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Gefängnisseelsorge auf dem 38. Evangelischen Kirchentag

8. Juni 2023

In Dortmund hat er das letzte Mal stattgefunden, der Evangelische Kirchentag. Das war 2019. Erstmals seit Ende der Corona-Pandemie treffen sich 2023 in Nürnberg 70.000 BesucherInnen in der mittelfränkischen Stadt zum 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag. „Jetzt ist die Zeit“ steht in gelber Schrift auf türkisen Hintergrund auf den Werbeplakaten in der Stadt. Grund genug für die Evangelische Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland mit einem Stand im Messezentrum der Halle 1 vertreten zu sein.

 

Miniatur-Hafträume zu sehen

Unscheinbar erscheint der Stand der Gefängnisseelsorge in der Messehalle, wäre da nicht das Logo mit den schwarzen Gitterstäben und das lila Kreuz der Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge. Einige Sitzhocker mit dem Motto des Kirchentages stehen da. „Fast wie in einem besonders gesicherten Haftraum (BGH)“, sagt ein erfahrener Gefängnisseelsorger, „darin ist ebenfalls ein Sitzhocker.“ Er meint einen Haftraum, der besonders ausgerichtet ist, dass kein Mobiliar Schaden anrichten kann. Auf einer Anrichte kann man in Miniaturformat einen Einzelhaftraum, wie er in den Gefängnissen Bayerns anzutreffen ist, anschauen. Die Einrichtung ist in den unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten verschieden ausgestattet. Es fällt auf, dass die Toilettenschüssel offen neben dem Waschbecken steht. Dies ist weiterhin in manchen Gefängnissen Realität.

Gefangene keine schlechten Menschen

Die GefängnisseelsorgerInnen in Bayern stehen für Gespräche an diesem Stand bereit. Darunter ist auch Wolfgang Gronauer. Er arbeitet als Gefängnisseelsorger in der JVA Niederschönenfeld, elf Kilometer von Donauwörth entfernt. Dort sind aktuell 160 Häftlinge zwischen 18 und 26 Jahren untergebracht. Alle haben eine oder mehrere Straftaten begangen, für die sie von einem Gericht verurteilt worden sind. „Daher sind das aber noch lange keine schlechten Menschen. Die inhaftierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind persönlich sympathisch“, sagt Gefängnisseelsorger Wolfgang Gronauer.

Knastkapelle der JVA Niederschönenfeld

Besonders erfreut ist er und die Gefangenen über die Knastkapelle, die als ehemalige Wallfahrtskirche nur noch selten für die Öffentlichkeit zugänglich ist. „Wenn man hier reinkommt, dann merkt man nicht mehr, dass man im Gefängnis ist“, erzählt er. Die Gefängniskapelle gehörte ebenso wie ein Trakt der jetzigen Justizvollzugsanstalt einmal zum Kloster Niederschönenfeld. Im frühen 19. Jahrhundert wurde das Kloster als Folge der Säkularisation aufgelöst. Zeitweise gab es danach noch Pläne das Zisterzienserkloster wieder neu einzurichten, was jedoch an fehlenden Mitteln scheiterte. Im Jahr 1880 wurde schließlich ein Teil der Anlage zu einer Strafanstalt umgebaut, in der noch heute die JVA Niederschönenfeld untergebracht ist.

Mitteilungsblatt „Aufschluss“

Spannende Gespräche können die BesucherInnen an diesem Stand führen. Sie können sich das Mitteilungsblatt der Evangelischen Konferenz für Gefängnisseelsorge in Deutschland mitnehmen. Die Konferenz ist ein Zusammenschluss aller hauptberuflich tätigen Evangelischen GefängnisseelsorgerInnen im Bundesgebiet.  „Aufschluss“ so heißt die Zeitung, die nach der Knastsprache das Nichtverschließen der Inhaftierten auf einer JVA-Abteilung bedeutet. Darin werden viele Themen zu Haft und dem Alltag in einem Gefängnis beschrieben. „Wie ist das eingesperrt zu sein?“, fragt frühmorgens ein Kirchentagsbesucherin den Gefängnisseelsorger am Messestand. „Na ja, das können wahrscheinlich nur inhaftierte Menschen wirklich aus eigener Erfahrung erzählen“, beantwortet die Besucherin ihre Frage im nächsten Satz selbst.

Michael King | Titelbild: Friedrichx Stark epd

 

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