RTL versucht sich mit einem religösen Event. Die Passion Jesu soll in einem modernen Gewand live aufgeführt und Menschen so neu nahe gebracht werden. das klingt toll, meine Erwartungen sind allerdings recht niedrig angesiedelt, denn RTL und Religion gehen in meinem Verständnis irgendwie nicht richtig zusammen. Werde ich positiv überrascht?
Nachdem das Event wegen Corona im Jahr 2021 verschoben wurde, findet es nun in Essen auf dem Burgplatz statt. Im Stil eines Musicals mit modernen deutschsprachigen Liedern wird die Passion nachgespielt, zu einem Teil mit vorher aufgezeichneten Einspielern, die an verscheiden Orten in Essen gedreht wurden. Anreise Jesu und seiner Jünger mit dem ÖPNV, Fladenbrot mit Currywurst zum letzten Abendmahl und die Kulisse von Zollverein als Garten Gethsemane mag man als Modernisierung gelten lassen und die Liedauswahl, ist manchmal inhaltlich mehr oder weniger passend (durchaus interessant, wie man manchen Liedtext uminterpretieren kann), künstlerisch nicht immer vollkommen dargeboten, aber dem Liebhaber des modernen deutschsprachigen Pop bietet sich hier durchaus gute Unterhaltung. Insbesondere Thomas Gottschalk als “Erzähler” ist mal wieder ein durchaus guter Moderator, eben Thomas Gottschalk. Auf Schockmomente in Form von Geißelung oder Kreuzigung wird natürlich verzichtet, der Unterhaltungsmoment darf keinesfalls gestört werden. Stattdessen erzählt Henning Baum nicht überragend bewegt von der Qual einer Kreuzigung. Es bleibt halt alles TV-tauglich.
Kreuz-Event
Mit grossem Staraufgebot hat der TV-Sender RTL am Mittwoch vor dem Gründonnerstag in der Essener Innenstadt eine Show-Version der Leidensgeschichte Jesu inszeniert. Fast 5.000 ZuschauerInnen erlebten das Musikspektakel “Die Passion” über Verrat, Kreuzigung, Tod und Auferstehung auf dem Essener Burgplatz. Es wurde live im Fernsehen übertragen. Fladenbrote fürs letzte Abendmahl vom Sternekoch Nelson Müller und als Zugabe zwei Currywürste – so eigenwillig interpretiert der TV-Sender RTL diese Live-Inszenierung.
Showmaster Thomas Gottschalk führte als Erzähler durch die mehr als zweistündige Veranstaltung. Die Hauptrolle des Jesus hatte der Sänger, Musicaldarsteller und Schauspieler Alexander Klaws (Foto), erster Sieger von Deutschland sucht den Superstar, uebernommen. Daneben waren der Sänger Laith Al-Deen als Petrus, Ella Endlich als Maria, Mark Keller als Judas und Henning Baum als Ponitius Pilatus. Samuel Koch spielt ein Jünger Jesu. Im Interview sagt er: “Feindesliebe, sie ist dieser Tage wichtiger denn je. Und natürlich die Kraft, Macht und Wucht der Vergebung – eines der stärksten Werkzeuge des Christentums“, so Koch.
Das Bonifatiuswerk unterstützt das TV-Ereignis auf ideelle Weise, in dem es unterschiedliche Materialien zur Verfügung stellt. Mit dem kostenfreien Impulsheft “Die Passion Jesu Christi” können sich die Zuschauer intensiv mit der zentralen Botschaft des Osterfestes auseinandersetzen. Hier…
Nebenbei wird ein großes, leuchtendes, ca. 250 kg schweres Kreuz von Rüttenscheid (dem einzigen Ortsteil in Essen mit etwas studentischem Nachtleben) aus, über ca. 3 km zum Burgplatz getragen. Zwischendurch werden verschiedene Träger nach ihren Motiven und Glaubenserlebnissen gefragt. Irgendwie scheint alles dabei zu sein, mir ist manches zu evangelikal oder zu esoterisch angehaucht. Vielleicht wollte man so eine Verbindung zum religiösen Element der Passion schaffen, gelungen ist das in meinen Augen überhaupt nicht. Das hätte man sich tatsächlich sparen können. Dass das Ganze dann immer mal wieder von Werbung unterbrochen wird macht deutlich, dass es hier eben in der Hauptsache doch um das Geschäft geht.
Was gar nicht vorkommt: die beiden großen Kirchen haben rund um dieses Event viele Angebote geschaffen. Mitmachaktionen, besinnliche Angebote und Gesprächsangebote mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern gab es reichlich, wurden durchaus auch in Anspruch genommen, im TV und damit bei der breiten Masse kommt das aber nicht vor und spielt keine Rolle. Schade.
Mein Fazit
Es ist genau das rausgekommen, was ich mir vorher gedacht habe, eine nette Unterhaltungsveranstaltung die ein christliches Ereignis als Aufhänger nutzt um eine Show zu produzieren, die mit der eigentlichen Bedeutung des Ereignisses nichts zu tun hat. Die religiöse Bedeutung spielt eigentlich keine Rolle, Gedanken wie “stellvertretendes Leiden”, “Opfer”, “Sieg über den Tod”, “Erlösung durch Gott” werden ersetzt durch allgemeine Plattitüden von Liebe und Gemeinschaft.
Dass die Kirchen im Vorfeld Offenheit gezeigt haben war dabei wohl nicht verkehrt, die Deutungshoheit zu beanspruchen wäre sicherlich schwer gefallen im Angesicht des gesellschaftlichen Relevanzverlustes, der Skandale und der damit verbundenen Glaubwürdigkeitsprobleme. Vielleicht hat ja der Eine oder die Andere durch das Rahmenprogramm mehr mitgenommen als man denkt. Grundsätzlich aber ist “Die Passion” bei RTL ein hervorragendes Abbild dessen, was religiöse Realität in unserer Gesellschaft ist. Man muss gut unterhalten sein und bloß nicht zuviel zum reflektieren und denken haben. Ein bisschen Wischi-Waschi-Wohlfühl-Botschaft muss reichen. Die Kirchen bieten da (losgelöst von der Belastung durch die Skandale) doch oft zu schwere Kost.
Ein letzter Gedanke: hätte RTL so etwas über den Propheten Mohammed gebracht, wahrscheinlich hätte es mal wieder Volksaufstände in der islamischen Welt gegeben, wegen Verunglimpfung, Beleidigung und mangelndem Respekt vor dem Propheten. Manchmal wünsche ich mir auch mehr Respekt vor Christus und seinem Erlösungswerk und vor meinem Glauben.
Klaus Schütz , JVA Essen | epd-bild, Friedrichx Stark | Lizenziert: imago-images.de
Hier ein Link über einen weiteren Kommentar als “Protokoll eines Fernsehabends”: Bissig und durchaus amüsant. Weiter lesen…