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Beim König in Gnaden: Gefangenenpatron Leonhard

12. Juli 2020

Der Heilige Leonhard wird als  „Bauernherrgott“ im Alpenland verehrt. Dabei war seine Herkunft weder bäuerlich noch alpenländisch: Leonhard lebte in Frankreich, seine adlige Familie gehörte zum Hof der Merowinger. Der Sohn wurde von Erzbischof Remigius von Reims getauft und unterrichtet, bekam später sogar ein Bistum angeboten – doch Leonhard schlug es aus. Er wollte lieber in der Einsamkeit des Waldes ausschließlich Gott dienen. Von dort aus heilte er Kranke und unterstützte Arme. Besonders am Herzen lagen ihm die Gefangenen, die er regelmäßig im Kerker besuchte. Oft soll allein sein Gebet ihre Fesseln gesprengt haben.

Leonhards Lebensgeschichte wurde im 11. Jahrhundert in der Historia des Ademar von Chabannes aufgezeichnet. Leonhard wurde in der Provinz Gallien geboren, in der Nähe von Limousin im heutigen Zentralfrankreich. Sein Taufpate war der Frankenkönig Chlodwig (+ 511), der das Merowingerreich begründet und selbst erst durch seine Frau das katholische Christentum angenommen hatte. Die Eltern Leonhards kamen aus der weitverzweigten Familie Chlodwigs. Sein Vater hatte unter der Palastwache des Königs eine führende Stellung. Auf diesen Aufzeichnungen Ademars beruhen alle späteren Lebensbeschreibungen des Heiligen Leonhard. Eine der schönsten Fassungen der Legende von Leonhard geht dabei auf Jacobus de Voragine (+ 1298) zurück, dem Dominikanermönch und Erzbischof von Genua:

Vom heiligen Remigius, dem Erzbischof von Reims, wurde Leonhard getauft. Der lehrte ihn im Glauben. Leonhard selbst war beim König in solchen Gnaden, dass alle Gefangenen, die er besuchte, bald freigelassen wurden. Da nun der Ruf seiner Heiligkeit wuchs, bat ihn der König, dass er bei ihm bleibe, damit er ihm zur rechten Zeit ein Bistum geben könne. Das lehnte er aber ab, denn sein Sinn stand nach Einsamkeit. Darum ließ er alles zurück und zog mit seinem Gesellen Liphardus nach Orleans. Dort lebten sie einige Zeit in einem Kloster. Danach trennten sie sich, denn Liphardus wollte an den Ufern der Loire als Einsiedler leben. Leonhard aber wollte auf Mahnung des Heiligen Geistes in Aquitania predigen. So predigte Leonhard, tat Wunder und wohnte in einem Wald nahe bei der Stadt Limoges. Da war auch ein Schloss des Königs für die Jagd gebaut worden.

Bronzetafel als Ehrung für GefängnisseelsorgerInnen.

Es geschah eines Tages, dass der König dort jagte und die Königin aus Kurzweil mitgefahren war. Da bekam sie Geburtswehen und war in großen Nöten. Der König und sein Gesinde klagten darüber und da Leonhard zufällig durch den Wald ging, hörte er die Stimmen der Klagenden und ging in großem Mitleid dorthin. Da der König ihn rief, trat er zu ihm ein. Der König fragte ihn, wer er wäre. Als er hörte, dass er ein Jünger des heiligen Remigius gewesen sei, gewann er Vertrauen. Denn er glaubte, dass ihn der große Meister viel gelehrt haben müsste. So führte er ihn zur Königin und bat ihn, dass er ihm mit seinem Gebet sein Weib wiedergebe und bei der Geburt seines Sohnes helfe und ihm so zweifache Freude spende. Da betete der Heilige und seine Bitte wurde gewährt.

Der König bot ihm einen großen Schatz an Gold und Silber, aber er wollte es nicht nehmen und mahnte ihn, dass er es den Armen geben sollte. Er sprach: ,Von allem diesem brauche ich nichts; ich begehre nichts anderes, als allein in einem dieser Wälder zu wohnen, fern von allen Schätzen der Welt, und möchte nur Gott dem Herrn dienen.‘ Da wollte ihm der König den ganzen Wald geben. Er aber sprach: ,Den ganzen Wald mag ich nicht nehmen, ich begehre allein soviel, als ich in einer Nacht mit meinem Esel umreiten kann.‘ Das gewährte ihm der König mit Freuden. So baute er sich an der Stätte ein Kloster und lebte dort mit zwei Mönchen, die sich zu ihm gesellt hatten, in großer Enthaltsamkeit. Da aber das Wasser von ihnen eine Meile entfernt war, ließ der Heilige einen trockenen Brunnen in die Tiefe graben; und als er betete, wurde er voll Wasser. Die Stätte selbst nannte er Nobiliacum, weil sie ihm von einem edlen König gegeben worden war. Dort wirkte er große Wunder.

Wenn er einen Gefangenen mit Namen im Gefängnis anrief, so rissen dessen Fesseln sogleich und er ging frei davon, ohne dass ihn jemand hindern konnte. Der Gefangene kam dann zu dem Heiligen und brachte ihm seine Fesseln oder Ketten dar. Viele dieser Befreiten blieben bei ihm und dienten dem Herrn. Zuletzt fuhr der Heilige Leonhard auf zum Herrn, strahlend durch so viele Tugenden. Es geschahen an dieser Stelle noch viele Wunder. Doch wurde den Klerikern seiner Kirche zuletzt offenbart, dass sie ihm an einem anderen Ort eine Kirche bauen sollten, denn die Stätte war für den Zudrang des Volkes zu klein. Mit Würde sollten sie seinen Leichnam dorthin überführen. So fasteten und beteten sie mit dem Volk drei Tage lang und als sie aufsahen, war überall Schnee gefallen, bis auf die Stelle, wo der Heilige Leonhard ruhen wollte. Dahin überführten sie den heiligen Leichnam. Wieviel Wunder der Herr an den Gefangenen durch ihn wirkte, das bezeugen die unzähligen eisernen Ketten, die vor seinem Grab aufgehängt sind.


Brauchtum und Verehrung

Der eigentliche Leonhardskult begann, nachdem im 11. Jahrhundert seine Reliquien öffentlich ausgestellt wurden. Von Frankreich verbreitete er sich rasch nach Süden und Osten, was auch mit den Kreuzzügen zusammenhängt, in denen Leonhard als Patron der Gefangenen eine besondere Bedeutung als Fürsprecher zukam. In dieser Eigenschaft und später auch als Patron der Pferde und des Hornviehs wurden ihm hauptsächlich eiserne Weihegaben wie Hufeisen und Ketten dargebracht. Heute werden ihm vor allem Votivtafeln und Kerzen gestiftet. Seine Verehrung zeigt sich in Altbayern in den großen Leonhardifahrten. Ebenso ist der Leonhardiritt mit Pferden im baden-württembergischen Weingarten bekannt. Leonhard´s Gedenktag ist der 6. November.

Darstellung, Attribute, Patronate

In der Kunst wird Leonhard früh dargestellt. Vom Ende des 13. Jahrhunderts stammt die Plastik aus dem Würzburger Dom, die Leonhard mit seinen maßgebenden Attributen zeigt: Abtstab, Kette und Buch. Sein Urpatronat ist der Schutz der Gefangenen. Daraus und aus seiner Lebensbeschreibung entwickelten sich alle anderen Patronate: Patron der Gebärenden; Patron der Geisteskranken – auch sie wurden früher in Ketten gehalten; Patron all derer, die „in mancherlei Bande verstrickt sind“ – Leonhard als Nothelfer schlechthin; Beschützer der Tiere. Als Viehpatron wird er in Bayern zum „Bauernherrgott“, zum Helfer in allen Situationen des bäuerlichen Lebens, die Gefangenenkette wird zur Viehkette, zu seinen Füßen erscheinen Pferd und Rind.

Dr. Birgitta Klemenz | Erzbistum München-Freising

 

1 Rückmeldung

  1. Uli Gröne sagt:

    Die Beiträge sind sehr lesenswert. Endlich mal Informationen über die Konferenzthemen bzw. den inneren Zirkel hinaus. DANKE! Als Ergänzung möchte ich darauf hinweisen, dass die große Frau Maria Magdalena auch als Patronin der Gefangenen gilt. Dazu sende ich „Ein gutes Wort“ zu, welches wöchentlich auf der Internetseite des Pastoralen Raumes „Am Hagener Kreuz“ [https://am-hagener-kreuz.de] veröffentlich wird.

    An dieser starken Frau Maria Magdalena, dessen Fest wir am 22. Juli feiern, wird für mich die Wirkmacht Gottes durch Jesus deutlich. Der Therapeut Jesus (altgr. Therapeutes = Pfleger; Heiler) heilt an Leib und Seele und gestaltet einen neuen Menschen. Fragen wir uns nicht manchmal und in diesen Pandemie-Zeiten öfters, hilft Gott eigentlich und hört und erhört Gott mein Gebet?

    Ich sage ja! Er hilft anders als wir es uns vorstellen. Ich entnehme dies der Bibel und näherhin dem Leben von Maria Magdalena und erfahre dies durch Menschen, denen ich im Gefängnis begegne. So wünschte ein alleinerziehender Mann dieser Tage ein Gespräch über seine Lebenssituation. Nachdem ich nun nach einigen Gesprächen seine Lebensgeschichte kenne, bewundere ich diesen Mann, was er trotz schwerer Schicksalsschläge alles geleistet hat. Er selbst führt es darauf zurück, dass Gott ihm durch Jesus diese Hoffnung und nötige Kraft geschenkt habe. Besonders beeindruckt hat mich der Satz: “Ich kann jetzt zweckfreier lieben und benutze die Menschen nicht mehr.“

    Ja, wir brauchen neue Männer und neue Frauen mit einer neuen Liebe. Maria Magdalena und der Mann lieben neu. So wie es der Psychoanalytiker Erich Fromm (*1900 +1980) in seinem Klassiker „Die Kunst des Liebens“ ausdrückt: Unreife Liebe sagt: „Ich liebe dich, weil ich dich brauche.“ Reife Liebe sagt: „Ich brauche dich, weil ich dich liebe.“ In diesem Sinne einen liebe-vollen Sonntag.

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