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Trotz vieler Fehler: Getauft hinter Gittern

26. Februar 2019

Er ist ohne Glauben aufgewachsen, hat sich aber schon immer für Religionen interessiert. Im Gefängnis findet Pari S. beim Lesen der Evangelien Halt und Trost. Er lässt sich taufen und firmen. Pari S. (28) ist seit zwei Jahren im Gefängnis. Seine Taten liegen lange zurück, aber er muss noch zwei weitere Jahre seine Strafzeit absitzen. Der junge Mann hat geklaut, illegale Geschäfte betrieben und sich auf unlautere Weise Geld verschafft. Im Interview erzählt er, wie die Bibellektüre im Knast ihn veränderte und zum Christ werden ließ.

Wie kam es dazu, dass Sie im Gefängnis Christ wurden?

Weil ich viel Zeit auf meiner Zelle habe, habe ich begonnen, mich mit dem Christentum zu beschäftigen. Meine Eltern kommen aus Malaysia und sind Hinduisten. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen und religiös neutral aufgewachsen. Religionen haben mich aber schon immer interessiert. Ich war schon in einer Moschee, aber auch in mehreren Kirchen, einfach so, zum Beispiel im Kölner Dom und im Ulmer Münster und auch schon in Lourdes. Aus Neugierde sozusagen. Im Gefängnis besuche ich regelmäßig die Gottesdienste. Beim katholischen Seelsorger habe ich mir dann eines Tages eine Bibel ausgeliehen. Zuerst habe ich das Alte Testament gelesen. Das brachte mich ziemlich durcheinander, weil ich immer dachte, dass das Christentum eine liebevolle Religion wäre. Der Gefängnisseelsorger hat mir dann empfohlen, auch mal die Evangelien zu lesen. Dort fand ich, was ich gesucht habe: Mitgefühl und Trost.

In der Bibel wird von Schuld und Sünde erzählt…

Die Bibel habe ich jetzt zweimal komplett durchgelesen. Ich glaube nicht, dass Jesus ein Flaschengeist ist, an dem man reiben kann und der einem dann alle Wünsche erfüllt. Ich muss schon selbst etwas dafür tun. Durch die Bibel habe ich eine komplett neue Sicht auf die Dinge bekommen. Früher lebte ich wie in einem Hamsterrad. Es ging nur darum, so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich zu verdienen. Ich hatte teure Autos, eine teure Wohnung und viel zu viele Luxusgüter. Alles, was ich mir eigentlich nicht leisten konnte. So bin ich auch in eine Sackgasse geraten und habe illegale Geschäfte gemacht. Auf Kosten anderer. Wenn ich heute zurückschaue, ist von dem vielen Geld, das ich damals verdient habe, nichts übrig geblieben. Heute weiß ich, dass dieses Leben falsch war. Heute bete ich jeden Abend vor dem Schlafen gehen das Vaterunser. Dort heißt es ja, man soll anderen die Schuld vergeben und ich bitte Gott darum, dass er mir meine Schuld vergibt.

Würden Sie denn heute etwas anders machen?

Ich glaube schon. In der Bibel steht, dass alles vergänglich ist. Das macht mich nachdenklich. Ich lese auch gerne die Geschichten von Jesus in der Bibel. Er wurde von seinen engsten Freunden hintergangen, verleumdet und alleine gelassen. Ich habe einige Stellen im Evangelium gefunden, die haarscharf auf mein Leben passen. Früher hatte ich ein großes soziales Umfeld. Ich war sogar verheiratet. Meine Frau hat nur wenige Tage nach meiner Festnahme die Scheidung eingereicht. Mit meiner Mutter habe ich das letzte Mal vor einem Jahr gesprochen.

Niemand besucht mich hier. Anfangs hatte ich noch darauf gehofft, mittlerweile habe ich es aufgegeben. Die Leute, mit denen ich früher meine Zeit verbracht habe oder für die ich Geld ausgegeben habe, interessieren sich nicht mehr für mich. Alles, was mir sicher schien, war plötzlich weg. Erst durch die Bibel habe ich realisiert, dass es einen Gott gibt, der anders ist. Er schaut auf mich, er passt auf mich auf und bewahrt mich vor Bösem. Er ist ein liebevoller Gott, der trotz meiner Fehler zu mir steht.

Im Evangelium sehe ich vor allem Jesus, den Sohn Gottes. Er ist einer, der Liebe ausstrahlt, der den Menschen vergibt, vor allem denen, die schwer gesündigt haben. Jesus hat sich für unsere Sünden hingegeben, er hat sozusagen das Gesamtpaket unserer Sünden mit in seinen Tod genommen. Er will nicht, dass ich unschuldigen Menschen einen Schaden zufüge. Dieser Gedanke entlastet mich und ich fühle mich befreit. Es hilft mir auch, wenn ich mit Gott über mein Leben rede.

Warum wollten Sie sich taufen lassen im Gefängnis?

Ich finde, wenn man etwas anfängt, dann sollte man das auch zu 100 Prozent richtig machen. Bevor ich getauft wurde, habe ich auch schon die heilige Kommunion hier im Gefängnisgottesdienst empfangen. Ich habe den Pfarrer gefragt, ob das eigentlich eine Sünde ist. Er hat gesagt: „Wenn Sie Ihren Glauben leben, sich damit identifizieren können und wissen, worum es geht, dann ist das in Ordnung.“ Das fand ich gut, weil ich mich angenommen gefühlt habe. Mit der Zeit bin ich in meinen Glauben hineingewachsen. 2017 wurde ich an Ostern getauft und gleichzeitig gefirmt. Ich habe sogar eine eigene Taufkerze vom Gefängnisseelsorger bekommen, die fand ich wunderschön. Alle haben mitgefeiert, das hat mich sehr berührt. Jetzt bin ich Gott ein Stück näher gekommen und kann zu 100 Prozent sagen: Ich bin Sohn Gottes. Das trägt mich durch meine Haftzeit.

Denken Sie, Gott ist wichtig, wenn Sie wieder in Freiheit sind?

Ich bin sicher, dass ich Gott draußen nicht vergessen werde, ganz im Gegenteil. Ich habe mit mir ausgemacht, dass ich die Zeit nach meiner Haft draußen sinnvoll gestalten will. Ich will keine Zeit mehr für unnütze Dinge vergeuden. Ich will eine gute Arbeit finden, eine Familie gründen und meinen Glauben weitergeben und ich will den Schaden wieder gut machen, den ich verursacht habe. Ich möchte mich auch einer Kirchengemeinde anschließen, Gottesdienste besuchen und mich einbringen und anderen helfen.

Ich will das zurückzugeben, was ich hier an Gutem erfahren habe, durch die Seelsorger und durch den ehrenamtlichen Besuchsdienst. Ich finde, jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich. Ich will nicht verbittern, sondern versuchen das meiste positiv zu sehen. Ich bin sehr dankbar, dass ich ein Dach über dem Kopf habe, dass ich nicht frieren muss und jeden Tag etwas zu essen habe. Ich habe nochmals eine Chance bekommen und dafür bin ich dankbar. Ich bin ja nicht lebenslänglich hier.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Früher habe ich mir immer materielle Dinge gewünscht, ein neues Auto, eine schicke Wohnung oder eine neue Uhr. Heute möchte ich einfach, dass es den Leuten, die um mich herum sind, gut geht. Ich bin zufrieden, wie es ist. Alles was ich brauche, habe ich hier: Meinen Glauben, einen Seelsorger und einen oder zwei Menschen, mit denen ich mich vernünftig unterhalten kann. Ich bin in Gottes Liebe, das reicht mir vollkommen.

Madeleine Spendier | katholisch.de

 

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