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Flutopfer: Wenn es einem die Sprache verschlägt…

28. August 2021

Eineinhalb Monate nach der Hochwasserkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ist im Aachener Dom der Opfer gedacht worden. Nach Starkregen waren Mitte Juli Ortschaften überflutet worden, ganze Häuser und Straßen wurden weggerissen. “Es wurde uns die Heimat weggenommen”, sagt eine Frau im rheinland-pfälzischem Ahrtal. “Nicht auch dass noch” sagen Betroffene und HelferInnen, angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie. Bischof Georg Bätzing erinnert angesichts der Sprachlosigkeit über Tod und Zerstörung an die Kraft des Gebets.

Aufräumarbeiten in den Ortschaften der Eifel.

Bischof Georg Bätzing erinnert angesichts der Sprachlosigkeit über Tod und Zerstörung, die die Flutkatastrophe mit sich gebracht habe, an die Kraft des Gebets und der Psalmen: „Wenn es mir die Sprache verschlägt, dann vertraue ich mich ganz intuitiv bekannten Worten und Gebeten an, dem Vaterunser, dem Rosenkranz, einem Wort der Heiligen Schrift – und dabei oft den Psalmen. Mit den Psalmen beten heißt, Klartext reden, nichts beschönigen und dennoch hoffen“, so Bischof Bätzing.

„Es werden noch etliche lange Nächte vergehen, die unruhig sein werden, geprägt von Angst und Sorge. Es braucht Zeit, bis Erfahrungen sacken, Verlust und Verletzungen verarbeitet werden können. Wunden, die in wenigen Stunden gerissen wurden, werden vernarben, hoffentlich auch heilen. Trauer um die verlorenen Menschen braucht Zeit, und es braucht unfassbar viel Kraft für Wiederaufbau und Neubeginn“, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

Schon jetzt sei aber auch ein Schimmer der Hoffnung sichtbar: „Unendlich tröstlich sind Hände, die Halt geben; Hände, die Menschen aus ihren Häusern gerettet haben; Hände, die festhalten und umarmen, wenn Tränen fließen; Hände, die zupacken, Schutt und Dreck wegräumen, persönliche Kostbarkeiten bergen; Hände und freundliche Gesichter, die Essen verteilen, neue Infrastruktur schaffen, Kindern Ferien und Freizeit ermöglichen. Unzählige Ehrenamtliche, Fachkräfte, Seelsorgerinnen und Seelsorger sind seit Wochen im Einsatz. Vergelt’s Gott Ihnen allen für diesen großartigen Dienst“, so Bischof Bätzing.

Gott schreit mit den Opfern

Landesbischof Bedford-Strohm betonte in seiner Predigt, dass Gott auch mitten in den Fluten erfahrbar gewesen sei. „Aber nicht als der, der auf den Flutknopf gedrückt hat, sondern als der, der mit den Opfern geschrien hat, der mit ihnen gelitten hat, der sie getragen hat in den Abgründen, die sich aufgetan haben.“ Gott sei auch erfahrbar in Menschen, die geholfen hätten, Schutt wegzuräumen und Chaos zu beseitigen und mit ihren Kräften oft über ihre Grenzen hinausgegangen seien, und in den Seelsorgenden, die das Leid mit ausgehalten hätten. „Denen, die einen Menschen verloren haben, kann niemand mehr diesen lieben Menschen zurückbringen. Die Familienfotos, die alten Briefe, die weggespült worden sind, die Heimat, die damit verbunden ist, sind verloren. Wir bringen die Trauer und die Ohnmacht, die mit all den Verlusten verbunden sind, heute vor Gott“, so Bedford-Strohm.

Massive Flutschäden in der Eifel.

„Aber wir bringen an diesem Tag auch eine Hoffnung zum Ausdruck. Die Hoffnung, dass Gott Heilung schenken möge, dass Gott Neuanfang schenken möge. Für jeden Einzelnen. Und für unser ganzes Land. Für einen ganzen Landstrich in Europa. Dass das Leid der Menschen, an dem wir alle so großen Anteil nehmen, unser Land verändert. Dass wir alles dafür tun, damit Menschen in der Zukunft solches Leid erspart bleibt“, so Bedford-Strohm.

Er selbst habe aber auch die Hoffnung, dass die Dramatik dessen, was passiert sei, die Abgründe an Leid, das Land zum Nachdenken gebracht und zu einem Neuanfang geführt haben. „Die Folgen des menschengemachten Klimawandels sind bei uns angekommen. Das haben wir verstanden“, so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Zurück in die alte Spur?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bekundet den Menschen, die Angehörige verloren haben, sein tiefes Beileid. Er gedachte auch der Flutopfer in den Nachbarländern. “Wir trauern heute mit Ihnen.” Das Unglück habe in einem Moment zugeschlagen, “als wir hofften, dass wir die Pandemie endlich unter Kontrolle bekommen würden. Aber dann kam eine neue Katastrophe hinzu.” Zutiefst dankbar ist Steinmeier für die Hilfesbereitschaft. “Wir helfen einander, wir stehen zusammen”, sagt das Staatsoberhaupt. “Die Gelder müssen jetzt schnell und zielgenau an die Betroffenen kommen”, fügt er an. Nicht alles wird mit Geld zu heilen sein. Es gibt keine leichte und nicht nur eine Antwort für die Konsequenzen der Flutkatastrophe. “Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir häufiger von heftigen Wetterlagen betroffen werden”, meint Steinmeier. Es gibt eine schmerzhafte Einsicht nach der Katastrophe. Zu sehr haben Menschen sich in Sicherheit gewähnt. Die sichere Gewissenheit ist brüchig geworden. Geht es jetzt darum, dass es zurück in die alte Spur geht? “Es gibt die existenzielle Erfahrung, dass wir aufeinander angewissen sind”, sagt der Bundespräsident weiter.

Der Gedenkgottesdienst

In Gedenken an die Verstorbenen und Betroffenen der Flutkatastrophe haben die christlichen Kirchen den ökumenischen Gottesdienst im Hohen Dom zu Aachen gefeiert. Dazu eingeladen hatten der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), Erzpriester Radu Constantin Miron. 

Als Gäste waren im Aachener Hohen Dom Betroffene mit konkreten Verlusterfahrungen, Helfer, Retter und Engagierte eingeladen. Neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nahmen Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsident Reiner Haseloff, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth sowie die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, und der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, teil. Bei dem Gottesdienst waren auch Vertreter aus den ebenfalls von der Flutkatastrophe betroffenen europäischen Nachbarländern, u.a. Kardinal Jean-Claude Hollerich SJ, Erzbischof von Luxemburg.

 

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