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Magdeburger Bischof zum Welttag des Bartes

3. September 2021

Gerhard Feige fällt auf – nicht nur als Bischof, sondern auch als Bartträger. Zum Welttag des Bartes an diesem Samstag spricht der Magdeburger Oberhirte im -Interview über seinen markanten Vollbart und dessen Anfänge, kirchliche Bartverbote und Kinder, die ihn für den Weihnachtsmann halten. Im Interview spricht der 69-Jährige unter anderem über seine Anfänge als Bartträger Ende der 1960er Jahre, den Bart als Zeichen des Widerstands gegen Eltern und andere Autoritäten sowie seine Beziehung zu den Beatles und den Rolling Stones.

Bischof Feige, der Welttag des Bartes an diesem Samstag ist der konkrete Anlass für dieses Interview. Den ursprünglichen Anstoß für unser Gespräch gab jedoch die Debatte um eine mögliche mangelhafte Wirksamkeit von FFP2-Masken bei Barträgern Anfang des Jahres. Viele Männer hatten damals Sorge, sich aus Gründen des Corona-Infektionsschutzes von ihrem geliebten Bart trennen zu müssen. Sie auch?

Nein, weil ich die Diskussion nicht so richtig an mich rangelassen habe. Ich habe das Thema damals zwar in den Medien verfolgt, hatte aber sehr schnell entschieden, erst einmal abzuwarten. Und nach wenigen Tagen war die Debatte dann ja auch schon wieder vorbei.

Wenn damals von seriösen Experten empfohlen worden wäre, aus Gründen des Infektionsschutzes auf das Tragen eines Bartes zu verzichten – hätten Sie dann schweren Herzens zum Rasierer gegriffen?

Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Auf jeden Fall bin ich sehr froh, dass ich diese Entscheidung damals nicht treffen musste, denn mein Bart gehört einfach zu mir, ist ein Teil meiner Identität.

Wie fing das Ganze an? Seit wann tragen Sie Bart?

Das fing schon in meiner Jugendzeit an. Ich kann mich daran erinnern, dass meine Mutter eines Tages zu mir sagte „Wasch doch endlich mal Dein Gesicht“, worauf meine Schwester ihr antwortete „Mutter, das ist ein Junge, der bekommt einen Bart“ (lacht). Meinen ersten „richtigen“ Bart habe ich mir dann Ende der 1960er Jahre auf der Oberschule wachsen lassen. Dabei spielten sicher auch die gesellschaftlichen Veränderungen der damaligen Zeit eine Rolle – Stichwort 68er-Bewegung. Zwar hat die bei uns in der DDR keine so große Rolle gespielt wie in der Bundesrepublik. Auswirkungen davon haben wir aber durchaus mitbekommen. Viele fingen zu jener Zeit auch bei uns an, sich die Haare länger wachsen zu lassen, und bei manchen kam dann eben auch ein Bart dazu. Wir haben die Musik der Beatles, der Stones oder auch der Bee Gees meistens heimlich in der Schule getauscht. Manche Mitschüler hatten neuartige Tonbandgeräte und konnte damit über das Radio die entsprechenden Lieder aufnehmen.

Lange Haare und Bärte als Zeichen des Aufbegehrens gegen die Elterngeneration und andere Autoritäten?

Ja, durchaus. Ein kleines Widerstandszeichen. An meiner Schule wurden manche Schüler deswegen sogar zum stellvertretenden Direktor einbestellt und bekamen die Auflage, zum Frisör zu gehen. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen.

Für viele Menschen in Westdeutschland sind die damalige Zeit und diese Phase des Aufbegehrens untrennbar mit der Musik etwa der Beatles und der Rolling Stones verbunden. Für Sie auch?

Ja, das waren natürlich die großen Namen damals – auch bei uns. Wir haben die Musik der Beatles, der Stones oder auch der Bee Gees meistens heimlich in der Schule getauscht. Manche Mitschüler hatten neuartige Tonbandgeräte und konnten damit über das Radio die entsprechenden Lieder aufnehmen. Ich habe mir da auch einiges überspielen lassen, auch wenn ich sicher nie der allergrößte Fan dieser Musik war.

Nach dem Abitur haben Sie dann in Erfurt Katholische Theologie studiert. Auch mit Bart?

Ja natürlich – und dabei habe ich durchaus interessante Erfahrungen gemacht.

Welche zum Beispiel?

Ich bin Anfang der 1970er Jahre als Student und später als Priesteramtskandidat mehrfach nach Rumänien und Bulgarien gereist, weil ich die Orthodoxie kennenlernen wollte. Und dabei ist es mir wiederholt passiert, dass man mir nicht geglaubt hat, katholischer Priesteramtskandidat zu sein. Wegen meines Bartes dachten viele dort, dass ich orthodox sein müsste, weil katholische Priester angeblich keine Bärte trugen. Weltkirchlich betrachtet stimmte das zwar nicht – schauen Sie sich etwa die Bilder vom Zweiten Vaticanum an, da haben ganz viele Konzilsväter einen Bart –, in Deutschland hat es aber wohl tatsächlich mal eine Zeit lang eine Vorschrift gegeben, dass katholische Priester keinen Bart tragen durften. Während meines Studiums spielte das aber keine Rolle mehr, und ich bin dann auch mit Bart zum Priester geweiht worden. Ich weiß allerdings von einem Kurskollegen von mir, der bei seinem Bischof extra eine Erlaubnis beantragen musste, um mit Bart geweiht zu werden.

Sie haben vorhin gesagt, Ihr Bart sei Teil Ihrer Identität. Können Sie das näher ausführen?

Das kann ich schwer in Worte fassen. Ich habe nach meiner Erinnerung nie bewusst entschieden, einen Bart zu tragen; das hat sich einfach so entwickelt. Aber weil ich jetzt schon so viele Jahrzehnte einen Vollbart trage, kann ich mir ein Leben ohne Bart gar nicht mehr vorstellen. Ich glaube, glattrasiert wäre ich mir inzwischen selbst fremd.

Im Kreis der deutschen Bischöfe sind Bartträger eine kleine Minderheit…

Moment, das hat sich aber sehr gewandelt. Als ich 1999 zum Bischof geweiht wurde, sagte mir Erzbischof Dyba, der damals gerade noch lebte: „Mit Dir ist der Anteil der Bartträger in der Bischofskonferenz um 100 Prozent gestiegen“. In der Tat trug damals außer mir nur der Rottenburger Weihbischof Thomas Maria Renz einen Bart. Inzwischen gibt es in der Bischofskonferenz aber deutlich mehr Bartträger, denken Sie etwa an Kardinal Marx oder Bischof Fürst.

Exotenstatus haben Sie im Kreis der Bischöfe mit Ihrem Bart also nicht?

Nein, aber das war in der Bischofskonferenz – abgesehen von der Dyba-Anekdote – auch nie ein Thema. Anders als im Vatikan: Dort werde ich bis heute gelegentlich gefragt, ob ich Kapuziner oder Missionsbischof sei. Das sind die beiden Schubladen, in die man in Rom lateinische Bischöfe mit Bart reinsteckt. Ich antworte dann meistens, dass ich Missionsbischof bin (lacht). Wenn es notwendig ist, kürze ich den Bart selber – aber immer nur wohldosiert. Meistens lasse ich ihn einfach wachsen.

Auffällig in Sachen Bart – sie haben es schon angesprochen – ist der Unterschied zwischen West- und Ostkirche. Schließlich haben in der Orthodoxie nahezu alle Priester einen sehr üppigen Vollbart. Woher kommt diese Tradition?

Feige: Das weiß ich nicht genau. Ich denke aber, dass es dort auch mit der Bedeutung des Alters zu tun hat. Man verbindet es mit Autorität und Weisheit, und das kann optisch natürlich gut durch einen langen Bart unterstrichen werden. Aber bevor Sie fragen: Ich selbst bezwecke diesen Effekt mit meinem Bart nicht (lacht).

Passiert es denn gelegentlich, dass Menschen Sie auf Ihren Bart ansprechen?

Nein, eigentlich nicht. Vor kurzem hatte ich allerdings ein witziges Erlebnis: Ich bin im Urlaub auf Rügen fast täglich in der Ostsee geschwommen. Und als ich einmal aus dem Wasser kam, riefen ein paar kleine Kinder in meine Richtung „Guck mal, der Weihnachtsmann“ (lacht).

Ein großes Thema unter Bartträgern ist die Frage der richtigen Bartpflege. Wie handhaben Sie das?

Ich gehe für den Bart nicht extra zum Friseur und ich kaufe auch keine teuren Pflegeprodukte. Wenn es notwendig ist, kürze ich den Bart selber – aber immer nur wohldosiert. Meistens lasse ich ihn einfach wachsen.

Steffen Zimmermann, katholisch.de | Fotos:  Viktoria Kühne, Stadt Gottes 

 

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