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Gläubige Überzeugungen gehen weiter als kirchliche Lehre

2. November 2024

Jeder Mensch ist zur Heiligkeit berufen und kann ein heiligenmäßiges Leben führen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dies festgehalten. Allerheiligen feiern und aller Heiligen zu gedenken ist weitaus mehr, als der kirchlich heilig gesprochenen zu gedenken. So sind wir gewohnt zu hören. Doch was bedeutet das?

Das Bild ist von der Künstlerin Thekla Kampelmann, die jetzt in England lebt. Sie ist Werlerin und hat dieses Bild dem Wallfahrtsleiter Dr. Gerd Best geschenkt. Es zeigt das Paradiesportal der Propsteikirche in Werl.

Ein Blick auf die Heiligsprechungen von 1900 bis heute legt nahe, dass Heiligkeit nach wie vor von Beruf, Berufung und Herkunft abzuhängen und darum nur für einige wenige Menschen erreichbar zu sein scheint. „Weniger als drei Prozent der Menschen, die in den vergangenen 122 Jahren heiliggesprochen wurden, waren gläubige Laien, die weder ein Keuschheitsgelübde abgelegt noch ein Martyrium erlitten haben.“ (Doris Reisinger in Christ in der Gegenwart Oktober 2022).

Die mit Abstand meisten Menschen, die in den vergangenen 122 Jahren heiliggesprochen wurden, waren Männer. 90 % der heilig gesprochenen im Zeitraum dieser 122 Jahre haben ein Zölibatsversprechen abgelegt. Wird da ein Himmel gemalt oder konzipiert nach kirchlichen Vorstellungen? Manchmal braucht es Jahrzehnte und länger, bis Menschen als heilig oder vorbildlich hingestellt werden, Menschen, mit denen sich Kirche zeit ihres Lebens schwer tat. Ein Beispiel dafür ist die Heilige Teresa von Ávila, die 1582 verstarb. Sie schrieb mehrere Bücher, verfasste ungefähr 15.000 Briefe und gründete zahlreiche Klöster. Teresa war sehr beliebt – jedoch nicht unbedingt bei der männlichen Kirchenobrigkeit. Der päpstliche Nuntius bezeichnete sie als „ein unruhiges, herumvagabundierendes, ungehorsames und verstocktes Weibsbild, das unter dem Vorwand von Frömmigkeit falsche Lehren erfand.“

Politisches Beten

Noch 1923 lehnte Papst Pius XI. es ab, dass Teresa zur Kirchenlehrerin erhoben wurde, mit dem Argument, dass ihr Geschlecht im Weg stehe. 1970 wird sie dann als erste Frau zur Kirchenlehrerin ernannt. Teresa zeigt, dass es unter den später heilig gesprochenen Menschen welche gibt, die Zeit ihres Lebens von der Kirche kritisch beäugt oder gar abgelehnt wurden. Sie zeigt, dass gläubige Überzeugungen weiter gehen können als die kirchliche Lehre. In einem ihrer Bücher schreibt sie, dass „die Richter dieser Welt lauter Männer sind und dass es keine Tugend einer Frau gibt, die sie nicht für verdächtig halten“ (Weg der Vollkommenheit 4,1). Das entmutigt sie nicht. Stattdessen betet sie – und weil wir auch heute noch von ihrem Gebet wissen, es lesen und vielleicht gar mitbeten können, ist ihr Beten „politisch“: „Dir, Herr meiner Seele, hat vor den Frauen nicht gegraut, als du durch diese Welt zogst, im Gegenteil, du hast sie immer mit großem Mitgefühl bevorzugt und hast bei ihnen genauso viel Liebe und mehr Glauben gefunden als bei den Männern… Reicht es denn nicht, Herr, dass die Welt uns eingepfercht hat und für unfähig hält, in der Öffentlichkeit auch nur irgendetwas für dich zu tun, was etwas wert wäre, oder es nur zu wagen, ein paar Wahrheiten auszusprechen, über die wir im Verborgenen weinen, als dass du eine so gerechte Bitte von uns nicht erhörtest?“

Gelegentlich auch irren

Eine große Frau – noch nicht genügend als Kirchenlehrerin wahrgenommen, aber auch eine Alltagsfrau, wenn sie betet: „Führe mich zu der großartigen Erkenntnis, dass ich mich gelegentlich auch irren könnte. Trage Sorge dafür, dass ich einigermaßen liebenswürdig bin; ich möchte keine Heilige sein – mit manchen von ihnen ist es so schwer zu leben -, aber eine sauertöpfische, alte Person ist eines der hervorragenden Werke des Teufels. Schenke mir die Fähigkeit, Gutes zu entdecken an Orten, an denen ich es nicht erwarte und Begabungen in Menschen, denen ich sie nicht zutraue. Und gib mir, oh Herr, die Gnade es ihnen auch zu sagen.“

Bernd Mönkebüscher

 

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