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Der Hahn kräht: Verantwortung für Scheitern und Verrat

17. April 2025

Das kirchliche Gedenken richtet sich am Gründonnerstag für die Katholische Kirche in erster Linie auf die Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums. Eigentlich zuerst aufs Priestertum. Denn ohne Amt keine Eucharistie. Dass am selben Ort und zur selben Zeit Jesus den Jüngern, die sich neben ihm am Tisch um die höchste Machtposition nach seinem Tod streiten (als wäre er bereits nicht mehr da), als Gegenmittel mit der Fußwaschung den ausdrücklichen Auftrag zum dienenden Sklavendienst an allem Menschen befiehlt, geht da gerne schon mal mehr unter – häufig genug wunderbar verbrämt und abgeschwächt auf das liturgische Spiel der Fußwaschung.

Einmal im Jahr. Öfter muss ja nun wirklich nicht sein. Sprachlich allerdings täglich. Immer dann, wenn die absolute Macht in der Hierarchie als Dienst verkauft und verkündet wird. Auch, wenn es niemand mehr glaubt. Am wenigsten die Verkünder selbst. Egal. Die Form muss gewahrt bleiben. Das Amt dient und ist demütig. Basta! Auch diese Haltung begegnet uns beim Mahl. Jesus behauptet von sich, jene allumfassende Liebe zu haben – die Agape – , die bereit ist, für jeden Menschen zu sterben. Und Petrus, der (Laut)Sprecher der Zwölf?

Petrus verrät sich selbst

Bezieht das sofort auf sich und beansprucht, genau diese Haltung auch zu besitzen. Selbstüberzeugt und nachdrücklich. Er liebt den Herrn unverbrüchlich wie keiner sonst. Er ist bereit, sein Leben zu opfern. Er ist das Vorbild für Hingabe schlechthin. Wie die dienenden Machthaber, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als in der Nachfolge Jesu den geforderten Sklavendienst an den Christen zu erfüllen. Aufopferungsvoll. Wie das weitergeht wissen wir. Jesus warnt und stutzt ihn auf seine normale menschliche Schwäche zurück. Petrus im Leitungsmodus kann das nicht annehmen. Und scheitert im Selbstanspruch der vollkommenen Hingabe und Demut. Er verrät. Ist feige. Läuft davon. Und weint bitterlich, heißt es. Aus Selbsterkenntnis. Aus Scham. Er lernt wirklich Demut und Dienst, neben seinem Kohlenfeuer. Am Ostermorgen wird Jesus ihn testen. Wieder am Feuer. Und er besteht. So geläutert kann er Führung und Verantwortung tragen. Und muss doch weitere 30 Jahre langsam in die Haltung der Agape hineinwachsen, bis er wirklich reif ist, für andere zu sterben. Demut, Hingabe, Dienst ist ein Prozess. Ist mühsam. Bitter. Und doch notwendig. Vor allem für jene, die Macht haben.

Petrus, der Repräsentant des Amtes

Aber bis dahin ist noch viel Zeit. Jetzt sitzt das Haupt und der Repräsentant der Jünger Jesu erst einmal schamerfüllt und winzigklein in der Dunkelheit. Da ist kein schnelles „Schwamm drüber“. Vergebung kann er nach menschlichem Ermessen absolut nicht erwarten. Schließlich wird der einzige, der vergeben könnte, umgebracht. Jetzt ist die Perspektive für Petrus nur, ein Leben lang Versagen und Scheitern, Verrat und tiefe Scham zu ertragen. Diese Situation, diese lebenslange dunkle Perspektive zeigt die Ikone. Und noch etwas zeigt sie: Petrus, der Repräsentant des Amtes, stiehlt sich nicht feige da heraus wie Judas. Petrus nimmt dieses völlige Scheitern an. Und übernimmt so Verantwortung für sein Handeln. Das hat wirklich Größe. Auch das ist in ihm. Jesus hatte es gesehen und ihn berufen. Auf diese Haltung, Scheitern zuzugeben und zu ertragen, wirklich Verantwortung zu übernehmen baut er seine Kirche. Auf die echte Demut in Petrus, die hier ihre Geburtsstunde feiert.

Hierarchie verrät Auftrag Jesu

Und heute? An wie vielen Punkten verrät die Hierarchie den Auftrag Jesu wieder und wieder. Vor allem da, wo es um Macht geht, um Machterhalt, um den Genuss von Macht und die Verweigerung eines hingebenden Sklavendienstes an den Menschen. An den Armen. Den Frauen. Vor allem an den vielfältig Missbrauchten. Bleiben wir realistisch wie Jesus. Die Versuchung zur Macht, die Schwäche, sich moralisch für gut und fertig zu halten, ist in jedem einzelnen Menschen angelegt. Und auch das Scheitern darin. Aber: Sehen wir in der Kirche anschließend die Haltung des Petrus? Sehen wir zerknirschte ehrliche Scham? Sehen wir ein klar bekennendes Aushalten des Versagens? Sehen wir die Übernahme von persönlicher Verantwortung ohne eine schnelle Vergebung einzufordern, damit man weitermachen kann, wie zuvor? Hören die Inhaber der kirchlichen Macht auf allen Ebenen den gellenden Hahnenschrei? Und lassen sich wachrütteln davon, wie Petrus?

Ich sehe es nicht. Seit Jahren warte ich darauf. Und ganz ehrlich, ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass ich das wirklich erleben werde: Eine Hierarchie, die sich schamerfüllt, weinend, Verantwortung übernehmend das tiefe Scheitern auf sich nimmt und erträgt. Wie Petrus. Statt dessen erlebe ich ein Hinausschleichen aus dem aufgedeckten Verrat in vielfältigen Tricksereien, Hinhaltetaktiken, Krokodilstränen und leeren Worthülsen. Das feige Verschwinden des Judas, das auch hier und jetzt im Suizid endet. Dieses Verhalten tötet vor allem anderen die Kirche bei uns. Lieber erweiterten Suizid, der alle mitnimmt, als echte Reue und Scham. Mich zerreißt das. Als Amtsträger. Als Betroffener. Und es sind nicht nur die Amtsträger mit ihrer Macht. Es sind genauso alle Getauften. Auch sie haben Macht vor Ort in ihren Pfarreien.

Geschwiegen wider besseres Wissen

Auf jedem katholischen Kirchturm ist ein Hahn. Warum wohl? Es soll jeden Christen an die eigene Schwäche und den Verrat des Petrus erinnern. Und jede Gemeinde übersieht diesen Hahn. Wieviele haben die Täter geschützt. Unterstützt. Opfer verleumdet und mundtot gemacht. Geschwiegen wider besseres Wissen. Als Bystander Missbrauch ermöglicht. Es braucht eine ganze Gemeinde, um ein Kind zu missbrauchen. Und permanent kräht der Hahn auf dem Turm. Weithin sichtbar. Hören die Gemeinden den Schrei, der die vergrabene Schuld aufdecken will? Übernehmen sie Verantwortung für ihr Scheitern und ihren Verrat an den Schwächsten? Ich sehe nichts davon. Auch hier bleiben die Opfer allein. Ständig kräht der Hahn in unserer Kirche. Und niemand lässt sich davon aufwecken, wie Petrus. Auch das ist Gründonnerstag.

Liudger Gottschlich | Dortmund

 

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