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Vertrauen und Misstrauen im Gefängnis

7. Februar 2019

Vertrauen ist gut. Denn es ist die Grundbedingung menschlichen Zusammenlebens – in persönlichen, sozialen, beruflichen und geschäftlichen Beziehungen. Freundschaft und Familie, Gesellschaft und Staat, Politik, Handel und Wirtschaft sind essentiell auf Vertrauen angewiesen. Dagegen glaubt die Spruchweisheit aus schlechter Erfahrung enttäuschten Vertrauens zu wissen, dass Kontrolle, also Misstrauen, besser sei. Ist es wirklich besser, anderen zunächst einmal zu misstrauen und selbst auf Schritt und Tritt kontrolliert zu werden?

Der Staat, der die Bürger kontrolliert, ist despotisch; wo Vorgesetzte ihren Mitarbeitenden misstrauen, demotivieren sie sie […]. Vertrauen entlastet. Religiöse Menschen vertrauen ihrem Gott. Weil wir nicht alles wissen und nicht alles können, vertrauen wir dem Wissen und Können anderer: Wir vertrauen den Experten – Patienten vertrauen ihren Ärzten, Zugreisende dem Lokomotivführer, Bauherren den Architekten und Handwerkern. Wir vertrauen der Wissenschaft und Technik, wir vertrauen Maschinen und Computern.“

Dass sich Vertrauen in einer Äquidistanz zwischen der Naivität des blinden Vertrauens in alle und alles und der systematischen Skepsis des Misstrauens verorten muss, hat in einer Spruchweisheit Niederschlag gefunden: So töricht und leichtfertig es ist, jedermann zu vertrauen, so tyrannisch ist es, niemandem zu vertrauen. Misstrauen geht aber auch einher mit fehlender Vertrauenswürdigkeit des Misstrauischen: Wer nicht vertraut, dem ist nicht zu trauen. Vertrauen erscheint so als Fundament jeglichen sozialen Umgangs. Aber das Sprichwort weiß zugleich um die Möglichkeit des Scheiterns und mahnt daher zu Skepsis und Vorsicht – „Wer leicht vertraut, wird leicht betrogen“ und „Wer nicht vertraut, wird nicht betrogen“.

Seit 16 Jahren ist Michael Drescher Gefängnisseelsorger in der JVA Karlsruhe. Er arbeitet in einer Institution, die auf Misstrauen und Kontrolle beruht. Den Phänomenen „Vertrauen und Misstrauen“ ist er im Justizvollzug in unterschiedlichsten Bezügen und Schattierungen begegnet. Davon handelt seine Masterarbeit.

 

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