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Altarkreuz in Arbeitstherapie von Inhaftierten gefertigt

12. Februar 2023

Aufgeregt und stolz präsentiert ein 19 jähriger Inhaftierter im Jugendvollzug das, was er in der Arbeitstherapie gefertigt hat: Ein Altarkreuz. Es ist nicht irgendein Kreuz aus Holz. Der Gefangene hat drei Tafelbilder und einen Engel dazu gemacht. Die Vorlagen für die Zeichnungen des Jesus, Mose und Maria erhielt er von dem Betreuer der Arbeitstherapie. Ob der Gefangene die Namen und deren Bedeutung kennt?

Was den Jugendlichen bewegt hat, das Kreuz anzufertigen, bleibt im Verborgenen. Ohne Aufforderung macht er sich in den letzten Wochen daran, in der Arbeitstherapie sein Kunstwerk zu verwirklichen. Fein säuberlich malt er die Konturen der Personen auf die Tafeln, fertigt einen Engel obendrauf. „Die Bilder habe ich von meinem ´Meister´ bekommen“, sagt er. Ibrahim* heißt der junge Mann. Er wirkt eher jünger, klein und schmächtig. Mit seinen schwarzen Augen schaut er sein Gegenüber an. Einiges hat er schon erlebt in seinem jungen Leben. Aus dem kurdischen Irak geflohen nach Deutschland, hier straffällig geworden und „nun sitzt er im Knast“, wie er selbst sagt. „Bleibt das Kreuz jetzt für immer in der Kirche?“, fragt Ibrahim den Gefängnisseelsorger. Stolz betont er gegenüber den anderen Mitgefangenen im Gottesdienst, dass „er das gemacht hat.“

Gekreuzigter mit viel Blut

Der gekreuzigte Jesus mittendrin mit viel Blut. Letzteres hat Ibrahim selbst hautnah sehen müssen: Krieg und Flucht, Verletzung und Tod. Dafür sind die Menschen, die er malt, umso weißer und reiner. Sehnsuchtsbilder, die er in seinem Werk integriert. Jesus als Heiland, der Prophet Mose mit den Gesetzestafeln und die Mutter Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm.  „So religiös und fromm ist er nicht, der Ibrahim“, sagen Bedienstete. Für Ibrahim ist es allerdings besonders wichtig. Aufgrund eines versuchten Todschlags ist er in Untersuchungshaft und wartet auf sein Revisionsverfahren.

Eigentlich ein ganz netter Junge

In Haft ist der junge Mann schon mehrmals aufgefallen. Er boxt sich mit Mitgefangenen und beleidigt Bedienstete. „Eigentlich bin ich ein ganz netter Junge“, sagt er über sich. Einige der Auseinandersetzungen wurden diszipliniert. „Vielleicht hat er ein schlechtes Gewissen, weil er im Weihnachtsgottesdienst den Feueranzünder klauen wollte“, sagt ein anderer Mitgefangener und grinst. Davon will Ibrahim nichts wissen. Die Art der Darstellung und die Proportionen des Altarkreuzes in seiner Einfachheit könnten ein Spiegelbild seines Inneren sein. Von seiner Mutter behütet, Gesetze überschritten zu haben und jemanden mit offenen Armen zu begegnen, sind Lebenserfahrungen, die andere Jugendliche ebenso machen. Bei Ibrahim kommt hinzu, dass sein Leben existenziell bedroht war. Das hinterlässt Spuren und formt seinen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Das Kreuz hat seinen Platz gefunden. Kaum jemand bemerkt, dass an dieser Stelle in der Anstaltskirche vorher ein anderes Kreuz platziert war. „Die blaue Farbe passt gut zu den Rundfenstern der Kirche“, meint der junge Künstler zufrieden.

* Name geändert | Michael King

 

1 Rückmeldung

  1. Bernd Mönkebüscher sagt:

    Die Mitte unseres Glaubens, das Zeichen unseres Glaubens ist das Kreuz und mit ihm die Aussage, dass sich im Leiden zeigt, was wahres Leben ist. Da verstummt manches leichtfertige Lied, gesungen, wenn die Sonne scheint; da zerfallen all die Buchstaben, die Gebete ergaben aus der Perspektive der Satten und Sicheren, der Gelehrten und wohl Genährten.

    Jesus schreit am Kreuz. Und mit Ihm schreien alle Leidenden, alle Verletzten. In diesem Schrei verstummt jede Gottesrede und alles, was wir sagen, singen und beten, wird diese unzähligen Schreie im Weltall nicht übertönen. Dennoch Gott zu vertrauen kann eigentlich nur heißen, das zu leben, was Jesus gelebt hat: Das eigene Handeln ausrichten an den Leidenden, an den Schwachen, ihnen nahe sein. Jesus lehrte die Notleidenden nicht, Er half ihnen und war ihnen nah.

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