Auch für schwere Jungs ist das nicht leicht: Wenn Väter in Haft gehen, können Familien zerbrechen. Ein neues Projekt in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel soll Inhaftierten mit Kindern nun Hilfestellungen geben. Der Name des Programms: „die Papa-Perspektive“. Das Ziel: den Häftlingen mehr und besseren Umgang mit ihren Kindern zu ermöglichen. Zwei Studentinnen der Fachhochschule Ostfalia haben die Idee zusammen mit dem katholischen Gefängnisseelsorger Markus Galonska entwickelt.
In vier Terminen seit Mitte des Jahres klären sie Gefangene über ihre Rechte und Pflichten als Väter auf. Das Spektrum reicht vom Familienrecht über die Stufen der kindlichen Entwicklung bis hin zur Frage, wie sie trotz einer Trennung für ihre Kinder da sein können. Vier Häftlinge nehmen aktuell an dem Programm zum Thema Väter-Rechte teil. Seit Anfang Juli treffen sie sich in den Unterrichtsräumen im Keller eines der Zellentrakte. Einer von ihnen: Mark Haeckel (32). Der Vater dreier Kinder sitzt seit rund zehn Jahren hinter Gittern. Das Projekt hilft ihm, wie er sagt: „Es tut gut, sich mit anderen über diese Themen austauschen zu können.“
Diese Anlaufstellen gibt es
Vor allem zu erfahren, welche Anlaufstellen einem als Vater offenstehen, erlebt er als hilfreich. Mittlerweile wird er schon von Mithäftlingen zu eigenen Problemen gefragt: Was kann man denn da machen? Viele Inhaftierte würden im Falle einer Trennung rasch resignieren und keinen Kontakt zu ihren Kindern mehr suchen. Wenn sich die Mutter trennt und der Papa nie da sein kann, sei es schwer, den Kopf oben zu behalten, so Haeckel, der selbst in der glücklichen Lage ist, regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern zu haben. Mit dem Problem sind die knapp 400 Häftlinge im Wolfenbütteler Männerknast nicht allein: Deutschlandweit machen geschätzt rund 100.000 Kinder die Erfahrung, dass sich ein Elternteil in Haft befindet. Auf die Idee, hier anzusetzen, kamen zwei Studentinnen in Wolfenbüttel im Zuge ihres Praxissemesters. „Frau Alkis“ (25) und „Frau Dick“ (24) absolvieren den Studiengang „Soziale Arbeit“, ihre Vornamen nennen sie auch den Gefangenen nicht. Aus Sorge, Inhaftierten könnten sie außerhalb der Vollzugsanstalt ausfindig machen, wie sie sagen. „Wir haben im Besuchsraum sehr oft Väter mit ihren Kindern gesehen“, erklärt Alkis. Zudem hätten sie in Gesprächen mit Inhaftierten deren Nöte zu hören bekommen. Die Studentinnen betreuten Häftlinge, die ohne Kontakte zu ihren Familien waren und keinen Besuch erhielten. „Da haben wir überlegt: Wie können wir den Vätern helfen?“ Mit dem gleichen Problem befasste sich Gefängnisseelsorger Galonska, wie sie erfuhren, als sie die Idee bei der JVA vorstellten. So fand das dreiköpfige Team zusammen.
Arbeit ist ehrenamtlich
Dick und Alkis machen die Arbeit mittlerweile ehrenamtlich und unentgeltlich. Auch das wüssten die Inhaftierten zu schätzen, glaubt Galonska. „Das zeugt von Interesse an ihren Sorgen und Nöten. Sie leiden darunter, im Gefängnis von ihren Familien getrennt zu sein.“ Auch für die beiden Studentinnen ist das Projekt schon jetzt ein Gewinn: „Bei den Treffen sehen wir nicht vier Häftlinge. Sondern vier Väter mit ihren Problemen.“ Eine neue Perspektive – und auch für die Studentinnen ein Gewinn. Mit dem vierten Termin Anfang September endet der erste Durchlauf von „Väter-Rechte“, das Vorhaben soll aber weiterleben, sagt Galonska. Weitere Ideen gibt es ohnehin: Perspektivisch könnte der Besuchsraum kinderfreundlicher gestaltet werden, der Seelsorger kann sich Spielstunden von Inhaftierten mit ihren Töchtern und Söhnen vorstellen. „Zeit, in der sie allein mit ihren Kindern sind.“ Zum Abschluss geht es bei Haeckel und seinen Mitinhaftierten um das Thema der Prägung: Welche Erfahrungen habe ich in meiner Kindheit und Jugend gemacht, die mich geformt und beeinflusst haben? Und welche will ich an meine eigenen Kinder weitergeben? Vorbild sein, als Häftling: Ein Spagat, der nicht nur Mark Haeckel beschäftigt.
Eric Westermann | Mit freundlicher Genehmigung: Braunschweiger Zeitung