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Es gab nicht nur Jubelschreie hin zur neuen Dienstordnung

1. Februar 2023

Im Januar 2022 bekannten sich 125 Katholiken – viele davon im kirchlichen Dienst – öffentlich als nicht heterosexuell. Die Initiative #OutInChurch plante diese Aktion in Zusammenhang mit der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“. Was hat sich seitdem nach einem Jahr getan? Ein Interview mit Pastor Frank Kribber, Gefängnisseelsorger in der niedersächsischen Justizvollzugsanstalt Lingen.

Wie hat sich Ihr Leben verändert, seitdem Sie in mehreren Medien über Ihre Homosexualität erzählt haben?

In meinem persönlichen Leben hat sich zunächst einmal wenig verändert, es geht ganz normal weiter. Was sich verändert hat: Ich werde immer wieder auf #OutInChurch angesprochen. Für die Region bin ich das Gesicht der Initiative. Aber ich finde es nicht schlimm, schließlich möchte ich ja auch etwas bewirken.

Pastor Frank Kribber in der Kapelle des Ludwig-Windthorst-Hauses, die Katholisch-Soziale Akademie und Heimvolkshochschule des Bistums Osnabrück in Lingen/Holthausen.

Pastor Frank Kribber in der Kapelle des Ludwig-Windthorst-Hauses, die Katholisch-Soziale Akademie und Heimvolkshochschule des Bistums Osnabrück in Lingen/Holthausen.

Welche Reaktionen haben Sie bekommen?

Mein persönliches Umfeld hat ausnahmslos positiv reagiert. Die jüngeren Leute verstehen gar nicht, worin das Problem besteht, und von älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern erhalte ich die Resonanz „Gott sei Dank, dass sich da endlich etwas tut“. Zum Glück überwiegen diese Reaktionen, aber ich habe auch einige böse Zuschriften erhalten, meist von Menschen, die ich nicht kenne. Da war beispielsweise diese anonyme E-Mail mit den Worten „Homosexualität ist eine abscheuliche Sünde und gehört ausgerottet und vernichtet. Daneben ist sie die Ursache des ganzen Missbrauchsskandals“. Auch in den sozialen Netzwerken erhalte ich manche ablehnende Position. Ich gehe damit gelassen um, stelle aber eine gesellschaftliche Homophobie fest, die innerhalb von Kirchenkreisen noch ausgeprägter zu sein scheint.

Wie reagieren Ihre Amtskollegen?

Eher zurückhaltend. Von anderen Priestern werde ich selten angesprochen. Ich bemerke, dass das Thema ein unsicheres Terrain ist, das vielleicht eher gemieden wird.

Anfang Januar waren Sie mit einigen Mitgliedern der Bistumsgruppe von #OutInChurch zu Besuch bei Bischof Bode. Wie haben Sie das Gespräch mit ihm erlebt?

Der Bischof hat eingeräumt, dass es für ihn schwierig sei, sprachfähig zu sein. Allein die Begrifflichkeiten: lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell/transgender, queer, intersexuell oder asexuell, seien neu für ihn. Zudem hat Bischof Bode betont, dass die Aktion #OutInChurch nicht nur für Jubelschreie gesorgt habe. Nicht alle denken, dass es richtig ist, was wir tun. Ich habe empfunden, dass es für ihn ein Balanceakt ist, allen gerecht zu werden.

Was haben Sie als positiv aus dem Treffen mitgenommen?

Das Bistum Osnabrück beschäftigt demnächst eine Mitarbeiterin für queere Pastoral. Es gibt den Arbeitskreis kreuz und queer. Dieser ist aber im Haus Ohrbeck angesiedelt, also nicht direkt beim Seelsorgeamt. Dass die queere Pastoral jetzt unmittelbar dem Seelsorgeamt angehören wird, ist wichtig und richtig.

Wo sehen Sie noch Luft nach oben?

Bislang hatte das Bekenntnis zur Homosexualität und erst recht das Zusammenleben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft die Kündigung zur Folge. Dass die kirchliche Grundordnung diesbezüglich geändert worden ist, ist einer der ganz großen Erfolge von #OutInChurch. Letztlich bleibt aber Homosexualität eine Sünde, wenn sich die kirchliche Sexualmoral nicht ändert. Der Grundlagentext dazu ist ja bei den deutschen Bischöfen durchgefallen. Das war ein Rückschlag. Solange sich dort nicht grundlegend etwas tut, bleibt die Toleranz gegenüber #OutInChurch ein Lippenbekenntnis. Dies betrifft übrigens nicht nur die Menschen, die LGBTQIA+ (Abkürzung für lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle/Transgender-, queere, intersexuelle und asexuelle Menschen) sind, sondern auch heterosexuelle Menschen, die unverheiratet zusammenleben, bewusst keine Kinder haben oder geschieden sind.

Sind das für Sie und Ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter Gründe, mit der Initiative weiterzumachen?

Richtig. Zumal auch der rechtskonservative Katholizismus lauter wird. Meine Befürchtung ist, dass immer mehr Menschen, die eine wirkliche Erneuerung der Kirche wollen, austreten und dass sich so der Konservatismus verdichtet. Es ist jetzt wichtig, wie die geänderte Grundordnung im Alltag gelebt wird. Wird bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich nicht auf die sexuelle Orientierung geschaut? Ich bin skeptisch, ob es einen wirklichen Sinneswandel geben wird.

Interview + Foto: Christiane Adam | Kirchenbote Osnabrück

 

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