„Nein, ich gehe wirklich nicht zum ersten Mal in den Knast.“, lacht Diana Ezerex als sie in Bützow die Justizvollzugsanstalt (JVA) betritt. Ihre erste Haftanstalt war 2017 die Jugendanstalt (JA) Neustrelitz. Es folgten die Frauenabteilung der JVA Bremen-Oslebshausen, das Frauen-Gefängnis in Vechta, die Jugendarrestanstalt Göppingen und nun die JVA Bützow und Stralsund. Insgesamt war sie bereits in 16 Haftanstalten. Dabei wurde Diana Ezerex noch nie verurteilt und hat auch noch nie gesessen. Diana Ezerex ist Musikerin.
Und sie hat sich entschieden, in Haftanstalten aufzutreten und dort ein bisschen Leben in den Gefängnisalltag zu bringen. „Auf dem Weg zu meinem ersten Auftritt in Neustrelitz folgte ich den Straßenschildern zum Gefängnis und meine Gefühle wuchsen zu einer Mischung aus Nervosität und freudiger Erwartung.“, erinnert sie sich. „Die Gebäude der Haftanstalten sind immer wieder beeindruckend. Das gilt auch für die riesigen Schlüsselbunde.“
Ohne Urteil 16 Mal ins Gefängnis
„Eine Tür wird geöffnet, du gehst durch und sofort wird sie wieder abgeschlossen. Eine massige Tür folgt der nächsten.“, beschreibt sie den Weg zu ihrem Auftritt. Das ist in der JVA Bützow genauso. Ezerex baut ihr Mikrophon und einen kleinen Lautsprecher auf, stimmt die Gitarre und prüft die Akustik im Kinosaal im zweiten Stock des Zellentraktes A. In kleinen Gruppen kommen 40 Häftlinge durch die Gittertür, mit ihnen Bedienstete der JVA. 13 Frauen und 27 Männer nutzen die Gelegenheit, das erste Konzert in der JVA seit März 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie zu besuchen. Sie nehmen in Reihen Platz, die den Buchstaben ihres Zellentraktes tragen. Die meisten von ihnen tragen die blaue Anstaltskleidung. Alle Beteiligten sind ein bisschen aufgeregt.
Was kommt nach der Haft?
„Ich habe mit Jugendlichen gearbeitet, die schon einmal straffällig waren und mich immer wieder gefragt, wie ist es dort in den Gefängnissen? Was bedeutet eine Haft im Leben der Menschen. Ist das der richtige Weg, Menschen eine Alternative im Leben aufzuzeigen?“, beschreibt Ezerex ihre Motive. Und sie trifft mit ihrer Musik und den Texten von Licht und Schatten in ihrem eigenen Leben sehr schnell den Nerv der Zuhörer. Bei den ersten Takten von „Mirror on the Wall“ (Spieglein an der Wand) wippen bereits die Füße und bei dem Titel „If I were you“ (Wäre ich Du) klatschen und singen die Insassen bereits mit. Oft kommen die Zuhörer und die Musikerin ins Gespräch. „Mich interessieren ihre Pläne für die Zukunft. Und ich freue mich, wenn sie mir von ihrem Schulabschluss oder einer Ausbildung berichten, die sie während der Haft absolviert haben.“, sagt Diana Ezerex. Sie hat Bildungs- und Kulturwissenschaften in Deutschland und England studiert. Sie erkennt die Hoffnungen der Insassen auf eine Rückkehr nach draußen. „Manchmal erzählen Gefangene mir von ihren Familien und Kindern. Und da wünsche ich mir oft, dass es ihnen gelingt, nach der Haftzeit wieder in der Gesellschaft außerhalb der Mauer anzukommen“
Ihre Eindrücke verarbeitet sie auf dem Debüt-Album
Die junge Musikerin tritt deutschlandweit auch bei Festivals und in Clubs auf. Anfang Juli stand sie beim ASPHALT Festival in Düsseldorf auf der Bühne, kurz vor der Reise nach Mecklenburg-Vorpommern in Karlsruhe und in Landau in der Pfalz. Die Gefängniskonzerte sind für Diana Ezerex immer etwas besonders. „Kein Konzert ist wie das andere. Heute war es wirklich toll. Auch wenn wir heute keine Gespräche miteinander führen konnten, habe ich gespürt, wie die Lieder die Menschen erreicht haben“. Der Beifall, die Standing Ovations am Ende des Konzerts geben ihr recht. „Und wenn ich dann gehe, fühlt es sich immer eigenartig an. Ich kann die Haftanstalt wieder verlassen und meine Zuhörer können das nicht. Noch nicht.“, sagt sie und macht sich auf den Weg in die JVA Stralsund. Dort stellt sie ihr Debütalbum „,my past gravity”, das im Zuge ihrer Knastkonzerte entstanden ist vor. Es ist Konzert Nummer 17.
Claus Oellerking