Es ist ein Recht, das allen zusteht, das Petitionsrecht. Um die Inhalte kümmert sich ein Petitionsausschuss. Als Anwalt der Bittenden bemüht er sich darum, den jeweiligen Sachverhalt aufzuklären. Gleich drei Petitionen beschäftigen den Landtag von Baden-Württemberg zum Justizvollzug. In der Drucksache 17 kann man die Antworten des Ausschusses nachlesen.
Ein Petent fordert, den Strafvollzug zu modernisieren und weiterzuentwickeln sowie die Abschaffung des § 41 des Stravollzugsgesetzes BaWü (Arbeitspflicht). Eine dritte Petition beschäftigt sich mit der Verbesserung der zahnmedizinischen Versorgung in den Justizvollzugsanstalten des Landes. Interessant ist es, die ausführliche Antwort des Landtages zur Modernisierung des Justizvollzuges zu lesen. Neben den üblichen Aufzählungen bereits eingeleiteter und für gut befundener Maßnahmen, wird auf Alternativen zum Freiheitsentzug, Einzelhaft und psychologischer Hilfe für Inhaftierte eingegangen. Hier einige Auszüge zu verschiedenen Themenkomplexen.
Weiterentwicklung des Justizvollzuges
Die Modernisierung und Weiterentwicklung des Justizvollzugs ist eine wichtige Aufgabe, der sich das Land Baden-Württemberg fortlaufend stellt und die es auf vielfältigem Wege verfolgt. […] Auf Anregung der Arbeitsgruppe „Moderner Strafvollzug“ und aufgrund der guten Erfahrungen der vorhergehenden Expertenkommission zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen, deren 42 Empfehlungen zum weit überwiegenden Teil bereits umgesetzt sind und somit wesentlich zur Verbesserung des Umgangs mit psychisch auffälligen Gefangenen beigetragen haben, hat der Ministerrat in seiner Sitzung am 27. November 2018 die Einsetzung einer ressort- und fachübergreifenden Expertenkommission zur Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung der Gefangenen im baden-württembergischen Justizvollzug einberufen. […]
Im Hinblick auf eine Modernisierung und Weiterentwicklung des Justizvollzugs ist zudem zu erwähnen, dass momentan das Gesetz über den Justizvollzug in Baden-Württemberg (Justizvollzugsgesetzbuch – JVollzGB) überarbeitet wird; der Gesetzentwurf soll zeitnah zum Anhörungsverfahren freigegeben werden. Mit dem aktuellen Gesetzesvorhaben sollen insbesondere anhand vollzuglicher Erfahrungen erkannte Problemstellungen in den Blick genommen und der Normenbestand unter Berücksichtigung der Vollzugsziele gezielt weiterentwickelt werden. Dabei wurden auch seit dem Jahr 2014 fortlaufend eingegangene und gesammelte Anregungen der vollzuglichen und gerichtlichen Praxis aufgegriffen.
Suizidprävention
Soweit der Petent fragt, wie die Suizidrate in Justizvollzugsanstalten gesenkt werden könne, ist darauf zu verweisen, dass das Land zahlreiche Bemühungen unternimmt, um die Suizidrate unter den Gefangenen des baden-württembergischen Justizvollzugs auf einem geringen Niveau zu halten beziehungsweise noch weiter zu reduzieren. Es existieren bauliche, personelle, technische, administrative und insbesondere soziale Präventionsmaßnahmen. Im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung legt insbesondere der medizinische Dienst ein besonderes Augenmerk auf das Vorliegen von Suizidrisiken. Bezüglich der administrativen und baulichen Maßnahmen ist zu erwähnen, dass ein einheitliches System zur Kennzeichnung der Unterbringungsform aufgrund akuter psychischer, physischer oder anderer Gesundheitsgefahren mit entsprechender Unterbringung („einfache“, „ständige“ Gemeinschaft, besonders gesicherter Haftraum, etc.) erarbeitet und landesweit eingeführt wurden. Zu den baulichen und technischen Maßnahmen zählen ebenso das Vorhandensein von besonders gesicherten Hafträumen ohne gefährdende Gegenstände sowie kameraüberwachte Hafträume in einigen Justizvollzugsanstalten. […]
Einzelunterbringung
Zur Frage, wie der menschenrechtliche Anspruch auf Einzelhaft umgesetzt werden könne, wird auf die Regelungen des JVollzGB Bezug genommen. Danach gilt im baden-württembergischen Justizvollzug der Grundsatz der Einzelunterbringung der Gefangenen und Sicherungsverwahrten im Haftraum während der Ruhezeit. Beim Bau neuer Justizvollzugsanstalten ist zudem im geschlossenen Vollzug eine Einzelunterbringung zur Ruhezeit vorzusehen. Hintergrund ist die Gefahr von Übergriffen oder Konflikten unter den Insassen sowie der Schutz deren Privatsphäre. Den Anforderungen der Menschenwürde genügt allerdings grundsätzlich auch der Haftvollzug in einem Gemeinschaftshaftraum (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2007 – 2 BvR 1987/07). Die im JVollzGB vor diesem Hintergrund kodifizierten Ausnahmeregelungen vom Grundsatz der Einzelunterbringung stehen insbesondere im Kontext der fürsorgenden Suizidprophylaxe sowie der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege im Fall einer unvorhergesehenen erheblichen Zunahme der Gefangenenzahlen – wie in den Jahren seit Herbst 2015 – angesichts kurz- bis mittelfristig baulich nicht erweiterbarer Haftplatzkapazitäten.
Gewaltprävention
Soweit der Petent weiter die Frage aufwirft, wie es gelingen könne, in den Gefängnissen Gewalt unter den Insassen zu unterbinden, ist festzustellen, dass es im Rahmen der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung zu den zentralen Aufgaben der Justizvollzugsanstalten gehört. Erscheinungsformen von Gewalt unter Gefangenen rechtzeitig zu erkennen und zu unterbinden. Diesem Ziel dienen im Bereich der Prävention zunächst eine angemessene Personalausstattung sowie eine Vielzahl an Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen für Vollzugsbedienstete.
Allgemein leistet eine angemessene Personalausstattung der Justizvollzugsanstalten einen wichtigen Beitrag zur Gewaltprävention unter Gefangenen. So stehen etwa die Beamtinnen und Beamten des Vollzugsdienstes im Justizvollzug in den Unterbringungsbereichen der Vollzugseinrichtungen oder die Bediensteten des Werkdienstes in den vollzuglichen Arbeitsbetrieben in unmittelbarem Kontakt zu den Gefangenen und können sich anbahnende Konflikte frühzeitig erkennen und ihnen rechtzeitig entgegentreten. Bedienstete des Psychologischen Dienstes sowie des Sozialdienstes unterstützen die Gefangenen darüber hinaus bei der Lösung individueller Problemlagen. Auch aus diesem Grund ist der baden-württembergische Justizvollzug in den Jahren 2016 bis 2021 um insgesamt 421,5 Neustellen in nahezu allen Laufbahnen verstärkt worden. […]
Darüber hinaus tragen in den Anstalten angebotene Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen dazu bei, die Entstehung von Gewalt und Aggressionen auf Seiten der Gefangenen zu verhindern. Erkennbar gewaltbereite Gefangene, die mit präventiven Maßnahmen nicht zu erreichen sind, werden mit besonderen Sicherungsmaßnahmen belegt, die in erster Linie dazu dienen, Mitgefangene vor Übergriffen zu schützen. Die Justizvollzugseinrichtungen gehen im Übrigen jedem Hinweis auf Gewalt unter Gefangenen nach, machen von ihrem Disziplinarrecht Gebrauch und erstatten bei Anhaltspunkten für ein strafbares Verhalten grundsätzlich Strafanzeige bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft. Letztlich dienen in jüngerer Zeit auch verschiedene Maßnahmen zur Trennung von Gefangenengruppen dazu, Gewalt unter Gefangenen vorzubeugen. Allerdings lassen sich im Rahmen einer verfassungskonformen Vollzugsgestaltung, die auf eine gemeinsame Unterbringung während Arbeit und Freizeit ausgerichtet ist, Gewalttätigkeiten unter Gefangenen leider nicht vollständig verhindern.
Sicherungsverwahrung
Zu der Frage, wie es gelingen könne Sicherungsverwahrung möglichst lebensnah zu gestalten, ist festzuhalten: In §§ 1, 2, und 4 Justizvollzugsgesetzbuch Buch 5 (JVollzGB V) werden die Orientierung an freiheitlichen Lebensverhältnissen sowie die strikte Verhältnismäßigkeit bei der Unterbringung im Allgemeinen und einzelner Sicherungsmaßnahmen im Besonderen ausdrücklich hervorgehoben. Insbesondere die Abschnitte 2, 3 und 14 des JVollzGB V enthalten zudem konkrete Vorgaben, die der Umsetzung des in § 1 JVollzGB V festgeschriebenen Vollzugsziels der alsbaldigen Entlassung in die Freiheit und dem damit verbundenen Behandlungsauftrag im Sinne der verfassungsgerichtlichen Vorgaben Rechnung tragen.
Der Vollzug der Sicherungsverwahrung ist geleitet von dem Gedanken, dass die Maßregel nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen darf, wenn andere weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Rechnung zu tragen. Bei der Gestaltung des äußeren Vollzugsrahmens wurde deshalb – unter Beachtung des spezialpräventiven Charakters der Sicherungsverwahrung – ein deutlicher – und gerichtlich durch das Oberlandesgericht Karlsruhe (Beschluss vom 14. Januar 2014 – 2 Ws 284/13) als ausreichend beurteilter – Abstand zum regulären Strafvollzug hergestellt. Das Leben im Maßregelvollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit angepasst, wie Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen. […]
Die Abteilung für Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt Freiburg ist in einem baulich von dem Straf- und Untersuchungshaftbereich strikt abgetrennten Teil der Justizvollzugsanstalt Freiburg untergebracht. Direkt an das Gebäude schließt sich ein knapp 700 Quadratmeter großer, teils gepflasterter, teils begrünter Außenbereich mit Pergola, Holzterrasse und Gartenmöbeln an, der durch eine hohe Mauer vom übrigen Anstaltsgelände abgegrenzt und gegen Einblicke von außen und vom Haupthaus geschützt ist. Dort stehen wetterfeste Gartenmöbel und Liegestühle zu Verfügung. Interessierte Untergebrachte haben zudem Gelegenheit, im Außenbereich für sich etwas anzupflanzen. Der Außenbereich wird im Sommer auch für das gemeinschaftliche Sommergrillfest der Untergebrachten mit den Bediensteten der Abteilung und den ehrenamtlichen Betreuern genutzt.
Alternativen zum Freiheitsentzug
Zu den Fragen, welche Alternativen zum Freiheitsentzug im 21. Jahrhundert zeitgemäß sind und ob es denkbar scheint, den Hausarrest und die Fußfessel zu einem gängigen Mittel der Bestrafung zu machen, ist wie folgt auszuführen: Der Koalitionsvertrag formuliert insbesondere das Ziel, den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen einzuschränken. In diesem Zusammenhang steht das Projekt „Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen durch aufsuchende Sozialarbeit“. Dessen Ziel ist es, die Geldstrafenschuldner im direkten Kontakt mit der Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg über die Möglichkeit von Ratenzahlungen und Ableistung gemeinnütziger Arbeit zu informieren und so – wenn möglich – die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden. Nach einer erfolgreichen Pilotphase wurde das Projekt im November 2020 landesweit
ausgerollt.
Zudem wurden neben dem bereits seit vielen Jahren sehr gut etablierten Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ die Möglichkeiten der Tilgung der Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit erweitert. Hierzu wurde die sogenannte Tilgungsverordnung zum 1. Juni 2021 geändert. Danach können Geldstrafenschuldner, die die Ersatzfreiheitsstrafe bereits angetreten haben oder sich in anderer Sache im Justizvollzug befinden, nunmehr die Geldstrafe außer- oder innerhalb des Justizvollzugs durch gemeinnützige Arbeit tageweise tilgen. Zur intramuralen Ableistung gemeinnütziger Arbeit ist anzumerken, dass die Unterbringung von männlichen Gefangenen, die sich ausschließlich zum Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen in Haft befinden und nicht für den offenen Vollzug geeignet sind, künftig landesweit zentral in den neu zu errichtenden Modulbauten in den Justizvollzugsanstalten Heimsheim, Ravensburg und Schwäbisch Hall erfolgen soll.
Dort sollen die notwendigen personellen und räumlichen Rahmenbedingungen für freie Arbeit im Vollzug entstehen. Sobald es pandemiebedingt möglich ist, wird bereits eine Pilotierung der intramuralen Ableistung gemeinnütziger Arbeit in einer der bezeichneten Justizvollzugsanstalten stattfinden. Der Einsatz elektronischer Überwachung (EÜ) im Strafrechtsbereich beschränkt sich in Deutschland bislang weitgehend auf Weisungen zur GPS-basierten elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Satz 1 Nummer 12 StGB sowie auf die Überwachung von Strafgefangenen im Rahmen von Vollzugslockerungen. In Baden-Württemberg erfolgt der Einsatz von EÜ derzeit neben der führungsaufsichtsrechtlichen EAÜ auch bei der Überwachung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten im Rahmen von Ausführungen.
Antworten (pdf-Dokument)
Modernisierung des Justizvollzugs (Petition 17/358)
Verbesserung zahnmedizinischer Versorgung in Haftanstalten (Petition 17/868)
Abschaffung des Arbeitszwang (Petition 17/958)