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Debatte um Missbrauch wird weitergehen

16. November 2018

Eigentlich hatte das Thema der Katholischen Gefängnisseelsorge in Deutschland e.V. auf ihrer Studientagung im September 2018 in Ludwigshafen nichts mit der Missbrauchsdebatte zu tun, sondern das Tagungsthema hieß: „AndersSein am AndersOrt“. Aber dennoch war es das Subthema der ganzen Tagung, denn zeitgleich war die Versammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Fulda.

Der Bericht zum Stand der Missbrauchsdebatte innerhalb der katholischen Kirche mit 356 Seiten wurde an diesem Tag offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt. Kardinal Reinhard Marx gab eine Pressekonferenz und es stand auf jeder Titelseite. Am eindrücklichsten zu dem Thema war bei der Tagung die Vesper mit Generalvikar Andreas Sturm vom Bistum Speyer. Er wisse gar nicht, ob er heute predigen könne und er hätte sich einen Tausch der Rollen gewünscht: „Vielleicht hätten sie mir heute eine Predigt halten sollen.“ Er erzählte, dass er erst seit August im Amt sei, er sich überrollt fühle und er noch gar nicht abschätzen könne, was alles noch passiere angesichts der Missbrauchsdebatte. Und dann er erzählt er, dass er noch heute Nachmittag einen Priester suspendieren musste – er sei ihnen durchgerutscht.

Die Worte des Mannes wirkten ehrlich, seine Erschütterung echt. Wiewohl man sich fragen kann, was er denn bei Antritt seines Amtes erwartet habe – so neu ist diese Debatte nicht. Ich entsinne mich noch gut, dass es sehr schwierig war, eine kräftigere Stellungnahme zu der SV-Gesetzgebung zu machen. Einsatz für Sexualstraftäter – die eindeutig größte Gruppe in der SV – angesichts einer „eigenen“ Missbrauchsdebatte war schon 2011 kaum möglich. Irritierend für alle war das Marienlied zum Schluss der Vesper mit dem Titel „Maria breit den Mantel aus“ (GL 534).

In den Gesprächen am Abend – auch mit dem Vertreter des Sekretariates der Deutschen Bischofskonferenz – wurde deutlich, dass die seit zig Jahren auf und unter dem Tisch gelegenen Dauerbrenner auf den Prüfstand gehören: Der Zölibat, das Auswahlverfahren bei den Priestern, die Ausbildung der Priester, in der das Thema Sexualität schlicht nicht vorkommt, die strikte Hierarchie innerhalb der Katholischen Kirche. Der Bericht der Deutschen Bischofskonferenz benennt 1670 priesterliche Fälle. Missbrauch kommt aber in allen Bereichen und in verschiedenen Berufsgruppen in und außerhalb der Kirche(n) vor.

Von einigen KollegInnen wurde auf der Mitgliederversammlung gefordert, wieder mehr zu politischen Themen Stellung zu nehmen. Es bleibt ein Apell, der zurzeit wenig Aussicht auf Aufmerksamkeit hat. Die Katholische Kirche wird in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur noch mit dem Missbrauch identifiziert. So gesehen ist das öffentliche Nichtinteresse an der Katholischen Gefängnisseelsorge auch ein Kollateralschaden dieser Debatte.

Ach ja, das offizielle Thema „AndersSein am AndersOrt“. Im Prinzip ist es die Frage nach unserem sich wandelndem Ruf im System Gefängnis. Auch hier spielt dieses Thema neben anderen eine nicht unwichtige Rolle, wie aber genau, bleibt offen. Die Debatte um den Missbrauch wird weitergehen. Wir werden die Auswirkungen beobachten und zu spüren bekommen. Vielleicht hätten sie Eugen Drewermann doch nicht des Lehrstuhls verweisen sollen, der in seinem Buch „Kleriker – Psychogramm eines Ideals“ schon vor Jahrzehnten die Frage aufwarf, wie jemand beschaffen sein muss, um in diesem System zu arbeiten.

Adrian Tillmanns | JVA Werl

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