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Nicht erschüttern lassen von pessimistischen Prognosen

10. Januar 2021

In einer Zeit der Schwarzseher und Hellseher, die beide eine apokalyptische Zukunft beschwören, haben wir den Engel der Zuversicht bitter nötig. Prophezeiungen, die das Ende der Welt verkünden, haben momentan Hochkonjunktur. Natürlich kann keiner dafür garantieren, dass unsere Welt noch lange im Gleichgewicht bleibt und die menschlichen Verrücktheiten überlebt.

Es müssen nicht Engel mit Flügeln sein. Foto: Michael King

Aber die Lust, den Untergang zu prophezeien, sagt mehr über die Psyche der selbst ernannten Propheten als über die Realität unserer Welt aus. Weil sie ihr eigenes Leben als Katastrophe erleben und unbewusst den Wunsch hegen, dass dieses verpfuschte Leben möglichst bald zu Ende geht, projizieren sie ihre eigene Situation in die Welt hinein und erwarten möglichst bald den Weltuntergang. Ihre innere Destruktivität drückt sich darin aus, dass sie sich den Weltuntergang in den höllischsten Farben ausmalen. Da die Angst vor der Zukunft heute weit verbreitet ist, treffen solche falschen Propheten eine empfindliche Stelle in der menschlichen Seele und gewinnen so Macht über viele ängstliche Menschen.

Zuversicht kommt von „sehen“

Der Engel der Zuversicht schenkt uns Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft. Zuversicht kommt von sehen, mit den Augen verfolgen, was geschieht. Zuversicht meint, dass ich zusehe, wie Gott alles lenkt und leitet, wie er seine Engel aussendet, um diese Welt nicht dem Unheil zu überlassen, sondern alles zum Guten zu wenden. In solcher Zuversicht lasse ich mich nicht erschüttern von pessimistischen Prognosen. Ich setze auch keine rosarote Brille auf, um der Wirklichkeit aus dem Weg zu gehen. Ich mache mir keine Illusionen über den Zustand der Welt. Ich erkenne, was ist. Aber ich bin trotzdem zuversichtlich. Denn ich weiß, dass diese Welt in Gottes und seiner Engel Hand ist, dass die Menschen keine letzte Macht über diese Welt haben.

Die Zuversicht sieht mehr als das bloß Vorhandene. Sie sieht mehr als die Probleme, die die Schlagzeilen der Presse bestimmen. Sie sieht zusätzlich zu allem Äußeren die innerste Wirklichkeit aller Dinge, sie sieht zur Welt hinzu Gottes Engel, die mit uns durch diese Welt gehen und die ihre schützende Hand über unser Land und unsere Erde halten. Der Engel der Zuversicht hat die Psalmbeter seit jeher begleitet. Da betet der Psalmist in Ps 34,8: „Der Engel des Herrn umschirmt alle, die ihn fürchten und ehren, und er befreit sie.“ Und in Ps 91,11 f: „Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf ihren Händen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt.“

Vertrauen ins offene Meer

Marie Luise Kaschnitz, die Dichtern der „Engelsbrücke“, erzählt eine Geschichte, die diese Zuversicht veranschaulicht: die Geschichte vom Schiffsbesitzer Giovanni di Mata. Dieser gab den Korsaren sein ganzes Geld, um Gefangene freizukaufen. Als er mit den Ausgelösten in See stechen wollte, forderten die Seeräuber noch mehr Geld. Und da er ihre Forderung nicht erfüllen konnte, zerschlugen sie ihm Mast und Steuer und rissen die Segel in Fetzen. Trotzdem gab Giovanni di Mata das Signal zur Abfahrt. Zum großen Erstaunen der Korsaren setzte sich das Schiff auch ohne Mast, ohne Segel und Steuer langsam in Bewegung und erreichte das offene Meer.

Eigentlich sollte die Geschichte „Zehn Jahre nach dem großen Krieg“ heißen. Doch Kaschnitz verwarf den Titel. Er war ihr zu rückwärtsgewandt. So nannte sie den Text „Engelsbrücke. Römische Betrachtungen.“ Ihre Beobachtung, dass der Engel auf der Engelsburg sein Schwert in die Scheide steckt, so nachdrücklich, als gelte es nicht nur der Pest des Mittelalters, sondern auch allen Kriegen und Schrecken ein Ende zu setzen, stimmte sie um.

So wird dem Zuversichtlichen das Wissen geschenkt, dass ein Engel uns wie ein Schirm umgibt, ja dass er uns auf Händen trägt, so dass wir sicher über Löwen und Nattern schreiten können. Er glaubt, dass ein Engel für ihn zusieht, dass ihm nichts Böses schaden kann. Er geht nicht blind durch die Welt. Er sieht durchaus, was da an Gefahren lauert. Aber er weiß sich begleitet von seinem Engel, er weiß sich umschirmt und getragen. Er weiß, dass er nicht eine bloße Nummer ist, der Willkür des Schicksals ausgesetzt, sondern dass ein Engel mit ihm geht und für ihn sorgt, dass ein Engel ihn befreit aus all seinen Ängsten.

Auszüge aus: Anselm Grün, 50 Engel für das Jahr, Ein Inspirationsbuch, S. 49-51

 

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