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Der Tod des Terroristen Holger Meins in der JVA Wittlich

24. April 2023

Schriftzug – Holger Meins, das Volk wird dich rächen – an einem Gebäude am Autobahnkreuz Duisburg-Kaiserberg nach dem Hungertod von RAF-Mitglied Holger Meins in der Justizvollzugsanstalt Wittlich.

Der RAF-Mitglied Holger Meins ist im November 1974 in der rheinland-pfälzischen Justizvollzugsanstalt Wittlich nach einem Hungerstreik gestorben. Wer trägt Schuld an dem Tod des Terroristen? Der Anstaltsarzt? Oder Meins und seine Mitstreiter? Eine Historikerin und ein Zeitzeuge erinnern an den Fall. Wittlich, 9. November 1974, Block A, erster Stock, Zelle 51. An diesem Tag und an diesem Ort starb Holger Meins, Pfadfinder, Filmemacher, RAF-Terrorist.

Nach einem mehr als zweimonatigen Hungerstreik und wenige Stunden nach dem Besuch seines Anwalts Siegfried Haag. „Ich merkte, dass er wusste, dass er sterben wird, dass dies sein letztes Gespräch war“, sagte Haag einen Tag nach dem Tod von Meins in der ARD-Tagesschau. „Morgen früh lebt mein Mandant nicht mehr“, hatte der Jurist bei seinem Besuch noch zu den Vollzugsbeamten gesagt. Er hatte Recht. Es war nicht der erste Hungerstreik von Holger Meins, seit er 1972 in Haft kam. 42 Kilo soll er bei seinem Tod noch gewogen haben. Mit nur noch 400 Kalorien am Tag zwangsernährt worden sein. Zu wenig für den 1,83 Meter großen Mann?

Vorwürfe an den Vollzug

Die Anwälte der Baader-Meinhof-Gruppe, der Meins als Führungsmitglied angehörte, erhoben schwere Vorwürfe gegen die Justizbeamten und den behandelnden Arzt der JVA Wittlich. Er war zum Zeitpunkt des Todes des Terroristen nicht in der Anstalt, nicht in der Stadt, nicht erreichbar. War über das Wochenende verreist. Zu Unrecht? Zu Recht? Wegen der wochenlangen Belastung durch Meins‘ Inhaftierung und seinen Hungerstreik sowie dem (öffentlichen) Druck? Das Interesse der Medien war nach dem Tod von Holger Meins immens, der Fall schlug hohe Wellen, nicht nur in Deutschland.„Die Anwälte gingen medial ziemlich in die Offensive“, sagt die habilitierte Historikern Petra Terhoeven nach umfangreichen Forschungen.

In der Folge wären die Anwälte, darunter der spätere Bundesinnenminister Otto Schily, auch juristisch offensiv vorgegangen. Sie beschuldigten den Anstaltsarzt des Mordes. War es Mord? Oder fahrlässige Tötung, wie es später in der Anklage hieß? Alle diese Aspekte beleuchtete Professor Dr. Petra Terhoevem in einem Vortrag in Wittlich. Der Tod Holger Meins‘ sei ein „Schlüsselereignis für die Entstehung der zweiten Gewaltwelle der RAF“ gewesen, sagt Terhoeven. Sie hat ihre Forschungsergebnisse bei dem kurzweiligen Vortrag im Altbau der Anstalt präsentiert. An dem Ort, an dem Holger Meins starb. Der Titel der Veranstaltung, die von der Stadt Wittlich und der JVA organisiert wurde: „Der Körper als Kriegsschauplatz. Das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung zum Nachteil von Holger Meins’“.

Bediensteter erinnert an den Tod

„Er tut euch nichts mehr.“ Mit diesen Worten hatte ein Bereitschaftsarzt aus Wittlich den Bediensteten der JVA den Tod von Meins an jenem Samstag attestiert. Einer dieser Beamten ist Hans-Josef Wagner. Der heutige Pensionär kann sich noch genau an den Tag erinnern, als Holger Meins in seiner Zelle in Wittlich starb. Er erzählte aus seinen Erinnerungen nach dem Vortrag von Petra Terhoeven vor den rund 80 geladenen Gästen. Man sei zu zweit in die Zelle von Meins gegangen, habe morgens das Frühstück zu ihm in die Zelle gebracht, das nicht angerührte Abendessen vom Tag zuvor mit herausgenommen. Die Nachbarzellen von Meins waren während seiner Zeit in Wittlich nicht belegt worden. Aus Sicherheitsgründen. Nach dem Tod des Terroristen sei im Anstaltsradio – Fernsehen gab es damals noch nicht – während Nachrichtensendungen immer der Kanal gewechselt worden, um keine Unruhe unter den anderen Gefangenen zu provozieren. Für sie sei es allerdings kein Problem gewesen, dass Meins nach seinem Hungerstreik gestorben ist, die Lage blieb ruhig.

Wagner war damals als junger Vollzugsbeamter frisch im Dienst. „Wie kann ein solch junger Mensch wie Sie diesem Scheiß-Staat dienen?“, war einer der wenigen Sätze, die Meins zu ihm gesagt habe. Historisch war der Abend im Altbau der Justizvollzugsanstalt – das Gebäude stammt aus dem Jahr 1902 – auch aus einem anderen Grund: Wie Leiter Jörn Patzak sagte, war es der letzte offizielle Termin mit Publikum in dem Gebäude. Es soll umfangreich saniert und anschließend wieder als Gefängnis genutzt werden. Der Plan: Der derzeit leer stehende und nur zu kleinen Teilen genutzte, denkmalgeschützten Altbau soll Platz für 325 zusätzliche Gefangene bieten. Nach dieser Modernisierung wäre der Wittlicher Gefängniskomplex mit Platz für mehr als 900 Gefangene einer der größten in Deutschland. Zelle 51, Block A, erster Stock, wird es dann vielleicht wieder geben.

Petra Willems, Mit freundlicher Genehmigung: Trierer Volksfreund | Titelfoto: imago-image

Die Rote Armee Fraktion (RAF)

Die RAF war eine terroristische linksextremistische Vereinigung in Deutschland, die 1968 gegründet wurde. Sie war eine fanatische Splittergruppe der 1968 er Bewegung und versetzte die Bundesrepublik bis in die 1990 er Jahre in Angst und Schrecken. Die Gruppe verübte in Deutschland zahlreiche Attentate, bei denen 35 Menschen ermordet wurden. Zudem gab es Entführungen gegen Funktionäre aus Wirtschaft und Politik. Begründet wurden die Anschläge damit, dass die kapitalistische Gesellschaftsordnung zerstört werden muss.

Weil die Terrorgruppe von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof gegründet wurde, nannte man sie auch „Baader-Meinhof-Gruppe“. Die RAF hatte etwa 80 aktive Mitglieder. Zu den bekanntesten Opfern gehörten Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, Generalbundesanwalt Siegfried Buback und der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen. Die RAF versuchte 1977, durch die Entführung eines Flugzeuges der Lufthansa nach Mogadischu, im Gefängnis sitzende Terroristen freizupressen. Doch der Staat ließ sich nicht erpressen. Baader, Ensslin und andere nahmen sich daraufhin das Leben.

 

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