre positive Arbeitsleistung. Dies gilt insbesondere für die arbeitstherapeutischen Maßnahmen. Darin werden die Inhaftierten an Arbeiten herangeführt und erlernen den handwerklichen Umgang mit Werkstoffen und Materialien sowie den sozialen Umgang mit ihren Mitmenschen am Arbeitsplatz. Insofern ist die Arbeit der Gefangenen ein wichtiger Resozialisierungsbaustein.
Wer einen Blick in die Produktionsstätten wirft, entdeckt, dass die Arbeit genauso abläuft wie draußen. Die meisten Leute machen sich von einem Gefängnis wenig Vorstellungen. Es sind Menschen, die dort arbeiten und leben müssen. Der raue Gefängnis-Touch gibt es vielleicht. Das prägt auch die Santa Fu Ware: Tattoos zieren beispielsweise die Memoriekarten des Labels; die Motive haben die Gefangenen von ihren eigenen Tätowierungen an Armen und Beinen abgepinselt. Auch das Santa Fu Logo reiht sich in diese Stilrichtung ein: In Strich-Schreibweise notieren die Gefangenen, wie viele Tage sie schon einsitzen – jedenfalls ist das das Klischee. Durch die Arbeit werden die Gefangenen in einen regelmäßigen Tagesrhythmus integriert. Ein Teil des Jahresumsatzes fließt in Hamburg an die Organisation “Weißer Ring”, die Kriminalitätsopfer unterstützt. Vom Rest des Umsatzes stellt das Gefängnis Ausbilder und Handwerksmeister ein, die Gefangene an neue Aufgaben heranführen oder Produktionsmaschinen reparieren und ausbessern.
Große Anzahl an JVA Shops
Weil die Erzeugnisse aus den 13 niedersächsischen Gefängnissen so viel Anklang finden, gibt es den JVA Shop. Im Angebot sind neben Grillzubehör Taschen, die Tisch-Dekolinie „Knastkitchen“ oder Sanddorn-Produkte aus der JVA Vechta. Der niedersächsische JVA Shop hat einen Umsatz von ca. 600 000 Euro und ist nach Angaben des Justizministeriums in Hannover der umsatzstärkste seiner Art. Die Handwerker im Knast produzieren nicht nur für den Online-Shop. „Wir stellen sämtliche Unterbauten für die Büromöbel von Landesbehörden her und sind Dienstleister für externe Unternehmen“, sagt der Chef der Schlosserei in der JVA Sehnde. „Der Job hier ist begehrt, aber nicht jeder darf hierher“, fügt der Leiter des Metallbauproduktionsbetriebs hinzu.
In Baden-Württemberg hat der Landesbetrieb Vollzugliches Arbeitswesen VAW das Ziel, die Resozialisierung von Gefangenen zu unterstützen und sie zu befähigen, “künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.” Durch die Vermittlung, Erhaltung und Förderung von Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit werden die Chancen der Gefangenen auf eine Eingliederung in das Erwerbsleben nach Verbüßung der Freiheitsstrafe verbessert. In den Eigenbetrieben werden handwerkliche Produkte von der Einzel- bis zur Serienfertigung (Büro- und Gartenmöbel, Schuhe, Taschen) hergestellt. Die Beschäftigung von Gefangenen erfolgt unter Anleitung erfahrener Handwerksmeister. Vor allem die Bereiche Holz- und Metallverarbeitung, Elektro, Kfz, Papierverarbeitung, Landwirtschaft sowie die Herstellung von Back- und Wurstwaren gehören zum Leistungsspektrum der Eigenbetriebe. Geeignete Gefangene können in den Eigenbetrieben eine qualifizierte Berufs- oder Weiterbildung absolvieren und somit ihre Chancen auf eine berufliche Eingliederung nach der Entlassung verbessern.
Berufliche Aus- und Weiterbildung sowie geregelte Arbeit der Gefangenen während der Haft sind zentrale Bausteine für eine erfolgreiche Resozialisierung. Der bayerische Justizvollzug stellte 2017 die Online-Marke Haftsache vor. Die Gefangenen sind, wenn auch zeitlich hinter Gittern, Teil der Gesellschaft, in die sie früher oder später wieder zurückkehren werden. “Wer also eine Haftsache kauft, leistet auch einen wichtigen Beitrag zu der erfolgreichen Wiedereingliederung von Strafgefangenen”, so die dortige Werbung für den Shop. Andere Einkaufswelten gibt es mit dem Gitterladen in Sachsen, den JVA Shop Waldeck in Mecklenburg-Vorpommern, das Knast-Werk in Bremen sowie den Eigenbetrieben der örtlichen Justizvollzugsanstalten in den Ländern.