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Lebensformen anerkennen: Offener Brief

11. Dezember 2019

Die UnterzeichnerInnen des Pastoralkurses 1985/88 von Gemeinde- und PastoralreferentInnen, wandten sich im März 2019 mit einem offenen Brief an den Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki. Sie arbeiten teilweise seit mehr als dreißig Jahren in der Kategorial- und Gemeindepastoral mit. Sie kritisieren, dass die Kirche von Köln die Erfahrungen und Kompetenzen, die Fähigkeiten und Qualifikationen der so genanten Laien nicht nutzt oder nutzen will. In der Spendung von Sakramenten und Sakramentalien konnten um der Menschen willen neue Wege gegangen werden.

Sehr geehrter Herr Kardinal,

wir, die UnterzeichnerInnen, wenden uns mit diesem offenen Brief an Sie, weil wir die Kirche, in der wir als Gemeinde- und PastoralreferentInnen teilweise seit mehr als dreißig Jahren mitarbeiten, lieben. Die Kirche ist unsere Heimat, sie bietet uns die Möglichkeit, mit ganzer Kraft und großer Freude die Frohe Botschaft den Menschen zu verkünden. Die älteren unter uns haben ihren Dienst in einer Zeit begonnen, als die Fruchte des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Würzburger Synode in den Gemeinden und Verbanden zu wirken begannen. Voller Begeisterung und mit großem Einsatz haben sie die Aufbrüche in der Liturgie, in der Ökumene, in der Mitverantwortung in der Pastoral mitgetragen und weiterentwickelt.

Vor nunmehr vier Jahren haben Sie, Herr Kardinal, die geistliche Erneuerung der Pastoral in unserem Erzbistum ausgerufen. Sie haben die Getauften und Gefirmten ebenso wie die hauptberuflichen pastoralen Dienste aufgerufen, den Pastoralen Zukunftsweg zu gehen. Hier erlauben wir uns einige kritische Gedanken. Unser Ziel ist es, mit Ihnen und allen Verantwortlichen die Kirche von Köln weiterzuentwickeln.

Manchmal ist es so, dass Menschen, die viele Jahre in ihrer Firma tätig sind, im Laufe der Zeit die Identifikation mit dieser verlieren und sich in die innere Immigration zurückziehen. Sie denken dann: Die letzten Jahre sitze ich noch ab, halte ich noch durch. Ähnliches entdecken wir auch in unseren Wirkungsfeldern (Gemeinde, Kategorie). Nicht wenige Christen, aber auch KollegInnen, sind enttäuscht von dem Ruckschritt, den ihrer Meinung nach die Kirche in den letzten zwanzig, fünfundzwanzig Jahren genommen hat. Das ist nicht unser Standpunkt!

Wandel der Volkskirche

Wir erleben in den letzten Jahrzehnten einerseits den Wandel von der Volkskirche (eine Kirche, ein Pfarrer, eine Pfarrfamilie) über die Gemeindekirche (Pfarrei als eine Gemeinschaft von Gemeinschaften, viele ehrenamtliche Mitarbeiter) hin zu einer Konzentration mehrerer ehemals selbständigen Pfarreien zu Seelsorgebereichen und Sendungsraumen (viele Kirchorte, ein Pfarrer, mehrere pastorale Dienste, viele ehrenamtliche Mitarbeiter, viele Milieus, Verlust des Gemeindebewusstseins).

Darüber hinaus erleben wir, wie schwer sich die Bischofe damit tun, die gesellschaftlichen Veränderungen in unserer Zeit (Rolle der Frau, sexuelle Orientierung und Lebensformen, neue Formen von Familie, Tendenz zu weiterer Professionalisierung auch in kirchlichen Berufen, Individualisierung und Zwang zur Mobilität) zu respektieren und positiv damit umzugehen.

Der sexuelle Missbrauch, der auch in unserer Kirche vielen Menschen unsäglichen Schaden zugefügt hat, hat das Vertrauen in die Kirche aufs Schwerste erschüttert. Wir machen in unserer täglichen Arbeit wie auch in unseren Familien und Freundeskreisen die schmerzhafte Erfahrung, dass die Kirche — auch die Kirche von Köln — ihre Glaubwürdigkeit und ihre Autorität verloren hat. Viele Menschen, junge und ältere, hadern mit der Kirche, erleben sie als verlogen, als lebensfremd, als rückwärtsorientiert. Diese Menschen erleben eine Kirche, die ihnen nicht dient, die keine ernstzunehmende Orientierung mehr gibt, die nur noch um sich selber kreist.

Kompetenzen nutzen und anerkennen

Wir selber machen zunehmend die Erfahrung, dass die Kirche von Köln unsere Erfahrungen und Kompetenzen, unsere Fähigkeiten und Qualifikationen nicht nutzt oder nutzen will. Unsere Kompetenz in Leitungsfunktionen, unsere Fähigkeiten in der Verkündigung und in der Begleitung von Menschen in schwierigen Situationen werden nicht genutzt. Auch in der Spendung von Sakramenten und Sakramentalien konnten um der Menschen willen neue Wege gegangen werden.

Wir bitten Sie dringend, Herr Kardinal, diese Ressourcen in der Weiterentwicklung der Kirche von Köln auf dem Pastoralen Zukunftsweg zu nutzen. Wir bitten Sie, die Gaben des Heiligen Geistes, der auch uns erfüllt, und die Charismen ihrer pastoralen MitarbeiterInnen zu berücksichtigen und sie zum Wohle der Menschen und zum Aufbau lebendiger Zellen in unseren Gemeinden und kategorialen Arbeitsfeldern einzusetzen. Für uns könnte das bedeuten,

  • dass die MitarbeiterInnen, die bereit dazu sind und über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen, Leitungsfunktionen in Gemeinden und in der kategorialen Seelsorge wahrnehmen,
  • dass die Kirche von Köln sich frei und unvoreingenommen mit den Lebensformen der Menschen auseinandersetzt und diese anerkennt, anstatt Menschen auszuschließen,
  • dass die Kirche von Köln mit den anderen deutschen Bischöfen sich neu dem Dialog mit anderen christlichen Kirchen öffnet, um die Spaltung zu überwinden, zumindest daran dahin arbeitet, dass die Christen in Deutschland, in unserer Gesellschaft mit einer Stimme sprechen.

Sehr geehrter Herr Kardinal, wir möchten, dass die Kirche auch in den kommenden Generationen Menschen Heimat, Sicherheit und Geborgenheit bietet. Viele Menschen, denen wir begegnen, sagen uns, dass ihnen die Frohe Botschaft Jesu wichtig sei, dass sie christliche Werte in ihrem Leben und in unserer Gesellschaft für unverzichtbar halten, dass ihnen die Kirche aber fremd geworden, nicht mehr Heimat sei. Wir möchten mit aller Kraft, mit unserer Begeisterung und mit unserer Erfahrung dazu beitragen, dass die Kirche weiterhin oder wieder mehr den Menschen Lebensorientierung, Lebenshilfe und Lebensraum bietet. Wir sind bereit, mit Ihnen den Weg in die Zukunft unserer Kirche zu gehen. Offener Brief des Pastoralkurses…

Pastoralkurs 1985/88 | Köln

UnterzeichnerInnen

Marianne Arndt
Mechthild Grewelding
Claudi Metze
Angelika Silva

Susanne Körber
Elke Chladek
Ulrich Fink
Karl Heinz Jedlitzke
Robert Eiteneuer

 

1 Rückmeldung

  1. Mey sagt:

    Generalvikar Markus Hofmann bezeichnete bei einem Treffen mit den Unterzeichnern die gewählte Form der Kommunikation als nicht angemessen, wie die Erzdiözese in Köln mitteilte. Dass das Schreiben zunächst der Presse und erst danach dem Erzbischof zugestellt worden sei, habe den darin geforderten Dialog konterkariert. Auch seien spätere Äußerungen in Interviews „beschädigend und unangemessen gewesen“.

    https://neuesruhrwort.de/2019/05/17/brief

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