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Pläne für neuen Superknast in Halle/Saale geplatzt?

9. Juli 2021

Ist die Justizvollzugsanstalt Hamburg-Billwerder Vorbild? Sie wurde 2003 in Betrieb genommen.

Das Projekt Neubau JVA Halle/Saale wird in der Mitteldeutschen Zeitung mit folgenden Schlagzeilen bedacht: „Ende der Superknast-Pläne?“; „Aus“ für den „Superknast“ in Halle?; „Teurer als das Kanzleramt!“ In Halle sollte nach zehn Jahren langer Planung des Landes Sachsen-Anhalt ein Großgefängnis entstehen. 600 Häftlinge sollten in modernen Einzelzellen unterkommen. Doch nun sieht es so aus, dass die Pläne für einen neuen „Superknast“ geplatzt sind. Das Finanzministerium hat das Vergabeverfahren abgebrochen. Die Kosten sind explodiert: von einst 190 Millionen Euro auf ca. 300 Millionen Euro.

Nun drängt die Zeit, denn ab 2025 gelten neue EU Standards aus Brüssel, die die bestehenden Haftanstalten in Sachsen-Anhalt nicht alle erfüllen. Mario Pinkert, Vorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) in Sachsen-Anhalt, ist etwas verärgert. „Dass der geplante Gefängnisbau in Halle gescheitert ist, wundert mich nicht. Wir haben schon vor sechs Jahren darauf hingewiesen, dass das Großprojekt zu teuer wird und Vorschläge für einen Containerbau oder einer Erweiterung unterbreitet. Ich weiß auch, dass die Justizvollzugsanstalten (JVA) Volkstedt und Dessau dazu Konzepte erarbeitet hatten, wo es 2012/2015 um diverse Schließungspläne ging. Doch diese wurden einfach alle politisch vom Tisch gewischt“, so wird Mario Pinkert in der Mittteldeutschen Zeitung (MZ) zitiert.

Das Gefängnis in Halle an der Saale im Stadtteil „Frohe Zukunft“ soll für rund 190 Millionen Euro komplett umgebaut und erweitert werden. Bereits 2012 hatte die Landesregierung beschlossen, Gefangene an nur noch drei Standorten unterzubringen: in Burg, Halle und in der Jugendanstalt Raßnitz.

Das Land hatte 2012 beschlossen, die Gefangenen künftig nur noch an drei Standorten in Sachsen-Anhalt unterzubringen – in Raßnitz, Burg und Halle/Saale. Die Baukosten für den „Superknast“ in Halle plante man mit 160 Millionen Euro. Die JVA Dessau und andere Anstalten wurden deshalb schon vor Jahren dafür dicht gemacht. Mit dem geplanten Erweiterungsbau in Halle wäre auch die Haftanstalt in Volkstedt geschlossen worden. Doch mittlerweile liegen Angebote auf dem Tisch, die deutlich teurer sind. Sie seien aktuell mehr an der 300er als an der 200 Millionen-Marke. Doch diese Angebote seien schlicht „unwirtschaftlich“ für das Land, heißt es aus dem Finanzministerium. Nun werde nach anderen Alternativen und Ideen gesucht. Wenn das nicht mehr in Halle passiert, jedenfalls nicht mehr in der Dimension wie geplant, muss es andere Standorte geben. Doch die Zeit drängt.

Denn ab 1. Januar 2025 hat jeder Häftling Anspruch auf eine Einzelzelle, mindestens neun Quadratmeter groß. So sehen es die Regeln der EU vor. Die bestehenden Haftanstalten im Land erfüllen die Standards nicht vollständig. Nun müssen innerhalb von drei Jahren moderne Haftplätze an anderen Standorten im Land geschaffen werden. Gehe es nach Mario Pinkert, der in der Justizvollzugsanstalt Volkstedt arbeitet, sollten die Vorgaben an mehreren kleinen Standorten umgesetzt werden. „Die Resozialisierung der Gefangenen steht immer im Vordergrund. Bei kleineren Gefängnissen, mit vielleicht 200 oder 300 Gefangenen, kann man besser auf bestimmte Situationen einwirken. Auch können Vereine und Einrichtungen, die sich einbringen wollen, viel besser auf die verschiedenen Gruppierungen eingehen“, äußert Pinkert. Er könne sich zum Beispiel vorstellen, dass die JVA in Volkstedt entsprechend umgebaut werde. Die vorhandenen 200 Plätze könnten auf etwa 400 Haftplätze erweitert werden. Derzeit sitzen rund 190 Gefangene in der JVA Volkstedt ein. Dort arbeiten 110 Bedienstete.

  • „Das haben wir schon vor sechs Jahren gesagt, dass es anders gehen würde. So ist es, wenn andere bestimmen und nicht auf die Basis gehört wird. In meinen Augen ist der politische und menschliche Schaden nun viel höher, als wenn man sich bereits vor 2015 Fehler eingestanden hätte und Anstalten am Netz gelassen hätte. Alle Abgeordneten, welche damals für die Schließung gestimmt haben und noch im Landtag sind, sollten zurücktreten.“ (Zitat BSBD Sachsen-Anhalt, Ausgabe MZ vom 5. Mai 2021)
  • „Jahrelang haben wir versucht unsere Ressourcen, die wir haben, so zu bündeln, dass wir hier in Halle von einer gemeinsamen Anstalt sprechen. Unter der Maßgabe einer gesamten Anstalt wurde auch das Personal geplant und versucht einzustellen.“
  • „Ich finde es nicht gut, dass wir jetzt eine andere Meinung in der Öffentlichkeit vertreten, um den Strafvollzug zu dezentralisieren. Jetzt versucht gerade wieder, jeder seine Anstalt zu retten. Die Arbeitsbedingungen, welche die KollegInnen im Bereich JVA Halle ,Roter Ochse´ sowie der Nebenstelle ,Frohe Zukunft‘ derzeit haben, scheinen hier nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen.“
  • „Eine gemeinsame Anstalt sollte weiter im Mittelpunkt stehen. Diese Meinung sollte auch der BSBD vertreten und nicht die Meinung einzelner Politiker.“  (Zitat BSBD Sachsen-Anhalt, MZ vom 10. Mai 2021)
  • „Jetzt rächt sich, dass das Personal auf drei Standorte schrittweise reduziert wird bzw. wurde. Aber wir haben ja gerade noch fünf Standorte (Raßnitz, Burg, Halle-Hauptstelle, Halle-Nebenstelle und Volkstedt) in Betrieb, wo doch gerade die freien Kapazitäten in Gefängnissen stark am Schwinden sind, trotz Corona. Was wird das, wenn die Corona-Einschränkungen wieder wegfallen? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Hoffen wir, dass die Politik und Planer nunmehr auf die Praxiserfahrung der Justizvollzugsbediensteten bei den neuen Plänen baut.“

Quelle: Der Vollzugsdienst 3/2021 | Fachzeitschrift für die Bediensteten des Justizvollzuges (BSBD)

 

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