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Richterin am Amtsgericht mit 26 Jahren

1. Juli 2019

Philipp Awounou | bento.

Es ist Dienstag und Katrin Wegele, 26, muss entscheiden, ob ein Mann ins Gefängnis kommt – oder nicht. Es ist alles gesagt: Die Zeugen sind vernommen, die Plädoyers gehalten. Jetzt ist es still. Minutenlang sitzt Wegele da, überlegt, wägt ab, notiert. Schließlich steht sie auf und verkündet ihr Urteil. Katrin Wegele ist Richterin am Amtsgericht der bayerischen Kleinstadt Nördlingen. 

Seit vergangenen August bearbeitet sie Strafsachen und Ordnungswidrigkeiten. Ihre Kollegin, Richterin Patricia Fink, ist zuständig für Zivilsachen – und sogar noch jünger. Als sie 2018 ihr Amt antrat, war sie erst 24. Richter stellt man sich anders vor: männlich und älter. Während der Frauenanteil im Richteramt gar nicht so niedrig ist –  44 Prozent – ist der Beruf tatsächlich massiv überaltert. Bis zum Jahr 2030 gehen 40 Prozent der über 28.000 Richter in Rente. Der Deutsche Richterbund warnte sogar schon davor, dass die Pensionswelle die Stabilität des Rechtsstaats gefähre. Denn der Nachwuchs ist knapp.

Das dürfte auch an der Besoldung liegen: 4210 Euro Bruttogehalt bekommen die Beamtinnen Fink und Wegele. In der freien Wirtschaft könnten sie als Juristinnen ein Vielfaches verdienen. Warum die beiden trotzdem Richterinnen sind, merkt man, wenn sie von ihrem Alltag erzählen. Fink sagt, der Job mache „unheimlich viel Spaß“. Die Zivilrichterin redet viel und lächelt noch öfter. Wenn Fink von einem Nachbarschaftsstreit erzählt, wirkt der auf einmal wie ein Krimi. Wegele spricht leiser, wirkt ruhiger. Aber auch sie wird leidenschaftlich, wenn es um den Job geht. Die beiden haben ihre Berufung gefunden.

Fink und Wegele gehörten schon immer zu den Schnellen. Beide wurden mit fünf eingeschult, beide zogen das Jura-Studium in sieben Jahren durch. Vom Hörsaal wechselten sie direkt in den Gerichtssaal. Oder eher: in die Zimmer 211 und 257. Die Büros von Fink und Wegele sind schlichte, funktionale Räume. Filzteppich, weiße Möbel, kahle Wände. Auf den Schreibtischen stapeln sich die Akten. Nur zwei Tage pro Woche verbringen sie im Gerichtssaal. Die übrige Zeit ist Büroarbeit zu tun. Sie verfassen Urteile, unterzeichnen Strafbefehle und bereiten die Sitzungen vor. Die größte Aufgabe einer Richterin sei die „Tatsachenermittlung“, sagt Fink. Also: Einen Fall überhaupt erst verhandlungstauglich zu machen. Mehr lesen…

 

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