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Aussage, Schweigepflicht, Zeugnisverweigerungsrecht

30. Juli 2019

Zeugnisverweigerungsrechte ergeben sich aus der Stellung als Geistlicher (§ 53 Absatz 1 Nr. 1 StPO) sowie aus der Stellung des Berufshelfers eines Geistlichen (§ 53a Absatz 1 Satz 1 StPO). Eine Schweigepflicht besteht für öffentlich (kirchlich) Bedienstete (§ 54 Absatz 1 StPO). Voraussetzung ist, dass die betreffenden Personen einer Religionsgemeinschaft angehören, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist. Vor anderen Gerichten (u.a. Zivil-, Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichten) gibt es gleichfalls Zeugnisverweigerungsrechte, die aber in der Praxis von weitaus geringerer Bedeutung sind. Als Grundnorm gilt hier § 383 Absatz 1 Nr. 6 ZPO.

Darüber hinaus sind Geistliche unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Pflicht befreit, durch das Gesetz bestimmte, schwere Straftaten anzuzeigen (§ 139 Absatz 2 i.V.m. § 138 StGB).

Zeugnisverweigerung gemäß § 53 StPO

Gegenstand des Zeugnisverweigerungsrechts sind diejenigen Informationen, die dem Geistlichen in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden sind oder die er auf eine andere Weise erfahren hat. Bei Geistlichen spricht die erste Vermutung dafür, dass sie, soweit sie nicht ausschließlich privat tätig gewesen sind, als Seelsorger angesprochen wurden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Seelsorger von einem oder mehreren Dritten in seiner Eigenschaft als geistlicher Beistand kontaktiert wird. In Zweifelsfällen entscheidet alleine der Seelsorger darüber, ob er in seiner Eigenschaft als Seelsorger oder als Privatperson eine Wahrnehmung gemacht hat. Dabei muss er, darauf achten, dass er den weiten Spielraum, den der Staat ihm zur Wahrnehmung seiner Tätigkeit eröffnet, nicht missbraucht und seine geschützten Befugnisse im Rahmen seiner Aufgabe einhält und erfüllt.

Es wird jedoch immer wieder Grenzbereiche geben. Durch die Formulierung des Gesetzes „in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut“ versucht die gesetzliche Regelung, dem Spannungsverhältnis zwischen den schutzwürdigen Belangen der Gesprächspartner und dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Die Frage, wann diesem Personenkreis Tatsachen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut und bekannt geworden sind, kann daher immer nur für den jeweiligen Einzelfall geklärt werden.

Der Schutzumfang des Seelsorgegeheimnisses wird sich dem Grundsatz nach auf die Beichte, das beichtähnliche Gespräch und auch auf das seelsorgerliche Gespräch erstrecken. Soweit es sich um den Kernbereich des Beichtgeheimnisses handelt, ist keinerlei Aussage einforderbar. Der Seelsorger muss sich also zunächst eigenverantwortlich immer fragen, ob er sich im Grenzbereich dieses Spannungsverhältnisses befindet, wenn er sich auf sein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht berufen will. Ein  Zeugnisverweigerungsrecht soll ihm aber grundsätzlich dann zustehen, wenn die berufliche Beziehung Anlass für den Empfang vertraulichen Inhalts geworden ist. Nicht erstrecken soll das Zeugnisverweigerungsrecht sich auf Tatsachen, von denen der Geistliche nur bei Gelegenheit der Ausübung der Seelsorge oder rein zufällig erfahren hat. Ein Geistlicher handelt demnach nur dann in seiner Eigenschaft als Seelsorger, wenn ein innerer, sachbezogener Zusammenhang zwischen Seelsorgeausübung und der Kenntniserlangung besteht.

Dies wird vielfach verneint bei einer rein verwaltungsmäßigen Vertretung der kirchlichen Körperschaft, bei einem zufälligen Zeugesein im Rahmen eines Verkehrsunfalls, oder bei einer beiläufigen Begegnung in einem Dienstgebäude. Besonders dort, wo ein Geistlicher sachfremd oder rechtswidrig handelt, und deshalb keine seelsorgerlichen Aufgaben wahrnimmt, besteht kein Zeugnisverweigerungsrecht. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird allerdings teilweise die kritisch zu beurteilende Auffassung vertreten, dass auch die rein karitative, fürsorgerische oder erzieherische Tätigkeit nicht vom Zeugnisverweigerungsrecht umfasst sein soll.

Diese allgemeinen Definitionen bleiben jedoch abstrakt und ersetzen nicht die Prüfung des Einzelfalles. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass immer dann, wenn eine Tätigkeit nicht mehr in den Bereich der Seelsorge fällt, sondern anders motiviert ist, eine Zeugnisverweigerung über Sachverhalte, die bei Ausübung dieser anderen Tätigkeit bekannt wurden, nicht möglich ist. Da das moderne Verständnis von Seelsorge die gesamte kirchliche Praxis umfassen kann, ist eine klare Bereichsscheidung im Einzelfall äußerst schwierig.

Das Bundesverfassungsgericht geht jedoch in seiner oben genannten Entscheidung von der Möglichkeit aus, dass es Gespräche, Erkenntnisse oder Tätigkeiten auf dem Gebiet des täglichen Lebens gibt, die bei Gelegenheit der Ausübung von Seelsorge ohne Bezug zum seelischen Bereich vorgenommen wurden. Es hat die Auffassung des Bundesgerichtshofs bestätigt, wonach Seelsorge „eine von religiösen Motiven und Zielsetzungen getragene Zuwendung“ sei, „die der Fürsorge für das seelische Wohl des Beistandsuchenden, der Hilfe im Leben oder Glauben benötigt, dient“. Das kirchliche Selbstverständnis und insoweit auch das kirchliche Amtsverständnis können aber von der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht berührt werden.

Zeugnisverweigerung gemäß § 54 StPO

Gegenstand des Zeugnisverweigerungsrechts können nur Kenntnisse sein, deren Offenbarung vor Gericht dem Wohl der Körperschaft des öffentlichen Rechts Nachteile bereiten, oder die Erfüllung kirchlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn durch die Aussagen kirchlich Bediensteter das berechtigte Vertrauen in die kirchliche Verschwiegenheit gefährdet würde. Anders als bei dem Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 53 und 53 a StPO gibt es bei dem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 54 StPO die Möglichkeit der Gegenvorstellung durch das Gericht, demgegenüber die Aussagegenehmigung versagt worden ist.

Hilfestellungen

Da sich nie abstrakt klären lässt, ob sich Geistliche und kirchliche Mitarbeiter auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, empfiehlt es sich, in Schulungen und Dienstgesprächen Fragen dieser Art immer wieder (regelmäßig) auszutauschen und zu vertiefen, um so den Schutz des Seelsorgegeheimnisses auch gegenüber staatlichen Stellen zu rechtfertigen und zu begründen. Stets sollte in einer Konfliktsituation beachtet werden, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit den Zeugnisverweigerungsrechten auch die Berücksichtigung der Interessen des Staates voraussetzt, beispielsweise im Strafprozess, der ja auch dem Opferschutz und der Rechtstaatlichkeit dient. Dabei können schwierige Abwägungsprozesse notwendig sein und sich komplizierte juristische Konstellationen ergeben.

Da jeder einzelne Fall in der Regel sehr speziell ist und keine abstrakte Abgrenzung erfolgen kann, bedarf es immer der Prüfung des Einzelfalles, worüber das Zeugnis verweigert werden darf. Damit der Seelsorger in diesem Grenzbereich nicht alleingelassen wird, wird dringend empfohlen, stets eine Aussagegenehmigung des Bischöflichen Generalvikariats, Ordinariats, Ordensoberen einzuholen und ggf. auch dessen Rechtsabteilung einzuschalten, wie dies in verschiedenen Bistümern bereits vorgeschrieben ist. Dies ermöglicht zugleich, rechtliche Hilfe zu erhalten, die im Vorfeld verhindert, dass nicht korrigierbare Fehler zu Lasten des Betroffenen, der eigenen Person oder der Kirche gemacht werden. Wenn eine Aussage erfolgt, so ist auch zu bedenken, dass sie unabhängig von ihrer Zulässigkeit und den kirchlichen Vorschriften von den Gerichten regelmäßig verwertet werden darf. Auch das Vorhaben, vom Recht auf Zeugnisverweigerung Gebrauch zu machen, sollte in jedem Einzelfall mit dem zuständigen Generalvikar oder Ordensoberen abgestimmt werden.

Auszug aus der DBK Nr. 222 vom Januar 2008

 

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