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Gnadenerweise vor Recht: Weihnachtsamnestie

29. November 2019

Wie jedes Jahr werden bis zu 2000 Häftlinge in Deutschland vor den Weihnachtsfeiertagen vorzeitig auf freien Fuß kommen. In manchen Bundesländern sind es einige hundert, in anderen nur rund eine Handvoll. Aus Anlass des Weihnachtsfestes können viele Strafgefangene auf vorzeitige Haftentlassung hoffen. Die meisten Bundesländer lassen zum Jahresende Gnade vor Recht ergehen, in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Baden-Württemberg sind es sogar mehrere Hundert Gefangene, die früher entlassen werden. Nur in Bayern und Sachsen sträubt man sich gegen den vorweihnachtlichen Segen.

Auch wenn die vorzeitige Haftentlassung umgangssprachlich gerne als „Weihnachtsamnestie“ bezeichnet wird: Streng genommen handelt es sich um Gnadenerweise, die im Einzelfall aus Anlass des Weihnachtsfestes ausgesprochen werden. Zumeist wird dabei jeder in Betracht kommende Fall gnadenrechtlich einer Einzelfallprüfung durch die jeweils zuständige Staatsanwaltschaft unterzogen. In den meisten Bundesländern profitieren Gefangene von einer Weihnachtsamnestie, wenn ihre Haftstrafe ohnehin im Dezember oder Januar endet. Sie dürfen dann bereits im November oder Anfang Dezember gehen – und können so die Feiertage in Freiheit verbringen. Allerdings: Sie müssen mit ihrer vorzeitigen Entlassung einverstanden sein, sich während der Haftzeit gut geführt haben und ihre künftige Unterkunft und Lebensunterhalt müssen gewährleistet sein.

Etwa 500 Gefangene in NRW vorzeitig entlassen

In NRW hat der Justizminister die Vollstreckungsbehörden ermächtigt, „aus Anlass des Weihnachtsfestes aufgrund einer Prüfung der Umstände des Einzelfalls im Gnadenwege die vorzeitige Entlassung von Strafgefangenen zu veranlassen“. Gefangene, deren Entlassung in der Zeit vom 15. November  bis zum 6. Januar angestanden hätte, durften per Gnadenerweis bereits am 14. November auf freien Fuß. Etwa 500 Gefangene kamen in NRW so früher aus dem Gefängnis frei. Eine ähnliche Regelung gilt auch in Mecklenburg-Vorpommern: Gefangene, deren Entlassung in die Zeit vom 23. November  bis einschließlich 4. Januar fällt, sind nach Prüfung der Voraussetzungen aus der Strafhaft zu entlassen. Nach Informationen wird voraussichtlich mindestens 18 Gefangenen ein Antrag auf Weihnachtsbegnadigung genehmigt. „Sieben Entscheidungen stehen noch aus, weitere Anträge sind möglich“, teilte das Ministerium in Schwerin mit. Im „Gnadenerweis aus Anlass des Weihnachtsfestes“ von Mecklenburg-Vorpommern findet sich – wie in den meisten anderen Bundesländern auch – ein Katalog von Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit eine vorzeitige Entlassung überhaupt in Betracht kommt:

Unter anderem sind Strafgefangene von der Regelung ausgenommen, gegen die eine Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von zwei oder mehr Jahren vollstreckt wird. Ein weiterer Hinderungsgrund liegt vor, wenn bei dem Gefangenen nach Beurteilung der JVA Unterkunft und Lebensunterhalt nicht gesichert sind. Gefangene bleiben auch dann außen vor, wenn sie sich nicht mindestens seit einem bestimmten Stichtag ununterbrochen im Freiheitsentzug befinden. In Mecklenburg-Vorpommern ist das der 1.Mai, in NRW muss sich der Gefangene „seit einem vor dem 14. Oktober liegenden Zeitpunkt“ ununterbrochen in Haft befinden. Auch der entgegenstehende Wille des Häftlings spielt eine Rolle: Wer mit einer vorzeitigen Entlassung nicht einverstanden ist, muss nicht raus. Das dürfte etwa für Häftlinge in Betracht kommen, die in Freiheit sonst die Weihnachtstage ohne Freunde oder Familie verbringen müssten.

Weihnachtsamnestie eine „langjährige Tradition“

Im Übrigen schwanken die Zahlen der Gefangenen, die in den Bundesländern von Weihnachtsamnestien profitieren, erheblich: So kamen in Schleswig-Holstein am 21. November neun Gefangene aus den Justizvollzugsanstalten vorzeitig frei. In Sachsen-Anhalt rechnet man damit, dass 22 Gefangene in den Genuss der Weihnachtsamnestie kommen werden. In Hamburg werden wohl nur sechs Gefangene früher entlassen. Ursache dürfte hier eine Neuregelung im Rahmen des Resozialisierungs- und Opferhilfegesetzes sein. Mit der Novellierung wurde die traditionell in Form von Gnadenerweisen durchgeführte Weihnachtsamnestie auf neue Füße gestellt: Die Entlassungsentscheidung wurde dabei von der Senatskommission für Gnadenangelegenheiten auf die Justizvollzugsanstalten verlagert. Diese agieren offenbar restriktiver, denn im letzten Jahr waren in der Hansestadt noch 28 Gefangene früher frei gekommen.

In Niedersachsen, wo nach Angaben des Justizministeriums in Hannover die Weihnachtsamnestie eine „langjährige Tradition“ hat, können Gefangene bereits am 3. Dezember entlassen werden, wenn sie eine von einem niedersächsischen Gericht verhängte zeitige Freiheitsstrafe (nicht: Ersatzfreiheitsstrafe), Jugendstrafe oder einen Strafarrest verbüßen, sich mindestens seit dem 1. August ununterbrochen in Haft befinden und ihre Entlassung in der Zeit bis zum 2. Januar ansteht. Auch hier prüfen die Staatsanwaltschaften anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles, ob eine vorzeitige Entlassung im Gnadenwege zu verantworten ist.

Im Saarland sind in diesem Jahr – wie im Vorjahr – lediglich sechs Gefangene im Rahmen der Weihnachtsamnestie vorzeitig entlassen worden. Ihre Entlassung erfolgte zum 16. November. Der saarländische Erlass macht für eine vorzeitige Entlassung unter anderem zur Bedingung, dass dem Verurteilten eine günstige Sozialprognose gestellt werden kann und dass einer gnadenweisen Entlassung das öffentliche Interesse oder fürsorgerische Gesichtspunkte nicht entgegenstehen. Außerdem sind Gefangene, die wegen Drogenhandels, grober Gewaltdelikte und anderer schwerwiegender Delikte verurteilt wurden, von der Möglichkeit ausgenommen.

Keine Weihnachtsamnestie in Bayern und Sachsen

Während die meisten Bundesländer bei ihren Gnadenerlassen ganz gezielt Bezug auf das Weihnachtsfest nehmen, stellen sich zwei Bundesländer entschieden dagegen, Sachsen und Bayern: „Für Strafgefangene in Bayern wird es keine ‚Weihnachtsamnestie‘ geben“, heißt es auf Anfrage aus dem bayerischen Justizministerium. Eine solche stelle eine ungerechtfertigte und auch verfassungsrechtlich nicht unbedenkliche Bevorzugung gegenüber all den Gefangenen dar, deren Haftzeit zu anderen Zeiten endet, etwa an Ostern oder Pfingsten, sagte eine Sprecherin.

„Geeignete Gefangenen“ hätten aber auch in Bayern die Möglichkeit, „Weihnachten im Kreise ihrer Familie zu feiern“. Ihnen könne zu Weihnachten oder über Neujahr Ausgang oder Urlaub gewährt werden, sofern keine Flucht- oder Missbrauchsgefahr bestehe. Auch die sächsischen Straf- und Jugendstrafgefangenen dürfen nicht auf eine Weihnachtsamnestie hoffen. Fällt bei einigen von ihnen jedoch das Strafende in die Zeit vom 22. Dezember bis 2. Januar, so können Gefangene immerhin an dem diesen Zeitraum vorhergehenden Werktag entlassen werden, „wenn dies gemessen an der Dauer der Strafzeit vertretbar ist und fürsorgerische Gründe nicht entgegenstehen“, hieß es auf Anfrage.

Großzügiges Baden-Württemberg

Unterdessen zeigt man sich in Rheinland-Pfalz, Berlin und Baden-Württemberg bei der Weihnachtsamnestie recht großzügig: „In diesem Jahr profitieren nach Mitteilung der Strafvollzugseinrichtungen und dem aktuellen Sachstand insgesamt 119 Personen von den sogenannten ‚Weihnachtsamnestien'“, gab das rheinland-pfälzische Justizministerium bekannt. Durch den Gnadenerweis solle Gefangenen, die an und für sich erst kurz vor oder an Weihnachten entlassen werden müssten, ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtert werden. Erfahrungsgemäß seien Wohnungs- und Arbeitssuche in der Weihnachtszeit besonders schwierig und auch einschlägige Beratungsstellen in dieser Zeit überwiegend geschlossen, argumentiert das Ministerium in Mainz.

In Berlin profitierten bereits Mitte November 138 Inhaftierte. Sie wurden auf Grundlage eines traditionellen „Sammelgnadenerweises“ des Justizsenators vorzeitig aus der Haft entlassen. Und auch in Baden-Württemberg hat die Weihnachtsamnestie Tradition, es gibt sie dort seit 1963. In diesem Jahr kamen dafür grundsätzlich diejenigen Strafgefangenen in Betracht, die von einem baden-württembergischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden und deren Strafende in die Zeit vom 8. November bis einschließlich 6. Januar fällt. Es ist davon auszugehen, dass in Baden-Württemberg einige Hundert Gefangene vorzeitig aus der Haft entlassen wurden – diese Größenordnung schätzt jedenfalls das zuständige Ministerium in Stuttgart. Offiziell erhoben werden die Zahlen nicht.

Hasso Suliak | Legal Tribune Online

 

1 Rückmeldung

  1. Stefanie Thiel sagt:

    Ich finde es auch nur gerecht, dass so wie mein Mann, der schwer Herzkrank ist, über die Festtage bei seinem Sohn und Familie zuhause ist. Gibt es da keine Regelung?

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