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Als Inhaftierter auf „Transport“ zu einer Zeugenaussage

6. April 2023

„Auf Transport“ heißt in der Umgangssprache des Vollzuges gesichert unterwegs zu sein in eine andere Justizvollzugsanstalt. Gründe hierfür können beispielsweise eine Gerichtsverhandlung, eine Zeugenaussage oder eine zeitlich begrenzte Verlegung aufgrund einer Tätertrennung sein. Dafür wird der eigens dafür umgebaute Omnibus mit dem blauen Streifen und der Aufschrift „Justiz“ genutzt. Der Transportbus ist mit Einzelzellen ausgestattet. Was ein Gefangener aus dem Jugendvollzug auf diesem Weg erlebte berichtet er hier.

Aufgrund eines Termins beim Amtsgericht in einer anderen Stadt, bei dem ich als Zeuge aussagen musste, kam ich „auf Transport“ vom Jugendvollzug Herford in die Justizvollzugsanstalt für erwachsene Männer. Der „Transporter“ mit dem blauen Streifen, auch „blauer Flixbus“ genannt fuhr verschiedene Anstalten an. Dauer des Transportes: 2 Tage für die etwa 160 Kilometer lange Strecke. Eigentlich dürfen inhaftierte Jugendliche und junge Erwachsene nicht im Erwachsenenvollzug untergebracht werden. Die Praxis ist eine andere. So kam ich nach einer Pause in der JVA Hamm und anderen Anstalten am Freitagabend in der JVA des Gerichtsortes an. In Hamm gab es eine Suppe in dem dortigen Aufenthaltsraum des Gefängnisses.

Kiste selbst tragen

Als ich in der Ziel-JVA in der Hauptkammer warten musste, lernte ich einen etwa 65 Jahre alten inhaftierten Mann kennen. Wie er sagt, sei er wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe zu 30 Tagessätzen zu je 10 Euro inhaftiert worden. Der ebenfalls auf „Transport“ befindliche Mann sah kränklich aus und kann nicht mehr so gut gehen. Dennoch sollte er die gewichtige Kiste mit der Anstaltskleidung und den Knast-Utensilien selbst zum Haftraum der Abteilung tragen. Der Bedienstete meint nur abfällig, er sei wohl selbst schuld im Knast zu sein. Er müsse die Kiste selbst tragen. Die Aussage hat mich sehr geschockt. Ist der Umgang im Erwachsenenvollzug rauer? Ich wurde in einem Doppelhaftraum mit einem etwa 35-jährigen Litauer eingeschlossen. Mein „Transport-Budenspanner“ kann nur wenig deutsch sprechen. Doch er war nett. Wir spielten auf einem DIN A 4 Papier „Mensch ärgere Dich nicht“. Ein Fernsehgerät war nicht vorhanden. So ging ich „auf die Ampel“, der Sprechanlage, und fragte nach einem Fernsehgerät. Die Beamtin am anderen Ende schrie regelrecht ins Mikrofon: „Wir sind kein Hotel hier!“ Dass es kein Hotel ist, ist mir klar. Ich bin ja nur auf Transport hier, dachte ich mir. Immerhin fragte ich nach einem Radiowecker mit Uhr. Das hätte ich nicht tun sollen. Ich solle jetzt ruhig sein, wenn ich nicht auch noch die Freistunde verboten bekommen will.

Duschen mit 15-20 inhaftierten Männern

Die Transporterzelle sah verschmutzt aus. Überall lagen Zigarettenstummel und „Grußbotschaften“ sind in der Mauer eingeritzt. Das WC ist nur zum Teil abgetrennt. Als Nichtraucher wollte ich in eine andere Zelle. Mein „Zimmergenosse“ rauchte eine nach der anderen. Doch mir wurde eine andere Einzelzelle verweigert. „Wir haben kein Platz“, so lapidar die Aussage einer Bediensteten. Das nächste Problem: Es gab nur eine Rolle Toilettenpapier. Am Samstag fragten wir nach Toilettenpapier. Doch auch dies wurde uns verweigert. Man müsse das WC-Papier per schriftlichen Antrag beantragen und bis zur Materialausgabe nächste Woche warten. Das hieß, das Toilettenpapier war wie zu Coronazeiten draußen äußerst knapp für das Wochenende.

Am Montag war meine Zeugenaussage im Amtsgericht geplant. Für den Gerichtstermin wollte ich duschen. Doch diese wurde mir ebenfalls verwehrt. Auf der Abteilung gibt es eine Gemeinschaftsdusche, die nur genutzt werden kann, wenn ein Bediensteter auf der Abteilung anwesend ist. Dass es kein „Wünsch-Dir-was“ im Knast ist, ist mir schon klar. Doch hatte ich jetzt schon 2 Tage mich nicht vernünftig waschen können. Zum Mittag kam ich wieder vom Gericht mit einem Bully der Justiz in die Doppelzelle zurück. Das Mittagessen war schon verteilt. Ich wurde vergessen. Man gab mir kein Mittagessen mehr, weil ich aufgrund des Termins kein Recht auf ein warmes Essen hätte. Auf ein warmes Mittagessen bestand ich aber. Der dortige Hausarbeiter wies die Beamtin darauf hin, dass noch etwas im Wagen wäre. So bekam ich dies mit dem Hinweis, dass das nicht so ist wie im Jugendknast! „Es gelten die Regeln hier“, meinte die Bedienstete.

Jetzt weiß ich, was ein richtiger Knast ist

Montagabend fragte ich nach einer Schmerztablette, die ich im Jugendgefängnis regelmäßig erhalte. Nach 45 Minuten wurde mir nach dem Betätigen der Sprechanlage erst geantwortet. Man könne die Zelle jetzt um 17 Uhr nicht mehr öffnen. Immerhin wolle man mir die Tablette unter dem Türschlitz schieben. Doch dies gelang nur teilweise. Zerbröselt erhielt ich die Tablette. Dieses Transport-Wochenende ist eine Katastrophe! Mit 15 bis 20 inhaftierten Männern konnte ich nachmittags dann doch noch in der Sammeldusche duschen. Alle hatten sie ihre Unterhosen angelassen. Leider bekam ich kein Einzelduschen. Wie froh war ich, als ich wieder in der JVA Herford am Dienstagabend zurückkam. „Das ist hier wie eine Jugendherberge. Jetzt weiß ich, was es heißt, in einem richtigen Knast zu sein“, denke ich mir. Solch eine Odyssee will ich nicht mehr mitmachen müssen. Auch wenn ich straffällig wurde, heißt es nicht, dass ich in dieser Weise – nur für eine Zeugenaussage – bestraft werden soll. In zwei Monaten werde ich entlassen. Ob mir die Erfahrung des Eingesperrt-sein draußen weiterhilft. Immerhin will ich die harten Dinge, die ich hinter den Gittern schmerzlich erfahren habe, nicht mit mir rumschleppen. Strafvollzug kann auch anders gehen.

L.P.

 

1 Rückmeldung

  1. Jan sagt:

    Ich saß selber eine mehrjährige Strafe ab und was der Junge berichtet ist die Realität, nur dass es ihn noch recht gut getroffen hat. Für einige Beamte sind Gefangen Vieh. Aber mal ehrlich, im Gegensatz zu anderen Länder ist unser Vollzug trotzdem pipifax. Ja es gibt für unsere verwöhnten und verweichlichten Verhältnisse Besserungsbedarf, aber sind wir mal ehrlich, und ich spreche aus Erfahrung: Bevor ein Richter eine Haftstrafe verhängt, hat er einem mindestens 5 Warnschüsse gegeben und wie heißt es so schön „Wer nicht hören will muss fühlen“. Weniger weinen und mehr über das eigene Verhalten nachdenken. Oder am besten einfach an die Regeln halten, wenn man mit den Konsequenzen nicht klar kommt und durch einen kleinen 2 Tage Transport in die Opferrolle fällt. Das sind wir nämlich nicht. Wir sind Täter und Strafe muss sein!

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