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Klassische Gitarre im Haftraum erlaubt: Projekt „Musikband“

16. Juni 2023

Seit 2014 besteht das Projekt „Musikband“ im Jugendvollzug der Justizvollzugsanstalt Herford. Begleitet wird es durch den Gefängnisseelsorger Michael King in Kooperation mit der Musikschule Herford. Jetzt wurde der Kooperationsvertrag zwischen den Partnern und dem Verband der deutschen Musikschulen verlängert. Durch das Bundesprogramm „Kultur macht stark“ ermöglicht es jugendlichen Inhaftierten ein Instrument zu erlernen und in der Gruppe zu musizieren.

Dass dies nicht immer konfliktfrei abläuft weiß Gefängnisseelsorger Michael King zu berichten. „Das Konzept beinhaltet, dass es nicht nur Einzelschulung für ein Instrument gibt, sondern die Gefangenen können sich in der Gruppe ausprobieren. Da gilt es aufeinander zu hören und sich gegenseitig in seiner Persönlichkeit und seiner Musikrichtung zu respektieren“, sagt der katholische Theologe beim Pressegespräch in der Anstaltskirche. Mit dabei sind von Anfang die beiden MusiklehrerIn Adriana Riemann und Roland Reuter. „Es macht mir Spaß hinter die Mauern zu kommen und mit den Jugendlichen Musikstücke zu entwickeln“, sagt Riemann und lacht. Sie ist Gesangslehrerin, spielt Klavier, Geige und Gitarre. Das beeindruckt die Jugendlichen und jungen Erwachsenen. „Ich habe mir auf Haftraum mit einem Buch selbst das Gitarrenspiel beigebracht“, sagt der 21-jährige Alexander. Auf die Frage hin, ob eine Gitarre in der Einzelzelle erlaubt sei sagt er: „Es darf nur eine klassische Gitarre sein, also ohne Stahlsaiten“, führt er aus. Alexander ist bereits zum zweiten Mal im Jugendvollzug.

Der Leiter der Musikschule Herford, Guido Kostmann, zu Gast bei der Musikband-Probe in der Anstaltskirche der Justizvollzugsanstalt Herford. An der Geige Adriana Riemann und an der Congatrommel Roland Reuter (hinten links).

Projekt mit besonderer Würdigung

Beim Pressegespräch ist der Leiter der Musikschule, Guido Kostmann, zum „ersten Mal im Knast“, wie er sagt. „Das Projekt ist schon herausragend. Beim Treffen des Verbandes der Musikschulen nimmt es einen besonderen Platz ein“, erzählt er. Er setzte sich für eine Weiterführung bei der Fördermittelvergabe ein. Interessiert hört er den Ausführungen der Inhaftierten zu. „Seit einem Jahr bin ich dabei“, sagt Leon. Er wird nächste Woche entlassen. Er will draußen weiter Schlagzeug spielen. Roland Reuter schaut ihm am elektronischen Schlagzeug über die Schulter. „Leon hat viel gelernt. Jetzt könnten wir weitermachen, aber er wird bald entlassen. Ich freue mich für ihn“, sagt Reuter. Percussion ist sein Schwerpunkt. Als freiberuflicher Musiker hat Reuter als Schlagzeuger Erfahrung in Bands. Er gibt Leon den Tipp, sich an seinem neuen Wohnort nach Möglichkeiten umzusehen.

Verschiedene Musikrichtungen

Insgesamt treffen sich 8 bis 10 inhaftierte Jugendliche freitagnachmittags in der Kirche. „Es ist ein Freiraum hier“, meint Ali, „hier fühlt man sich nicht wie im Knast. Die Kirche der JVA wird von allen respektiert“, sagt er. Er hat die ersten Tastenschläge am Klavier eingeübt. Das zeigt er im Verbund mit den anderen. Da singt ein Jugendlicher in rumänischer Sprache, da spielt ein Syrer mit der türkischen SAZ und der 18-jährige Niko zupft an der Bassgitarre. Das selbst entwickelte Stück kommt harmonisch rüber. Das Geigenspiel der Musiklehrerin Riemann fügt sich problemlos ein. Am Ende klatschen alle und strahlen sich freudig an. „Der Alltag im Jugendvollzug ist nicht immer einfach“, erzählt Ionita. Er ist in Spanien groß geworden, spricht perfekt die Sprache. In der Musikband kann er entspannen. Neben RAP werden deutsche Songtexte von Naidoo oder englische von Bill Withers gespielt. „Schlager sind auch mal darunter“, sagt Alexander. Er ist ein Fan von Helene Fischer.

Gelassener zurück in den Haftraum

Nach der Pause mit Kaffee und Cappuccino geht es zurück auf den Haftraum. „Die Musikband ist beendet. Bitte annehmen“, so tönt es durch die Lautsprecher. Gemeint ist, dass die Bediensteten die Teilnehmer der Musikband wieder in ihre Einzelzelle einschließen müssen. Mit Handschlag verabschieden sich die Inhaftierten untereinander und von den zwei Musiklehrern. „Die Gefangenen gehen gelassener zurück, als sie gekommen sind“, meint ein Bediensteter, der das Projekt unterstützt. Schon hört man Alexander mit seiner Gitarre im Haftraum spielen. „Ich spiele, weil es mir Spaß macht und ich Freude daran habe“, sagt er selbstbestimmt. „Das lasse ich mir nicht nehmen“, fügt er lachend hinzu. Der neu unterschriebene Kooperationsvertrag zwischen der Musikschule und der Justizvollzugsanstalt Herford sowie der Gefängnisseelsorge macht das möglich.

Michael King | Titelfoto: Nicole Sonnenbaum

 

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