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Häftling Jean Daligault starb 1945 im KZ Dachau

3. Januar 2022

Der 27. Januar ist der Tag des NS-Opfer-Gedenkens: Vor 80 Jahren kam der französische Priester und Maler, Jean Daligault, ins SS-Sonderlager Hinzert und in die Gefängnisse Wittlich, Köln Klingelpütz und Trier. Er starb 1945 in Dachau. Von vielen Nacht-und Nebel-Inhaftierten sind schriftliche Zeugnisse überliefert, von ganz wenigen nur Bilder und Zeichnungen. Denken wir an Robert Martay, Louis Berrou, Marius Durocher und Tausende, denen man damals ihr Leben geraubt hat. Ihre Wege verliefen über Trier, Hinzert, Wittlich, in Strafeinrichtungen des Reiches. Daligault, hingerichtet in Dachau 1945, kennen einige. Die Namen seiner Mitgefangenen kennt keiner mehr.

Daligault, Selbstportrait Gefängnis Trier, 22.5.1944 cr Musée de la Résistance et de la Déportation de Besancon

Was hat Daligault gemacht, dass man ihn nicht vergessen hat? Wieso kann gerade er die Erinnerung an die Mithäftlinge hochhalten? Er sprach in Bildern. Er zeichnete. Er malte. Ungewöhnlich, dass er das damals im KZ und im Strafgefängnis konnte. Noch ungewöhnlicher, dass viele seiner Werke aus den schicksalhaften Jahren ins Heute gerettet wurden. Dass man sie anschauen kann in Caen und in Besancon im französischen Museum für Widerstand und Deportation. Sogar im Trierer Museum am Dom bei einer Ausstellung vor einigen Jahren. Zwei Bilder sind noch auf der Museumshomepage zu entdecken. Immerhin ist das Dom-Museum auf dem Platz des Trierer Gefängnisses an der Windstraße erbaut worden, wo Daligault auch einsaß. Die alten Gefängnismauern wurden in den Museumsneubau integriert.

Spionagetätigkeit?

Daligault (*1899) aus dem normannischen Caen war Priester und gleichzeitig leidenschaftlicher Maler. Bei Reisen nach München, Nürnberg, Köln beobachtete er früh die überschwänglichen Propagandaschauen des Regimes. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich 1940 unterstützte er die „Résistance“. Am Ende konnte man ihm die „Feindunterstützung“ nicht einmal nachweisen, entlassen wurde er nicht. Freimütig sagte er dem Trierer Gefängnispfarrer Nikolaus Jonas, dass er nach deutscher Auffassung mehrfach den Tod verdient gehabt hätte, und vertraute ihm Einzelheiten seiner Spionagetätigkeit an.

Schrecken pur

1942 kam Daligault ins SS-Sonderlager/KZ Hinzert. In den „Trierer“ Jahren war dies seine schlimmste Zeit, Hunger, Frost, Steinbrucharbeit, Prügel, Folter, Tyrannei, Ermordungen. Beim Zugtransport in den Hochwald hatten alle noch Hoffnungen auf erträgliche Arbeit in Wald und Feld. Was kam, war Schrecken pur. Der kleine Robert Martay z.B., ein Junge von 16 Jahren saß allabendlich auf einem Hocker mit lächerlichem, bis zum Nabel reichenden kurzen Oberhemd, nackt ansonst, ein dünnes Heft mit dem Lukasevangelium lesend. Drei Jahre bis zu seiner Heimkehr als Sterbender (+1945) beschäftigte er sich mit der Bibelbroschüre. Der Mithäftling Louis Berrou war Hochseefischer, hatte Untergetauchte nach England gebracht. Er starb im KZ Sachsenhausen. Marius Durocher, einem französischen NN-Häftling, trat ein Hinzerter Wachmann in den Bauch, dass er aufplatze. Durocher, notoperiert, starb an den Folgen.

Künstlerische Fähigkeiten

In den Gefängnissen Wittlich und Trier waren die Haftbedingungen etwas besser. Viele Bedienstete nahmen seine künstlerischen Fähigkeiten in Anspruch, ließen sich gerne von Daligault zeichnen. Man gab ihm sogar Farben und Modellmasse. Nikolaus Jonas erhielt gleich bei der ersten Begegnung eine Figur aus einem Suppenknochen, zwei aneinander gekettete Häftlinge. Bald hatte der Pfarrer einen ganzen Karton voller kleiner Werke zuhause. Er sollte sie aufbewahren für den Häftling. Zur Übergabe kam es nicht mehr. 1944 kam Daligault nach München, dann ins KZ Dachau, wo er am ersten Tag hingerichtet wurde, 1945. Jonas´ Haus wurde vollständig zerbombt, der Karton mit den Kunstwerken konnte heil aus den Trümmern geborgen und bald der französischen Verwaltung übergeben werden. Kürzlich wurden auf einem Speicher in einem Eifeldorf weitere Daligault-Zeichnungen gefunden, vermutlich aus dem Bestand des Gefängnispfarrers Jonas. Werden sie gezeigt, dann transportieren sie nicht nur die Kunstfertigkeit eines französischen Priesters in die Gegenwart, sondern auch das Ungeheuerliche der Schreckenszeit vor 80 Jahren und Namen, Schicksale von Menschen, die wir nicht vergessen dürfen.

Alfons Zimmer | JVA Bochum

 

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