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Tätowierungen gehen tief unter die Haut

31. März 2019

Körperbemalungen mit religiösen Anklängen faszinieren Patrik Dzambo. „Religion ist heute in vielen Bereichen der Gesellschaft wieder präsent. Man findet sie in Rockmusik, Pop, oder Film“, erklärt der Wissenschaftler begeistert. „Warum also nicht auch in Tätowierungen?“ Immer öfter ließen sich Menschen christliche Motive wie den Rosenkranz, Dürers betende Hände oder Mariendarstellungen in die Haut ritzen.

„Auch wenn natürlich nicht hinter jeder religiösen Tätowierung ein religiös christlicher Glauben steht, muss es eine gewisse Verbindung zwischen dem Individuum und der Botschaft geben, die hinter dem Symbol steckt“, ist Dzambo überzeugt. Im Gegensatz zu Film oder Musik bringen für ihn die Tätowierungen eine neue Qualität mit sich. Wer ein religiöses Lied höre, werde nur für drei Minuten mit dem Thema konfrontiert und schalte es wieder ab. Bei einem Tattoo sei das ganz anders. „Das ist dann unwiderruflich Bestandteil von mir.“ Denn trotz der Möglichkeiten, die Körperzeichnungen mit modernen Methoden wieder zu entfernen, sind „die Tätowierungen prinzipiell für die Ewigkeit gedacht“.

In seiner Examensarbeit hat sich Dzambo mit der Frage beschäftigt, welche Funktion diese Tattoos haben. Er sieht darin vor allem den Versuch, Angst zu bewältigen und in irgendeiner Form Trost und Halt zu finden. Auch wenn es hier noch nicht ausdrücklich um Glaube und Gott gehe, schwinge die religiöse Dimension deutlich bei Tätowierungen mit. Sie können nach den Erkenntnissen des Theologen aber auch dabei helfen, nicht nur Angst, sondern auch Leid und Unrecht zu bewältigen. So werden damit häufig Gewalterfahrungen, psychische oder seelische Verletzungen kompensiert. „Die betroffene Person holt sich durch eine Tätowierung die Macht über den eigenen Körper, der vorher miss- braucht wurde, wieder zurück und verarbeitet da- durch diese Unrechtserfahrung.“

Zudem würden Tätowierungen oft im Zusammenhang mit Krankheiten stehen, die den Menschen in eine Ohnmacht drängen und am Aufstehen hindern. Das Stechen mit dem brennenden Schmerz gebe den Betroffenen das Gefühl: „Hier bin ich derjenige, der aktiv Macht über meinen Körper ausübt. Und so hole ich mir meine Handlungsfähigkeit in irgendeiner Form wieder.“ Es sind Grenzerfahrungen des Lebens, die sich mit Nadel und Farben tief in die Haut eingraben. Nicht ohne Grund taucht in der Sammlung das Motiv des Grabsteins oder ein zerbrochenes Ziffernblatt auf, darunter ein Geburts- und ein Sterbedatum. „Hier wird versucht, eine Todeserfahrung zu verarbeiten“, erklärt der Theologe. Genau wie dies auch die Religion tut.

Melanie Pies

 

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