Die Stadt Augsburg hat die meisten Feiertage in Deutschland, denn hier ist der 8. August seit 1950 ein offizieller gesetzlicher Stadt-Feiertag. An diesem Tag feiert die bayerische Schwabenmetropole das Friedensfest. Es ist der deutschlandweit einzige Feiertag, der nur in einer Stadt gilt. Die Wurzeln des Festes reichen mehrere Jahrhunderte zurück. Das Friedensfest wird seit 1650 gefeiert. Es kam auf, nachdem die Protestanten das Recht zur Religionsausübung und ihre Kirchen wiedererlangt hatten. Das Friedensfest steht seit 2018 im Bayerischen Landes- und im bundesweiten Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der Weltkulturorganisation UNESCO.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde den Protestanten der Stadt am 8. August 1629 die Ausübung ihres Glaubens untersagt. Erst im Westfälischen Frieden erlangten sie 1648 ihre Gleichstellung mit der Katholischen Kirche wieder. In Erinnerung an den Tag ihrer Unterdrückung wird seit 1650 das Hohe Friedensfest gefeiert. Das geschieht multireligiös mit einem mehrwöchigem Kulturprogramm, denn die Stadt Augsburg versteht sich aus der Geschichte dem Auftrag als Friedensstadt verpflichtet. Niemand soll aufgrund seiner Herkunft oder Religion benachteiligt werden. Das Friedensfest wurde 2018 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen.
Picknick-Area des Friedens
Einer der Höhepunkte des Festes ist die Augsburger Friedenstafel. Dabei verwandelt sich der Rathausplatz zu einer großen Picknick-Area. Alle Bürger und Gäste der Stadt sind eingeladen, selbstgemachte Speisen mitzubringen und zu teilen, sich auszutauschen, ins Gespräch zu kommen und sich näher kennenzulernen. Das dies ein Weg zum Frieden ist, konnte Michael Barnt, Gefängnisseelsorger der JVA Augsburg-Gablingen, neu erfahren. Es hat ihn beeindruckt: “Keiner will mehr oder etwas Besseres haben als der andere, keiner verteidigt was er hat, keiner schottet sich ab und macht die Grenzen dicht, sondern jeder gibt dem anderen etwas ab und jeder teilt mit seinem Nachbarn. Ich lerne neue Menschen kennen, die mir vor kurzem noch unbekannt waren und nehme Anteil an ihrem Geschick. Am Ende bin ich satt, habe verschiedene Speisen probiert und nehme sogar einen Rest von meinem eigenen Salat wieder mit nach Hause”, so der Gefängnisseelsorger.
Friedliches Miteinander nicht einfach
Im Gespräch mit seinem Gegenüber stellt Barnt fest, dass es vor Ort den Menschen gelingt, was im Normalfall gar nicht so einfach ist: Ein friedliches und gleichberechtigtes Mit- und Nebeneinander. Thomas Weitzel, der Interimsleiter des Friedensbüros Augsburg, sagt in einem Interview: “Ich glaube, es war dem Bayerischen Landtag damals wichtig, den Nachwirkungen des Nationalsozialismus und des Kriegsendes ein Zeichen der Verständigung und der Versöhnung zu setzen und Brücken zu bauen. Da hat man sich auf die Tradition dieses Friedensfestes besonnen, das eigentlich lückenlos seit 1650 gefeiert wurde, mit Ausnahme einiger weniger Jahre während des Nationalsozialismus. Es gab den Wunsch im Zusammenhang mit Entnazifizierungsverfahren, mit der Wiederaufstellung einer demokratischen Gesellschaft, dass dieser Toleranzgedanke, der in der Stadt lange gepflegt wurde, und dieses paritätische Miteinander von verschiedenen Konfessionen, wieder installiert werden sollte”, so Weitzel.
An der Demokratie beteiligen
Das Hohe Friedensfest in Augsburg steht jedes Jahr unter einem bestimmten Motto. Diesmal: Demokratie. Es ist aktueller und wichtiger denn je, für Demokratie einzustehen. Demokratie ist überall Gefährdungen ausgesetzt, weil sich menschenfeindliche Parolen im Netz oder am rechten Rand der Gesellschaft immer mehr ausbreiten. Die Demokratie hat keinen leichten Stand und volksverhetzende Ressentiments werden geschürt. Einfache Antworten einer Abschottung scheinen klar zu sein, doch sie sind es nicht. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sagt der Augsburger Friedensleiter: “Das bringt uns alles nicht weiter, wir müssen wieder in ein Miteinander kommen. Das funktioniert aber nicht, indem wir alle vier Jahre nur zur Wahlurne gehen, sondern wir müssen selbst eine aktive Zivilgesellschaft sein, uns beteiligen, uns engagieren. Dazu macht das Augsburger Programm Angebote”, argumentiert Weitzel selbstbewusst.
Michael Barnt