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RTL-Show „Die Passion“: Sternekoch liefert Fladenbrot

14. April 2022

Millionen Menschen haben sich die RTL-Show über den Leidensweg Christi angesehen. „Die Passion“ sorgte für Lachen und Weinen, im guten und im schlechten Sinne. Florian Helbig vom domradio.de ist vom Format nicht überzeugt. Es war eine Mischung aus der Schauspielkunst von „Berlin – Tag & Nacht“, populären Musikeinlagen wie beim ZDF „Fernsehgarten“ und einem Hauch von „Wetten dass…?“ (zwar ohne Wetten, aber immerhin mit Thomas Gottschalk und einem Außengeschehnis). Und auch viele weitere Promis haben sich zum mitmachen überreden lassen.

Jesus, gespielt von Alexander Klaws, dem ersten Sieger der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“, kommt zusammen mit seinen Jüngern mit dem Bus in Essen an, wandert durch die Straßen der Stadt und sitzt in einer Kneipe und trinkt Wein. Ein normaler Alltags-Jesus, der sogar mal zur Pommesbude geht und sich Fladenbrote und zweimal geschnittene Currywurst abholt. „Ich glaube, das lässt auch Menschen aufhorchen, die nicht viel mit Religion anfangen können“, erklärte der Passions-Jesus Alexander Klaws vor der Show zur Szene an der Pommesbude. Reiner Calmund hat dabei jedenfalls blöd geguckt. In der Szene steht Calmund selbst an der Pommesbude und isst, während Jesus seine Bestellung abholt.

Genauso blöd geguckt haben wahrscheinlich auch viele zu Hause vor dem Fernseher, als sie selbst nicht so richtig wussten, was sie da eigentlich gerade gucken. Später wird Jesus noch von Judas, gespielt von Mark Keller, an die Polizei verraten. Die kommt mit zig Autos und Blaulicht und verhaftet den Jesus, der dann später von Pontius Pilatus, gespielt von Henning Baum, auf der großen Bühne verurteilt wird. Zwischendurch werden immer wieder passende Popsongs von den Schauspielern gesungen – und auch von Maria, gespielt von Ella Endlich, die immer auffällig alleine ist, bis sie Jesus das letzte Mal zu sehen bekommt und auch da nur auf Abstand singt.

Wertevermittlung am leuchtenden Kreuz

Gleichzeitig beim „Außenereignis“, bemüht sich RTL-Moderatorin Annett Möller, die Glaubensgeschichten einiger Menschen auf der Straße mitzunehmen, während die gleichzeitig ein riesiges, weißleuchtendes Kreuz durch die Straßen Essens tragen. „Die Kollegen von RTL haben gesagt, dass es ihnen vor allem um die übergreifenden Werte gehe“, erklärte Dr. Theresa Kohlmeyer, vom Bistum Essen vor der Show. Wahrscheinlich waren diese kurzen Glaubenszeugnisse damit gemeint. Ein bisschen christlicher Glaube und ein paar christliche Werte konnte der Sender damit über den Bildschirm bringen und ans Publikum vermitteln. Das Bistum Essen war selbst nicht an der Gestaltung der Show beteiligt. Mit Religion sollte „Die Passion“ sowieso nicht viel zu tun haben. „Wir wollen die Geschichte frei von Religion sehen“, sagte Schauspieler Alexander Klaws. Jesus sollte im Hier und Jetzt gezeigt werden und „nicht als Gottheit“. Daran hat sich auch Erzähler und Showlegende Thomas Gottschalk größtenteils gehalten. Er hat immer die Handlung der Show mit der Geschichte der Passion verknüpft. Gut so, denn ohne die biblischen Einordnungen hätte die Sendung für die Zuschauer wahrscheinlich keinen Sinn ergeben.

Kirchliches Begleitprogramm

Obwohl die Kirchen nicht an der Entwicklung beteiligt waren, gab es ein Begleitprogramm. Vor Ort in Essen seien Kirchen geöffnet gewesen und eine seelsorgerische Begleitung habe stattgefunden. Aber auch online durch das Bonifatiuswerk gab es Begleitung. Dessen Leiter, Msgr. Georg Austen kündigte vorher an, selbst vor Ort in Essen die Show auf dem Burgplatz verfolgen zu wollen. Mit dem Showformat könne die Kirche „neue und mutige Wege gehen“ und die Menschen einladen, über das „österliche Geheimnis nachzudenken“. Für manche mag das tatsächlich so gewesen sein. Interessant ist hingegen, was Essens Bischof Franz-Josef Overbeck zur Sendung sagt. Der Bischof kündigte an, die Sendung auf jeden Fall zu gucken. Vielleicht überbrückte er dabei nur die Zeit bis zur Passionsgeschichte auf Arte. Die öffentlich-rechtliche Konkurrenz bot nämlich am selben Abend auch eine Passionsgeschichte an, den Film „Das Neue Evangelium“. Auch ein Passionsspiel, aber keine Show, sondern eine Mischung aus Doku und Fiktion, die immerhin vom katholischen Filmdienst empfohlen wird.

„Aus RTL austreten“

Auf Twitter wurde „Die Passion“ von RTL jedenfalls mit Humor gefeiert. Gebetet wurde da, dass sich die zuständige Landesmedienanstalt einschaltet. Gehofft wurde darauf, dass die Polizei Essen die Show beendet (und nicht nur den „Jesus“ abführt). Und Satiriker Jan Böhmermann will sogar einen Termin beim Amtsgericht machen, um aus RTL auszutreten. Insgesamt war die Sendung eine, für manche lustige, für andere grausame, typische Privatfernseh-Show mit Musik, Stars und vielen denkwürdigen Eindrücken.

Florian Helbig domradio.de | epd-bild, Friedrichx Stark | Lizenziert: imago-images.de

1 Rückmeldung

  1. King sagt:

    Botschaft Jesu ist zum Museum geworden

    Tolle Kulisse für das RTL Event „Die Passion“ am Essener Domplatz. Schön nachgespielt mit modernem Touch und Currywurst-Aktualität. Die Musik mag wohl berührend und tiefgreifend gewesen sein. Doch eine Übertragung und Aktualisierung auf das heutige Leben ist fehl am Platz. Das ist oft so mit der filmischen Darstellung der Passionsgeschichte in der Vergangenheit. Eine sozialkritische Betrachtung des Kreuzweg Jesu von HEUTE wird weggelassen. Oder man traut sich nicht an die Wirklichkeiten der Welt von heute heran? Die gesprochenen Bibeltexte sind zu sehr historisierend. Zeitgenössische Songs und Bibelzitate wirken wie ein Nebeneinander.

    Ein werbefinanzierten Privatsender hat sich der „Passion“ angenommen, diese als TV-Event inszeniert, „um vor allem seine erwerbswirtschaftlichen Ziele zu erreichen“, bemerkt Rainer Teuber, der sich als Museumspädagoge und Kirchenführer des Domes in Essen wohl auskennt. Der Essener Dom sei nur „eine schöne Kulisse“ gewesen, sagt er in einem Interview. „Auch wenn es ein Begleitprogramm rund um das TV-Event gab, haften bleibt zunächst vor allem eins: Der Essener Dom war eine schöne Kulisse.“

    Wahrscheinlich hätte Jesus bei den Obdachlosen und im Gefängnis seine Geschichte produziert bzw. erzählt. Er hätte das Brot der einfachen Leute genommen und nicht ein Fladenbrot eines Sternekochs. Er hätte „Werbung“ gemacht für die Nöte und Geschichten der Menschen. Wie sich Göttlichkeit im JETZT zeigen kann. SchauspielerInnen sind bei ihm die konkrete Menschen und keine VIP-Inszenierungen. Aber es ist wie bei vielen Menschen, allein die Musik und die Atmosphäre und ich selbst habe nichts damit zu tun. Unrealistisch die Abführung durch die Polizei zur Hinrichtung. Wie gehen wir mit jemanden um, der sich schuldig macht? Wer teilt heute „Brot“ und Leben? Ukrainische und russische Kreuzträger stellen eine Botschaft dar.

    Schade, dass sich nicht nur die Kirchen auf ihre althergebrachte Liturgie und ihre nicht mehr verstandenen Statussymbole konzentrieren. Das Nacherzählen mit „orangener Kleidung“ und Currywurst ist zu platt. Die Menschen leben längst ein anderes Leben. Sie haben sich entfernt von den Kirchen, aber nicht von ihren Lebenserfahrungen. Aber ob solch ein Event die Erfahrungen reflextiert, ist sehr fraglich. Man/frau ist hier und da noch fasziniert vom Museum Kirche und von manchen abgespaltenen hochstilisierten Bibelzitaten. Das war’s dann aber auch schon. Wie bei Weihnachten die Christmette für „U-Boot-Christen“ mit Wellness-Charakter. Alles andere bleibt beim Alten. Keine Aktualisierung ins HEUTE. Die Botschaft Jesu steht entgegen der steinernen Botschaft der Kirche und einer oberflächlichen Show. Sie dient leider nur noch als Kulisse. „Immerhin ist dadurch die Botschaft im Gespräch“, meinen einige. Na ja, wer weiß denn schon, wie was verinnerlicht werden mag…

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