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Statt Geldstrafen im Gefängnis abzusitzen, lieber abarbeiten

16. Oktober 2021

Im Jahr 1827 entschlossen sich Berliner Seelsorger, Militärangehörige und engagierte BürgerInnen in Berlin, Straffällige „zu frommen und nützlichen Staatsbürgern umzuschaffen“ und dafür zu sorgen, „dass die Entlassenen nicht durch Hilflosigkeit wieder zu Straftätern werden“. Sie wussten von den miserablen Zuständen in den Gefängnissen und gründeten den Verein sbh – „sozial bestimmt handeln“. Der Verein hilft Straffälligen, ihr Leben in geordnete Bahnen zu lenken. Ein Element der Resozialisierung: Statt Geldstrafen im Gefängnis abzusitzen, können die Verurteilten sie abarbeiten.

Am 4. Februar 1827 fand die erste vorbereitende Sitzung zur Stiftung eines Gefängnisvereins in Berlin statt. Der Vorgänger für die heutige Straffälligenhilfe.  Seit 2010 führt der Verein Gruppenangebote und -trainings für Inhaftierte in den Berliner Justizvollzugsanstalten durch. Das Gruppentraining Soziale Kompetenzen (GSK, Hinsch/Pfingsten) vermittelt hochwirksam Fertigkeiten in „Recht durchsetzen“, „Beziehung gestalten“ und „um Sympathie werben“. Zum Leistungsspektrum gehören Anti-Gewalt-Trainings, Motivations-, Suchtberatungs- und Verkehrsstraftätergruppen u.a. in den JVAen Plötzensee, Tegel, Moabit und Heidering.

Eine Art „Wiedergutmachung“ leisten Menschen, die Fehler gemacht haben, für die Gesellschaft.

Abarbeiten statt absitzen

PutzWerk Berlin ist eine Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahme des Vereins, die Inhaftierte befähigen soll, ihr zukünftiges Leben auf der Basis von Erwerbstätigkeit eigenständig und straffrei zu führen. In dreimonatigen Modulen werden sie für eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet und begleitet. Im Projekt „Freie Arbeit“ bekommen Verurteilte durch die Gerichtsmaßnahmen „Arbeit statt Strafe“ und „Integration statt Inhaftierung“ die Möglichkeit, Ihre Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit zu tilgen. Bei Renovierungsarbeiten in Schulen werden sie von ausgebildeten Bauleitern betreut und erhalten mit der Arbeit praktische Einblicke in verschiedene Handwerke. Sie lernen ein geregelten Tagesablauf zu bekommen. Suchterkrankungen und kein geregeltets Einkommen verleiten manches Mal zum Schwarzfahren, Diebstahl oder Betrügereien.

Wichtig ist die Arbeit

Im Beitrag des rbb „Mittendrin“ der Serie in den tagesthemen berichtet der 45 jährige Torsten von seinen Gefängnisaufenthalten wegen schwererer Delikte, unter anderem wegen räuberischer Erpressung und schwerem Raub. In den letzten Jahren sammelten sich kleinere Delikte an – die abarbeitet. Die Arbeit, aber auch die Zuwendung durch die MitarbeiterInnen würden ihm helfen, Ordnung in sein Leben zu bekommen, meint er. Das Trinken habe er aufgegeben, „umso wichtiger sei die Arbeit“, sagt er.

Seit 2015 besteht als vollzugliche Maßnahme die Möglichkeit, in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee (geschlossener und offener Männervollzug) durch freie Arbeit die Haftzeit zu verkürzen. Durch den Ansatz von „Day-by-Day“ wird Gefangenen, bei denen ausschließlich eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken ist, ermöglicht, während des Strafvollzugs freie Arbeit im Sinne der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen zu leisten und somit an einem Tag zwei Tagessätze der ursprünglich zu vollstreckenden Geldstrafe zu tilgen.

Schwitzen statt sitzen

In Baden-Württemberg und Niederschasen laufen ähnliche Programme. „Schwitzen statt Sitzen“ heisst es dort. Damit werden nicht nur Haftkosten gespart, sondern auch unnötige Gefängniserfahrungen vermieden. Verurteilte, die schon lange arbeitslos sind, können wieder einen geregelten Arbeitsrhythmus erlernen und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Auch kommt die gemeinnützige Tätigkeit der Allgemeinheit zugute. In den letzten Jahren konnten jeweils ca. 150.000 Hafttage und damit ca. 15 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden. Vor allem Menschen mit geringem Einkommen sind mit der Bezahlung einer Geldstrafe überfordert. Sie sind sowieso knapp bei Kasse und warten oft erst mal ab. Bald landen die ersten Mahnungen im Briefkasten. Wer diese ignoriert, muss ersatzweise ins Gefängnis – auch wenn das Gericht diese Form der Strafe gar nicht vorgesehen hat.

 

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