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Palmasola Gefängnisstadt im Tiefland Boliviens

1. März 2019

„Centro de Rehabilitacion“ – in Großbuchstaben prangt der Name der Gefangenenstadt von Palmasola über dem Eingangstor: Zentrum für Wiedereingliederung. Das Gefängnis ich liegt etwa zehn Kilometer südlich des Stadtzentrums im bolivianischen Santa Cruz de la Sierra im Ortsteil Palmasola. Das Gefängnis liegt im „kilometro 10“, dem 10. Ring vom Stadtzentrum aus gezählt.  Hier sitzen rund 3000 verurteilte Kriminelle und Untersuchungshäftlinge ein.

Ein Staat im Staate – für den niemand mehr Interesse aufbringt als eben nötig. Eingeschlossen von einer doppelten Mauer und mit Stacheldraht abgeriegelt, sind die Häftlinge in Palmasola weitgehend sich selbst überlassen. Sie verwalten sich auch selbst – denn die Behörden beschränken sich fast ausschließlich auf eine Bewachung von außen. Die Infrastruktur gleicht der einer Kleinstadt: Restaurants, ein Fitnessstudio, ein Friseurgeschäft und ein Fußballplatz. Innerhalb der Mauern leben die Gefangenen ein Leben in einer anarchischen Parallelwelt – gemeinsam mit ihren Familienangehörigen. Das Gesetz erlaubt den Häftlingen, Kinder unter sechs Jahren mit ins Gefängnis zu nehmen.

Ganze Familien inhaftiert

Diese Kinder sind ein Grund, aus dem sich die Steyler Missionare in Palmasola engagieren. Gemeinsam mit zwei Lehrerinnen, einer Psychologin, einer Ärztin und mehreren inhaftierten Frauen betreiben sie hier eine Kindertagesstätte, in der sie die jüngsten Bewohner der Häftlingsstadt betreuen. Viele der Kinder seien traumatisiert, verhaltensauffällig und aggressiv, gezeichnet von den Problemen ihrer Eltern, von Ängsten und dem Alltag hinter Gittern, berichtet Schwester Magdalena, die Leiterin der Tagesstätte. Alltag in Palmasola, das heißt Drogen, Gewalt und Bandenkriminalität. Viele Häftlinge sitzen wegen Verstößen gegen Boliviens Drogengesetze ein; aber auch Vergewaltiger und Mörder sind unter den Gefangenen. Das Lieblingsspiel der Kinder sei Räuber und Gendarm, erzählt Schwester Magdalena – wobei alle Kinder die Räuber sein wollten.

Kindertagesstätte im Gefängnis

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Die Steyler Missionarin und ihr Team versuchen, den Kindern eine geistige Flucht aus diesem Gefängnisalltag zu ermöglichen. Sie basteln, singen, malen und lachen mit ihnen – so wie in jedem anderen Kindergarten auf der Welt. Darüber hinaus bekommen die Kinder frisch zubereitete Mahlzeiten. Das sei besonders wichtig, da die Versorgung der Gefangenen hauptsächlich aus gekochten Schlacht- und Lebensmittelabfällen bestehe, so die Schwester. Obst und Gemüse stünden so gut wie nie auf dem Speiseplan; Mangelerscheinungen seien an der Tagesordnung.

Von den rund 10000 Strafgefangenen in Bolivien leben 3000 in Palmasola, das nicht nur als größtes, sondern auch als konfliktreichstes Gefängnis des Landes gilt. Ein Grund dafür ist die Überfüllung: Auf rund 40 Quadratmetern schlafen bis zu 50 Menschen. Immer wieder kommt es zu Unruhen unter den Häftlingen. Vor rund zwei Jahren fingen bei Ausschreitungen die strohgefüllten Matratzen Feuer. 700 Polizisten versuchten über Stunden hinweg, den riesigen Brand zu löschen. 35 Menschen kamen ums Leben, darunter 3 Ausländer und ein 18 Monate altes Kleinkind.

 

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