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Gefängnis macht keinen Sinn! Es gibt Alternativen

21. Dezember 2019

Die Justizvollzugsanstalten im Erwachsenenvollzug platzen aus allen Nähten und das ist teuer. Bis zu 130 Euro kostet jeder Gefangene den Steuerzahler – Tag für Tag. Wie könnte Strafe ohne Gefängnisse funktionieren? Sedin, 22, verbüßt seine Strafe im Seehaus in Leonberg, einer Modelleinrichtung für junge Straftäter. Er lebt in einer Wohngemeinschaft mit anderen Jugendlichen und Hauseltern. Die Regeln sind streng. Viele Häftlinge sitzen wegen kleinerer Delikte ein, zum Beispiel weil sie ohne Fahrkarte Bus gefahren sind und ihre Geldstrafe nicht bezahlt haben. Wie kann Strafe auch ohne Gefängnisse funktionieren?

Der 22-jährige Sedin ist kein Kleinkrimineller: Organisierte Bandenkriminalität, Einbruch, Diebstahl, Hausfriedensbruch: Die Liste seiner Delikte ist lang. Zweimal war er schon in regulärer Haft,  doch dieses Mal ist alles anders: Er verbüßt seine Strafe im Seehaus in Leonberg, einer Modelleinrichtung für junge Straftäter, lebt in einer Wohngemeinschaft mit anderen Jugendlichen und pädagogisch ausgebildeten Hauseltern. Die Regeln sind streng: Frühsport um sechs Uhr, acht Stunden arbeiten, Bäder und Klos werden selbst geputzt. Das funktionierende Gruppenleben tut Sedin gut: „Die letzten Male, wo ich entlassen wurde, da habe ich immer gesagt: Jetzt lasse ich mich nicht erwischen. Dieses Mal habe ich die Einstellung: Ich mache nichts mehr.“

Um erwachsene Straftäter kümmert sich der Verein PräventSozial in Stuttgart, unter anderem mit dem Programm „Schwitzen statt sitzen.“  Detlef Börstler ist einer der Teilnehmer. Mehrmals wurde er beim Schwarzfahren erwischt  und hat seine Geldstrafe nicht bezahlt. Mit Hilfe des Vereins wandelte er seine Strafe in 16 Stunden gemeinnützige Arbeit um – Arbeit, die ihm gut getan hat. Statt einsam in der Zelle zu sitzen, knüpfte er sogar neue Kontakte.

Vermeidung der Gefängnisstrafe

Eine weitere Alternative zur Haft ist die elektronische Fußfessel. In Deutschland tragen manche Täter nach dem Ende einer Gefängnisstrafe Fußfesseln, damit sie weiter überwacht werden können. In Österreich dagegen sind sie eine Strafalternative, um Haft zu vermeiden. Karl Peinhart leitet die Überwachungszentrale in Wien und sieht die Vorteile: „Die Leute werden gar nicht erst rausgerissen aus ihrem sozialen Gefüge.“

Bei dem elektronisch überwachten Hausarrest müssen sich Verurteilten an einen strengen Tagesablauf halten,  jede Minute ihres Alltags wird genau festgelegt. Das ist oftmals eine enorme psychische Belastung für die Straftäter. Die meisten halten dennoch durch, sind froh, dass ihnen eine Haftstrafe erspart bleibt. Und der österreichische Staat spart jede Menge Geld: Die Überwachung der Fußfesselträger ist günstiger als die Unterbringung von Straftätern im Gefängnis.

Gefängnis: Ultima Ratio?

Wird in Deutschland immer noch zu viel eingesperrt, obwohl die Freiheitsstrafe das letzte Mittel sein sollte, auf das die Justiz zurückgreift (Ultima Ratio)? Es ist ein Trend zu einer punitiveren Haltung des Staats zu sehen. Insbesondere in der Hinsicht, dass das Justizsystem sich von einem reaktiven zu einem proaktiven System entwickelt habe. Dabei werden Menschen in Risikogruppen eingeteilt und so eine Überwachung gerechtfertigt – potentielle Gefährder. Auch die Problematik der Ersatzfreiheitsstrafe muss thematisiert werden. Gerade Menschen mit multiplen Problemlagen können häufig eine Geldstrafe nicht bezahlen und müssen dann eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten, wodurch sich ihre Situation noch verschlimmert. Individuell angepasste Hilfeleistungen und -maßnahmen wären für diese Gruppe sinnvoller als ein Freiheitsentzug.

 

2 Rückmeldungen

  1. Destranix sagt:

    Allein schon der Name „Strafsystem“ ist ein Problem. Ziel des Systems sollte es sein, Täter zu resozialisieren, damit sie einen Beitrag zur Gesellschaft leisten können, ihr eigenes Glück und das anderer fördern können. Täter wird man nicht einfach so. Wer Täter wird, hatte Probleme.

    Und bei eben diesen Problemen sollte man helfen (sofern die Probleme denn überhaupt noch vorhanden sind, Wiederholung droht), statt, aus Rachegelüsten oder „Abschreckung“ Menschen ihre Grundrechte zu entziehen. Unsere Gesellschaft sollte auf die Menschen ausgelegt sein, die sich nichts zu Schulden kommen lassen, die Wissen, dass man manche Dinge nicht tun sollte. Diese Menschen brauchen keine Abschreckung.

    Klar gibt es auch Menschen, denen man nicht helfen kann, vielleicht da man (noch) nicht weiß wie oder sie tatsächlich in ihren Grundprinzipien einen Standpunkt vertreten, der mit den Grundprinzipien unserer Gesellschaft nicht zu vereinbaren ist. Auch in diesem Fall dürfen die Grundrechte der Täter jedoch nicht weiter eingeschränkt werden, als diese nötig ist, um die Gesellschaft zu schützen.

  2. Julius Schröder sagt:

    Meiner Meinung nach haben Kriminelle wie Sedin nach der Verurteilung nichts in der Öffentlichkeit verloren. Bei einer solchen Strafvergangenheit ist eine Bestrafung in Form einer Freiheitsstrafe unabdingbar. Die Versuchung in alte kriminelle Muster zurück zu fallen ist meiner Meinung nach zu hoch da, sich bei Bandenkriminalität der Freundeskreis sehr wahrscheinlich ebenfalls in diesem kriminellen Umfeld befindet. Eine Möglichkeit wäre, den Häftling nach der Haftstrafe in eine andere Stadt/Bundesland auszuweisen, um ihn daran zu hindern, erneut mit diesen Leuten in Kontakt zu kommen. Dies zu überprüfen ist mit der Vorlage eines Mietvertrages oder Arbeitsvertrages o.ä. möglich.

    Vor allem Jugendliche neigen dazu sich von älteren auf die „kriminelle Bahn“ ableiten zu lassen, dies gilt es meiner Meinung nach zu verhindern. Die Freiheitsstrafe ist zwar hart, meiner Meinung nach aber auch verdient. Sie dient zur Abschreckung und vor allem Jugendliche wie in diesem Beispiel überlegen sich dann ob sie diesen Weg wirklich einschlagen wollen und eine Freiheitsstrafe riskieren.

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