Die Zahl der Untersuchungsgefangenen in Deutschland ist seit 2014 um 25 Prozent gestiegen. Besonders stark war der Anstieg in Hamburg. Eine große Rolle spielt dabei die Zunahme bei ausländischen U-Häftlingen – ebenfalls um ein Viertel. Das ergaben Berechnungen des NDR auf Grundlage von Daten des Statistischen Bundesamtes. Dabei gibt es weniger Strafdaten, weniger Tatverdächtige, weniger Verurteilte und weniger Haftstrafen.
Im alten Teil der Hamburger Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis hängen die 100 Jahre Geschichte spürbar in der Luft. Es riecht nach Mensch, Reinigungsmitteln und verbrauchter Luft. Bisher ist nur ein Teil saniert und nach modernen Haftstandards umgebaut worden. Das Gefängnis ist voll. “Einzelne Hafträume, die es von der Raumgröße her zulassen und wo es einen abgetrennten Nassbereich gibt, belegen wir auch doppelt”, erzählt Anstaltsleiter Henning Clasen. Auch außerhalb der Zelle spüren die Gefangenen, wie voll das Gefängnis ist. Viele von ihnen wollen arbeiten. Doch zurzeit sind 465 Gefangene in der Haftanstalt – und nur für 120 gibt es Jobs. Auch für die Sportgruppen oder Kochkurse gibt es Wartelisten.
Oft nur zwei Stunden Besuch pro Monat
Claudia Dreyer hat die Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis bis vorigen Sommer geleitet, 13 Jahre lang. Für besonders problematisch hält sie, dass Gefangene bei voller Belegung oft nur die Mindestdauer von zwei Stunden pro Monat für Besuch bekämen, weil Beamte für die Aufsicht fehlten. “Das ist tatsächlich eine Einschränkung”, sagt Dreyer, “nicht nur für die Betroffenen, für die ja auch die Unschuldsvermutung gilt, aber auch für die Angehörigen”.
In einer Umfrage des NDR unter allen 16 Justizministerien der Länder werden mehrere mögliche Faktoren für den deutlichen Anstieg bei den Untersuchungsgefangenen genannt: die verstärkte Bekämpfung einzelner Straftaten, lange Verfahren und die zugenommene Zahl ausländischer Tatverdächtiger. Mehr lesen…