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Gefängnisse brauchen Fenster und einen Horizont

12. November 2019

Auf Reisen in Italien oder im Ausland besucht Papst Franziskus immer wieder Haftanstalten. Und gerne sagt der Papst den Gefangenen bei dieser Gelegenheit, dass sie sich nicht aufgeben und sie den Mut nicht sinken lassen sollen. Am Freitag hatte Franziskus etwa 50 GefängnisseelsorgerInnen im Vatikan zu Besuch.

In seiner auf Spanisch gehaltenen Ansprache beschwor er sie, dafür zu sorgen, dass die Inhaftierten von Haftanstalten Perspektiven bekommen. „Man kann nicht davon sprechen, dass jemand seine Schuld gegenüber der Gesellschaft abträgt, wenn er in einem Gefängnis ohne Fenster sitzt. Es darf keine menschliche Strafe ohne Horizont geben! Niemand kann sein Leben ändern, wenn er nicht einen Horizont sieht. Wir aber verbauen unseren Häftlingen oft genug das Blickfeld. Bitte sorgen Sie dafür, dass es in den Gefängnissen Ihrer Heimatländer immer Gefängnisse mit Horizont gibt! Sogar bei einer lebenslangen Haftstrafe – die aus meiner Sicht fragwürdig ist – sogar bei einer lebenslangen Haftstrafe sollte es einen Horizont geben.“

Leichter zu unterdrücken als zu erziehen

Wer sich um Gefangene kümmere, erfülle den Auftrag Jesu Christi, so der Papst. „Danach werden wir beim Gericht beurteilt werden!“ Scharf wandte er sich dagegen, dass in einigen Ländern Straftäter „weggesperrt“ und ohne weiterführende Hilfen zu einer „inneren Entwicklung“ sich selbst überlassen werden. „Natürlich ist es leichter, zu unterdrücken als zu erziehen – ich würde auch sagen, es ist auch bequemer. Diese Ungerechtigkeit der Gesellschaft zu leugnen, ist ebenfalls einfach. Da werden die Übertreter des Gesetzes weggesperrt und vergessen – das ist eine sozusagen gepflegte Art und Weise, sie auszusortieren.“

In Wirklichkeit brauche jeder Häftling echte Chancen auf eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft, und dazu müsse diese Möglichkeiten, auch Geld, bereitstellen, mahnte der Papst. Dass viele Haftanstalten überbelegt sind, mache sie „zu Orten, wo den Menschen ihre Persönlichkeit genommen wird“.

Straffälligen Menschen begegnen

„Unsere Gesellschaften sind heute besonders dazu aufgerufen, die Stigmatisierung derer, die einen Fehler begangen haben, zu überwinden! Menschen, die heute aus dem Gefängnis entlassen werden, finden sich oft in der Welt nicht mehr zurecht, stoßen überall nur auf Misstrauen, können oft sogar gar keine Arbeit aufnehmen. Aber indem man ihnen die volle Entfaltung ihrer Würde verweigert, sorgt man dafür, dass sie Gefahr laufen, wieder in Gewalt und Unsicherheit abzurutschen. Als Christen müssen wir uns fragen: Wenn diese Menschen schon ihre Strafe abgebüßt haben, warum begegnen wir ihnen dann immer noch abweisend und gleichgültig?

Der Papst schloss mit einer persönlichen Erinnerung. In seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires habe er immer wieder gesehen, wie Besucher vor dem Devoto-Gefängnis der argentinischen Hauptstadt Schlange standen. „Die Schlange der Leute, die die Häftlinge besuchen wollten. Vor allem die Mütter – die Mütter der Häftlinge, die da stundenlang Schlange standen und auch durch eine manchmal demütigende Sicherheitskontrolle mussten. Diese Frauen schämten sich nicht, obwohl jeder sie da sehen konnte. ‚Mein Sohn ist da drin‘, sie hielten ihr Gesicht hin für ihre Söhne. Möge die Kirche von diesen Müttern Mütterlichkeit lernen…“

vatican news | Stefan von Kempis

 

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