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Große Traurigkeit in seinen Augen – Suizid im Gefängnis

29. April 2023

Studien und Erhebungen zeigen, dass die Suizidrate bei Gefangenen weltweit durchschnittlich drei- bis zwölfmal so hoch ist wie „draußen“. Besonders hoch ist die Suizidgefahr für Untersuchungsgefangene. Inhaftierte Menschen bringen oft Risikofaktoren für einen Suizid mit in die Haft. Vorerfahrungen und Persönlichkeitsstrukturen, die schon vor der Inhaftierung bestehen, können das Suizidrisiko insgesamt erhöhen. Gefangene haben häufig psychische Probleme wie Persönlichkeitsstörungen, Depressionen und Suchtmittelabhängigkeiten.

Zu Beginn einer Inhaftierung werden sogenannte Screeningverfahren durchgeführt. Liegt eine akute Suizidalität vor oder nicht? Wenn ja, hat dies im Vollzug weitreichende Konsequenzen. Es kann eine Beobachtung durch einen Spion in der Haftraumtür alle 15 Minuten oder gar eine Videoüberwachung in einem speziellen Haftraum angeordnet werden. Das ist für Gefangene eine zusätzliche Belastung. Nachts wird das Licht angemacht, um zu sehen, ob der Inhaftierte am Leben ist. Es gibt Erfahrungen, in denen Gefangene all die Maßnahmen umgehen und bewusst die Lösung des Suizid wählen. Sie passen beispielsweise die Kontrollintervalle ab. Justizvollzug mit all den Gegebenheiten subkultureller und informeller Art befördern manches Mal den Wunsch, dieser Situation zu entfliehen.

Die Fragen kommen

Für alle im Vollzug Tätigen geht ein erfolgreich durchgeführter Suizid eines Inhaftierten nicht spurlos vorbei. Die Fragen kommen, ob zu wenig getan, zu harte Sicherungsmaßnahmen durchgeführt oder zu zu spärlich Gespräche geführt wurden. Seitens der Mitgefangenen kommen Kritik am Vollzug und den oft als „rauen Ton“ erlebten Umgang der Bediensteten mit ihnen als Inhaftierte hoch. Im Jugendvollzug sind besonders minderjährige Inhaftierte in der Untersuchungshaft gefährdet. „Hat ein junger Gefangener wirklich den Entschluss gefasst, sich selbst zu töten, wird er es auch schaffen“, sagt ein Gefängnisseelsorger. „Die Motive hierzu sind sehr unterschiedlich. Vieles bleibt Spekulation und wir stehen fassungslos vor dem Tod eines jungen Menschen hinter Gittern“, sagt nachdenklich der Gefängnisseelsorger.

Es wird nicht gestorben…

„Im Jugendvollzug wird nicht gestorben“, meint ein Bediensteter. Und doch gibt es Suizide, entgegen aller präventiven und akut getroffener Maßnahmen. Es geht nicht darum jemanden die Schuld zu geben. In einer Trauerfeier für einen verstorben Gefangenen sagt ein Mitgefangener: „Er hatte eine große Traurigkeit in seinen Augen“. Vielleicht war die Inhaftierung nur die Spitze des Eisberges, vielleicht hat der Betroffene schon jahrelang mit Suizid gespielt. Die meisten der Suizide sind in irgendeiner Weise angekündigt. Es gibt daneben aber auch die Suizide, auf die es niemals einen Hinweis gibt. Im Stillen geplant und bewusst durchgeführt in der Uhrzeit und den Abschiedsbriefen. Es macht unendlich traurig. Zurück bleiben die Familie, die Geschädigten und diejenigen, die mit dem Verstorbenen in der Entfernung oder ganz nahe zu tun hatten. Gibt es darin einen Sinn? Wir können es nicht beantworten. Oder nur jede und jeder für sich.

M.K.

Hinweis

Suizid ist ein sensibles Thema. Wir dürfen nicht darüber schweigen. Nachzuahmen ist allerdings keine Lösung. Sollten Sie sich von besonderen Lebensumständen betroffen fühlen, kontaktieren Sie anonym die Telefonseelsorge zu jeder Uhrzeit. Unter der kostenlosen Hotline 0800 / 1110 111 oder 0800 / 1110 222 erhalten Sie 24 Stunden am Tag ein Gespräch und Beratung. Die TelefonseelsorgerInnen unterliegen der Schweigepflicht und sind gut ausgebildet. 

 

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