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Petrus, so heißt doch kein Mensch. Ein Denk-Zettel

8. März 2021

Du wolltest doch nichts mehr schreiben. Wie oft hast du nicht schon gesagt: „Dies ist mein letztes Buch.“ Ja, und jedes Mal habe ich es auch ernst gemeint. Doch dann bin ich ungewollt wieder schwanger geworden. „So ebbes ist schnell passiert“, sagen die Schwaben. Jedes neue Buch ist auch ein Ausdruck von meinem inneren Druck, schreiben zu müssen. Vieles möchte aus mir ausbrechen. Ich kann es nicht für mich behalten, es muss heraus. Ich schreibe mir von der Seele, was mich beschäftigt, belastet, bedrängt, berührt, bewegt. Schreibend komme ich mir selbst auf die Spur, spüre dem Weg nach, den ich gegangen bin.

Als ich zur Welt kam, wollte meine Mutter, dass ich Paul heiße. So machte sich mein Vater mit dem Fahrrad auf den Weg zum Rathaus, um meine Geburt eintragen zu lassen. Zuvor ging er aber mit unserem Nachbarn Jan noch ein Pintje Bier auf seinen Sohnemann trinken. In unserer Straße, der Lepelstraat, gab es nicht weniger als 18 Wirtschaften. Nach seiner Kneipentour muss er dann auf dem Rathaus wohl die Apostel Petrus und Paulus verwechselt haben, denn er gab an, sein Sohn soll Petrus heißen. „Ein schöner Name“, sagte der Standesbeamte und auch Jan war voll dafür. Bei seiner Heimkehr behielt mein Vater alles, was da geschehen war, in seinem Herzen. So hatte meine Mutter keine Ahnung, wie ihr Paulchen wirklich hieß. Erst ein Jahr später entdeckte sie im Familienstammbuch meinen wahren Namen. Da las sie meinem Vater die Leviten, doch betont nüchtern sagte dieser zu allem Ja und Amen. Meine Mutter war ratlos und begab sich auf das Rathaus. Dort flehte sie den Standesbeamten an, aus dem Petrus einen Paul zu machen. Doch eher wird aus einem Saulus ein Paulus. Es blieb also weiterhin bei Petrus, aber meine Familie nannte mich weiterhin Paul. Bis zum heutigen Tag.

Statue des Apostels Petrus im Vatikan.

Der Heilige mit dem Schlüssel

Als Gefangenenseelsorger auf dem Hohenasperg habe ich beim Aufschließen der Zellentüren oft an den Heiligen mit den Schlüsseln gedacht. Ja, ich bin der Petrus. Und ich bin meinem Vater heute noch dankbar für seine krumme Tour durch die Lepelstraat. Aufgewachsen bin ich in Lommel, nicht Lümmel. In Lommel-Zentrum, bist du, Petrus, auch zuhause, in der „Sint Pieterskerk“. Dort war ich viele Jahre lang Ministrant. Unter deinen Augen habe ich das Weihrauchfass geschwungen, einmal so schwungvoll, dass die glühende Kohle herausflog und ein Loch in den goldenen Brokatmantel des Pfarrers brannte. Petrus, du warst auch schnell Feuer und Flamme. Doch als es dann heiß wurde, hattest du Angst, dir den Mund zu verbrennen. Dreimal hast du geschworen, dass du Jesus überhaupt nicht kennst. Immer eine große Klappe, aber im entscheidenden Moment klitzeklein. Ein übermütiger Angsthase. Und trotzdem hat Jesus dir die Schlüssel des Himmelreiches anvertraut und gewusst, dass sie bei dir in guten Händen sind.

Petrus heißt doch kein Mensch

Petrus, es ist nicht leicht, den Namen des höchsten Heiligen zu tragen. Mein Name löst oft nur Kopfschütteln aus. Und wenn ich am Telefon sage: „Hier ist der Petrus“, kann es sein, dass am anderen Ende jemand verärgert den Hörer aufknallt. „Ich lasse mich doch nicht ver…“ Als ich nach Deutschland kam und sagte, dass ich der Petrus bin, sagte man mir: „Petrus, so heißt doch kein Mensch.“ Wie oft wurde ich schon gefragt: „Heißen Sie wirklich Petrus?! Ja, ich heiße nicht nur so, ich bin Petrus. Ein gläubiger Zweifler. Ein Fels, der immer wieder ins Wanken gerät. Wegen deines breiten Schädels hat Jesus dir den Beinamen Kephas, Fels, gegeben. Wie ein Steinfels soll dein Dickschädel geglänzt haben.

Ich kann auch stur sein. Als ich im Gefängniskrankenhaus auf dem Hohenasperg sah, wie groß die körperlichen und seelischen Leiden der Aidskranken und HIV-Infizierten waren, wollte ich mich draußen der „Aussätzigen“ annehmen. Doch von einer eigenen Stelle für einen Aidsseelsorger wollte die Kirchenleitung in Rottenburg nichts wissen. Dadurch würde man die Krankheit nur aufwerten. Im Übrigen hätte auch die Evangelische Kirche keinen eigenen Aidsseelsorger. Wozu Ökumene doch gut sein kann. Doch ich ließ nicht locker, bis der damalige Bischof Kasper mich Anfang 1992 zum ersten Aidsseelsorger einer deutschen Diözese ernannte. Für die Medien war ich der Stuttgarter Aidspfarrer. Hinter meinem Rücken wurde gemunkelt: „Der hat wohl selber Aids.“ Manchen war es schon verdächtig genug, dass da einer freiwillig in den Knast geht. Und jetzt geht er noch zu Solchen. Ja, ich bin immer meinen Weg gegangen und darüber bin ich froh. Denn nichts ist schlimmer als sterben zu müssen, ohne sein Leben gelebt zu haben. I did it my way.

Im Gefängnis bin ich mir nahe gekommen

Petrus, du bist damals nach Rom gegangen und dort sollst du mit dem Kopf nach unten gekreuzigt worden sein. Nachfolge beginnt mit den Füßen und endet mit den Haxen im Himmel. Von dort oben hast du wohl auch mitbekommen, was aus der „Sache Jesu“ geworden ist, eine Kirche, die er so sicher nicht gewollt hat. Eine gutbürgerliche, geschlossene Gesellschaft, die viele Menschen ausschließt, ausgrenzt. Dabei wollte er doch gerade die Ausgesonderten, Ausgestoßenen in die Glaubensgemeinschaft eingliedern. Im Gefängnis, bei den Ausgeschlossenen, bin ich Jesus nähergekommen als durch mein Theologiestudium. Im Bunker, in der Isolierzelle habe ich ihn sagen hören: „Ich war gefangen und du bist zu mir gekommen.“ Und sonntags beim Knastgottesdienst ließ er durch mich vor der Kommunion sagen: „Kommet zu mir, alle die ihr mühselig und beladen seid. Ich stoße keinen zurück!“ Und so legte ich den Leib Christi in die Hand, die siebzehnmal zugestochen hat. Ich gab das Brot des Lebens in die Hand, die einen Menschen erwürgt, erdrosselt, erstochen, erschossen hatte. Auch der Kindesmörder ist ein Kind Gottes. Wie provokativ, ja skandalös die Botschaft Jesu ist, habe ich erst im Knast so richtig verstanden.

Zu rebellisch? Das habt ihr nicht verdient

Petrus, Jesus hat dich direkt zur Nachfolge gerufen. Ich war angeblich auch berufen und wollte Priester werden. Aber nach fünf Jahren im kleinen Priesterseminar wurde ich rausgeworfen, weil ich „einen verderblichen Einfluss“ auf die anderen hatte. Und als ich es mit 21 noch einmal im Seminar versuchte, wurde ich schon nach einigen Monaten vor die Tür gesetzt. „Zu rebellisch.“ Später war ich in Mainz und Speyer auch mehrere Jahre im Priesterseminar, aber der Speyrer Regens machte mir unmissverständlich klar: „Herr Ceelen, ich kenne in ganz Deutschland keinen Bischof, der Sie weihen würde.“ Allerdings war mir inzwischen selbst klar geworden, dass ich zum Zölibat sicher nicht geschaffen bin und ohne Frau nicht leben kann. Ohne meine Frau hätte ich meinen Weg nicht gehen können, sie stand mir stets zur Seite und ist mit zu den Aidskranken gegangen. Fast 52 Jahr lang sind wir miteinander durch Höhen und Tiefen gegangen. Wir haben uns beide immer gegenseitig Choupette genannt und nun haben wir auch den gleichen Lungenkrebs. So geht nun unser gemeinsamer Weg in absehbarer Zeit zu Ende. Im Moment wissen wir nicht, wer von uns beiden als erster zu Petrus geht.

Auf den letzten Gang begleitet

„Das habt ihr nicht verdient!“, hören wir von vielen Seiten. Ja, wer hat Krebs schon verdient!? Und es war auch nicht unser Verdienst, dass wir insgesamt viele gute Zeiten und schöne Jahre hatten. Dafür können wir nur dankbar sein. Und unsere Anne und Katrin sind wahrlich ein Geschenk des Himmels. Auch unsere Enkel Simon, Julia und Clemens tun uns so gut. Und beim Kartenspielen können wir immer noch viel lachen. Ohne unsere Kinder und Enkelkinder wäre alles sehr viel schwerer. Dankbar sind wir für die vielen Menschen, die jeden Tag an uns denken, mit uns fühlen, für uns beten, eine Kerze für uns anzünden, in einer Kirche oder Kapelle oder daheim. Einige stellen abends ein Licht für uns ins Fenster. Wie viele Frauen und Männer sind in unserer Lage, an die niemand denkt, um die sich niemand kümmert! Nicht wenige sind schon tot, lange bevor sie sterben. Wie viele Drogenabhängige, Gefangene, Aidskranke, Obdachlose habe ich beerdigt, die kein Leben vor dem Tod hatten. Manche haben sich in ihrer Verzweiflung selbst erlöst. Bei so mancher Trauerfeier war ich am Limit, meine Stimme brach ein, meine Tränen rannen nach innen. Doch gerade dort, wo ich auch an die Grenze. meines Glaubens stoße, begegne ich mir selbst und bin echt. Echt wahr, wahrhaftig. Und dann tue ich, was anderen gut tut: Die Verzweiflung in Worte fassen, aussprechen, was sprachlos macht. Sagen, was not tut.

Wie oft stand ich schon am Grab von einem Menschen, der nicht einmal halb so alt war, wie ich es heute bin. Wie viele Männer und Frauen habe ich auf ihrem letzten Gang begleitet, die jünger waren als ich? Und wenn ich an meine guten Freunde Jupp und Martin denke, die auf der letzten Strecke ihres Weges dement waren, hilft mir das, meinen Krebs mit seinen Metastasen anzunehmen. Auch wenn das mir zuweilen unsagbar schwerfällt. Denn wie gerne, lieber Petrus, hätte ich weiterhin in Belgien mein dunkles Petrus-Bier getrunken, in Eichenfässern gereift. Himmlisch. Nun werde ich mit Choupette auch keine Muscheln mehr am Strand sammeln können. Wie gut tat es uns, an der Nordsee jeden Tag neu das Kommen und Gehen des Meeres mit zu erleben, die Möwen, die Wellen, die Weite zu betrachten und die frische Meeresluft zu atmen. Musste ich denn so alt und krank werden, um zu begreifen, dass Ein- und Ausatmen das A und O ist?!

Ein Denk-Zettel

Petrus, ich hatte ein erfülltes Leben. Was war da nicht alles drin! Und nichts Menschliches war mir fremd. Wie du habe auch ich in die Abgründe des eigenen Herzens geschaut. Ich bin ein wahrer Wassermann, mit allen Wassern gewaschen, aber immer noch nicht ganz sauber. Das haben die anderen Apostel wohl auch von dir gedacht, als du auf dem Wasser laufen wolltest. Petrus, ich frage mich manchmal auch, ob es im Himmel überhaupt so schön sein kann wie hier auf Erden. Wie wunderbar ist es doch, auf der Welt zu sein! Ohne Zettel am Zeh ist jeder Tag ein guter Tag! DENK ZETTEL. Immer wieder gibt uns das Leben einen Denkzettel: Eine Diagnose, ein Unfall, ein merkwürdiger Zufall, ein Schicksalsschlag, der Verlust eines geliebten Menschen. Der Tod ist ja der große Denkzettel des Daseins. Bedenke Mensch, dass du sterben musst. Dein Leben hat ein Ende. Endlich leben, ja, das ist die Kunst. Erst recht, wenn du weißt, dass deine Tage gezählt sind.

Immer wieder denke ich an die aidskranke Chris, 43, nur noch Haut und Knochen. Sie fing jeden Tag mit einem Dankgebet an: „Herr, ich danke dir, dass ich heute noch leben darf.“ Vergessen habe ich auch Evi nicht. Sie bat jeden Abend: “Lieber Gott, bitte, bitte, schenk mir noch ein Jährchen, nur ein Jährchen noch. Lass mich bitte noch ein Mal den Frühling erleben. Ein einziges Mal noch möchte ich die Knospen aufblühen sehen, die Vögel zwitschern hören.“ Ja, Evi, jetzt ist Frühling … Jetzt erst nehme ich richtig wahr, wie unsere Sternmagnolie im Garten ihre Blüten öffnet. Jetzt gerade in dieser Karwoche. Nach Karfreitag kommt Ostern … Im Tod blüht uns das Leben. Geheimnis des Glaubens. Du Petrus, das Schreiben hilft mir, diese schwere Zeit zu überstehen. Es lenkt mich ab von meinem Schmerz. Mir gefällt es, Denkzettel aus meiner Lebensbibel zu einem bunten Heft zusammen zu heften. Dabei geht es mir nicht um Bibelauslegung, vielmehr darum, was mir bei einer bestimmten Bibelstelle in den Sinn kommt. Sicher schreibe ich dieses Abschiedsbuch auch, damit von mir nicht nur meine schöne Leiche übrigbleibt. Vielleicht ist auch mein Bedürfnis, Bücher zu schreiben, im Grunde nichts anderes als der eitle Versuch, mich selbst zu überleben. Auf jeden Fall ist dies mein letztes Buch. Schluss. Aus. Amen. Ende. Endgültig. Diesmal gilt´s.



DENK ZETTEL

Aus meiner bunten Lebensbibel
Mit Bildern von Karl Bechloch
144 Seiten, Dignity Press 15,80 €

Bestellungen hier…

So einfach ist das nicht mit dem Glauben

Sterben, wie geht das? Da gibt es keine Spickzettel. Jeder Mensch stirbt seinen eigenen Tod. Und wie viele haben schon gesagt: „Ich hätte nie gedacht, dass es so schwer ist.“ Und trotzdem haben es bisher alle geschafft. Das macht mir Mut. Und bis heute ist noch keiner zurückgekommen. Wenn das nicht zu denken gibt.
So bin auch ich, Petrus, am Ende meines Lebens guter Hoffnung, wie es meine Mutter damals schon vor meiner Geburt war. Sie hat mich im Krieg zur Welt gebracht und war eine äußerst eigenwillige, eigensinnige Frau. Das klingt so negativ, aber das Eigene ist das Eigentliche. Nicht wahr, Mutter? Wenn ich mich im Spiegel anschaue, blicke ich in dein Gesicht. Werden wir uns noch von Angesicht zu Angesicht sehen? Mutter, wenn ich wüsste, dass ich dich im Himmel wieder sehe, könnte ich mein Leben leichter loslassen und hinübergehen. Ja, wenn ich das nur wüsste … Du weißt, Petrus, so einfach ist das nicht mit dem Glauben … Dennoch möchte ich mich getrost darauf verlassen, dass unser Leben im Tod vollendet wird. Dann wird mir vollends klar werden, wozu ich auf der Welt war. Dann wird ans Licht kommen, was ich bisher nur erahnen kann. Und dann Petrus, reden wir beide noch mal miteinander, auf Augenhöhe, von Mensch zu Mensch. Ohne deinen heiligen Schein.

Als ich zur Welt kam, wollte meine Mutter, dass ich Paul heiße. So machte sich mein Vater mit dem Fahrrad auf den Weg zum Rathaus, um meine Geburt eintragen zu lassen. Zuvor ging er aber mit unserem Nachbarn Jan noch ein Pintje Bier auf seinen Sohnemann trinken. In unserer Straße, der Lepelstraat, gab es nicht weniger als 18 Wirtschaften. Nach seiner Kneipentour muss er dann auf dem Rathaus wohl die Apostel Petrus und Paulus verwechselt haben, denn er gab an, sein Sohn soll Petrus heißen. „Ein schöner Name“, sagte der Standesbeamte und auch Jan war voll dafür. Bei seiner Heimkehr behielt mein Vater alles, was da geschehen war, in seinem Herzen. So hatte meine Mutter keine Ahnung, wie ihr Paulchen wirklich hieß. Erst ein Jahr später entdeckte sie im Familienstammbuch meinen wahren Namen. Da las sie meinem Vater die Leviten, doch betont nüchtern sagte dieser zu allem Ja und Amen. Meine Mutter war ratlos und begab sich auf das Rathaus. Dort flehte sie den Standesbeamten an, aus dem Petrus einen Paul zu machen. Doch eher wird aus einem Saulus ein Paulus. Es blieb also weiterhin bei Petrus, aber meine Familie nannte mich weiterhin Paul. Bis zum heutigen Tag.

Petrus Ceelen

Ja, aber nein doch. Leben in Kurzfassung

Sie haben aber einen fetten Namen

Schreibe ich nur, um mich zu therapieren?

Tiefgreifend und lebensnah

Unverschämt katholisch

Ceelen: Erst im Knast so richtig verstanden

 

3 Rückmeldungen

  1. Ulrike Schmid sagt:

    Ein Buch voll DenkZettel

    In einem seiner Bücher schreibt Petrus Ceelen über die „letzten Dinge“: die letzte Feier, der letzte Wille, der letzte Wunsch, das letzte Hemd. Nun hat Petrus Ceelen wie er sagt sein letztes Buch geschrieben: „DenkZettel. Aus meiner bunten Lebensbibel“. Sein Abschiedsbuch, wie er es selbst nennt. Auf den ersten Blick findet die Leserin eine Sammlung von kleinen Texten, ein Text pro Seite, manche sind illustriert mit zarten, bunten Bildern, und jeder abgerundet durch ein Bibelzitat. Eine andere Lesart ist die von unten nach oben: Zuerst das Bibelzitat, Innenhalten, eigene Assoziationen kommen lassen, den Text lesen, nachdenklich werden, lachen, betroffen sein, Trauer spüren, Leben spüren, sich selbst spüren.

    Petrus Ceelen versteht mit Worten und Gedanken zu spielen, aus Denkzetteln entsteht ein Buch, DenkZettel eben. Er ist politisch, kirchen- und selbstkritisch, authentisch, glaubwürdig, klar, Position beziehend. Tiefgründig, doppel- und mehrbödig, aufdeckend und legt den Finger in die Wunde. Nie von oben herab, sondern auf Augenhöhe. Ein Mitmensch, voll Nächstenliebe. Petrus Ceelen assoziiert zu Bibelstellen, die seine Lebensbegleiter waren und sind – „aus seiner bunten Lebensbibel“ – und verdichtet Erfahrung, Emotion, Wissen und Erkenntnisse zu Texten. Dabei geht es ihm nicht um eine Auslegung der Bibelstellen. Vielmehr geht es darum, womit er diese Worte verbindet. Um sein gelebtes Leben, Begegnungen mit und Begleitung von Menschen, vielen davon „am Rande“ der Gesellschaft. Die Texte sind Ausdruck von Liebe, Schönheit, Trauer, Zweifel, Verzweiflung, Enttäuschung, Hoffnung und oft voll Humor.

    Wer das Buch an einem Stück liest, ist vielleicht zu Beginn erstaunt über die Einfachheit, über eine augenscheinliche Binsenweisheit, die daherkommt. Doch Schritt für Schritt verdichten sich die Texte zu einem Ganzen, tief reflektierten Lebensrückblick, wie ein Vermächtnis, ein echtes Geschenk an uns, die wir zurückbleiben, wenn Petrus geht. Ein Abschiedsbuch, das entstand während Petrus` Abschiednehmen von seiner geliebten Frau Christiane. Gleichzeitig ist es auch ein Abschiednehmen vom eigenen Leben, denn Petrus Ceelen schreibt als selbst an fortgeschrittenem Krebs Erkrankter, der dem Tod ins Auge blickt. Eingeleitet wird das Buch mit einem Zwiegespräch von Petrus zu Petrus, dem himmlischen Petrus. Petrus, du bist ein Geschenk des Himmels! Danke.

    Palliative care

  2. Thile Kerkovius sagt:

    Von Einem, der ganz bei Trost ist!

    „Denk Zettel“ nennt Petrus Ceelen sein neues und letztes Buch. Wirklich sein letztes? Abschiedsbuch nennt er es selbst und mit dem Hinweis auf seine eigene Krebserkrankung im wunderbaren autobiographischen Eingangskapitel muss man befürchten, dass es diesmal wohl wahr werden wird. Grenzgänger wurde er einmal genannt. Das beschreibt er hier im Gedicht „An der Grenze“. Seine Bücher begleiten mich seit vielen Jahren – weil er selbst uns viele Jahre begleitet hat bei unserer Arbeit im Hospiz Maria Frieden. Beim Lesen seiner Bücher konnten wir ihm immer zuschauen, wie man als Grenzgänger mit den vielen eindrücklichen und auch belastenden Erfahrungen gut umgehen konnte und trotz aller Tragik und Belastung, Mut und Zuversicht aus diesen Erfahrungen schöpfen konnte. Das tat gut.

    All das findet sich in seinem neuen „Denkzettel-Buch“ nochmal in komprimierter Form wieder. Sein warmherziger und humorvoller Rückblick auf die eigene Herkunft und Familiengeschichte, zum Teil in einem Petrus-Dialog untergebracht, berührt und beim Lesen der wunderbaren Gedichte(?), Aphorismen(?), Sinnsprüche(?) oder sinnvollen Gedichte wird man lebendig: Nachdenklich, muss oft schmunzeln, betroffen, muss zuweilen schallend lachen, manchmal auch traurig, fassungslos…. Leben eben. Und niemanden werden diese Sinnsprüche kalt lassen, viele berühren uns sehr unmittelbar und tief in der Seele.

    In einem seiner Afrikabücher hat Henning Mankell den wunderbaren Satz geschrieben: „In der Nähe des Todes wird das Leben immer sehr deutlich.“

    Petrus Ceelen zeigt uns in diesem Buch wieder auf seine Weise, was dieser Satz bedeuten kann. Im Angesicht des Todes – sein Denk Zettel im gleichnamigen Gedicht in diesem Buch ist ja auch der Namenszettel am Fußzeh des aufgebahrten Verstorbenen – gelingt es ihm, lebhaft und sehr lebendig über das Leben nachzudenken. Als Grenzgänger in den Grenzbereichen unseres Lebens wird bei ihm, ohne dass er das Bedrückende und Beängstigende verschweigt, das zutiefst Menschliche, auf das man da trifft, deutlich und erfahrbar. Das ist tröstlich und vielleicht kann man dieses Buch deshalb auch ein Trostbuch nennen. Man ist geneigt, dieses Buch wie ein Vermächtnis zu lesen. Mir hilft es dabei, mich langsam mit dem Abschied von Petrus Ceelen anzufreunden.

    Ehemaliger Leiter vom Haus Maria Frieden in Oberharmersbach im Schwarzwald

  3. 📚 sagt:

    Eine Stimme auf dem Buch-Cover

    „Petrus, der Rückblick auf dein Leben, wie deine Texte seit jeher: humorvoll, ehrlich und tiefgründig, dass einem beim Lesen die Worte fehlen, dafür die Augen feucht macht – man merkt, der redet vielleicht ja von mir selber.“ Wolfram Kaier

    Wolfram Kaier, katholischer Pastoralreferent, war 15 Jahre lang im Knast. Im Haller Jugendvollzug, dem „Kocherhotel“, wie es im Volksmund bezeichnet worden ist. Der Neubau der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Hall wurde im April 1998 als Ersatz für die seit 1884 bestehende, direkt in der Altstadt von Schwäbisch Hall am Kocher gelegene Anstalt in Betrieb genommen. Seine letzten beiden Dienstjahre verbrachte er im Neubau der Stadtheide in Schwäbisch Hall. Heute wird das alte Gefängnis als „Haus der Bildung“ genutzt.


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