Im Rahmen der [ Knast ] kultur Woche in NRW findet eine Veranstaltung in der Anstaltskirche im Jugendvollzug statt, die Gefangene begeistert. Klavierklänge sind nicht unbedingt die Musikrichtung Jugendlicher, doch die fünf Knast-Klavierschüler überzeugen ebenso, wie die jungen Gefangenen als RAPer. Poetry Slamer August Klar gibt im Vorfeld Hinweise in seinem Workshop. Der eingeladene Künstler spielt nur eine Nebenrolle mit seinem Beatboxing. Doch er gibt Ansporn für die Inhaftierten selbst Musik zu machen.
Klavierklänge werden selten gehört
Unterschiedlicher könnten die Musikrichtungen nicht sein wie an diesem Abend. Die Anstaltsleiterin, Elke Jungeblodt, greift zum Mikrofon und eröffnet die Abendveranstaltung. Rund 30 Inhaftierte, Uwe Nelle-Cornelsen, Gruppenleiter IV C der Landesjustizvollzugsdirektion NRW und MitarbeiterInnen der JVA Herford nehmen teil. Klavierklänge mit den Melodien von Titanic, der Filmmusik „Ziemlich beste Freunde“, das Klavierstück von Yiruma „River Flows in you“ oder die Musik von Harry Potter lassen die jugendlichen Inhaftierten gespannt zuhören. Die Klavierschüler werden von der Klavierlehrerin Irina Hörner aus Gütersloh im eigens dafür eingerichteten Klavierzimmer auf einer Abteilung unterrichtet. In ihren Hafträumen können sie mit ausgeliehen Keyboards üben. „Doch das ist ganz anders als auf dem Klavier hier in der Kirche“, sagt ein 22-jähriger. Für das, dass die Klavierschüler in wenigen Wochen die Stücke einüben konnten, ist ihr Können Weltklasse.
Nicht einfach vor Mitgefangenen
Die Gefangenen spielen, mit Ausnahme eines Gefangenen, ohne Notenblätter. Buchstäblich nach Gehör. Es wird still im Raum. Die Klänge am Klavier nehmen den Raum der 140 Jahre alten Kirche ein. Den krassen Gegensatz bieten Gefangene in ihren Texten aus dem Workshop mit dem Poetry Slamer August Klar. Der eine liest seinen Text vor und erzählt von seiner Migration nach Deutschland. Der andere rappt seinen Text, so dass man kaum etwas versteht. Alles wird sehr konzentriert „auf der Bühne“ in der Kirche dargeboten. Das Publikum aus Gefangenen, MitarbeiterInnen und Ehrenamtlichen honoriert es mit ihrem begeisterten Klatschen. Niemand der jugendlichen Inhaftierten gibt negatives Feedback. Es ist nicht einfach vor Mitgefangenen an das Mikrofon zu gehen und sich zu präsentieren.
Sich selbst musikalisch ausprobieren
Der Kabarettist, Poetry Slamer und Beatboxer kennt den Jugendknast. Vor der Corona-Zeit trat er schon einmal in der JVA Herford auf. Beim Beatboxen erzeugt Klar verschiedene Geräusche, Beats und Sound-Effekte, die erst einmal schräg beim Publikum ankommen. Der Reiz liegt allerdings in der Kombination, die der Poetry Slamer mit den Geräuschen aus seinem Mund und seiner elektronischen Gitarre erreicht. Auf sich aufbauende Musikstücke führt er mit Ton-Aufnahmen auf und bringt immer wieder eine andere Tonlage mit ein. Das Mitmachen der Zuhörenden scheint dabei etwas zu kompliziert zu sein. Doch es gelingt ansatzweise und weckt die Lust, sich selbst musikalisch auszuprobieren.
Dialog entstanden
Am Ende gab es für die Teilnehmer eine große Merci-Schachtel und einen Blumenstrauß für die Klavierlehrerin, die sichtlich stolz auf ihre Schüler ist. „Ein sehr gutes Projekt ist dies“, sagt eine Sozialarbeiterin am Ende auf die Frage, wie der Abend bei ihr ankam. Bei Suppe und belegten Broten können sich die Teilnehmer mit dem Künstler August Klar und mit den Ehrenamtlichen unterhalten. Die teilnehmenden Mitgefangenen werden in ihre Hafträume zurückgebracht. Schnell werden die Stühle wieder zurrechtgerückt und die Kirche aufgeräumt. Ein Klavierschüler bittet um das Sammeln der Plastikverschlüsse von den Getränkeflaschen. „Die sammeln wir für ein Projekt“, sagt er und verweist auf den Erziehungswissenschaftlichen Dienst, die dies auch im Knast anregt. Nicole Sonnenbaum als Mitarbeiterin des Fachdienstes erzählt, dass sie von der Klavierlehrerin eine WhatsApp-Nachricht erhielt, die besagt, dass die Veranstaltung schon gut verlaufen werde. So ist es dann auch…
[ Knast ] kultur Woche
Die [ Knast ] kultur Woche findet jedes Jahr mit verschiedenen Veranstaltungen in den Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen statt. Das Motto „Sichtbar sein“ ist für das Jahr 2024 gewählt. „In unserer heutigen digitalen Welt ist Sichtbarkeit gerade in den Sozialen Medien das erstrebenswerte Ideal der jungen Generation. Daneben bedeutet Sichtbarkeit natürlich auch physische Präsenz. Aber sichtbar sein bedeutet mehr als digitale und physische Präsenz. Es ist ein Zustand des Wahrgenommen-Werdens“, sagt der Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Benjamin Limbach. „Gefühle wie Wertschätzung, Anerkennung und Respekt können wichtige Impulse sein, um das bisherige Leben zu reflektieren und können zugleich Ansporn für die weitere Haftzeit und das Leben danach geben“, sagt der Politiker der Partei die Grünen.
Michael King