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Kopfkino – Ohne Schnörkel Geschichten aus dem Knast

24. März 2019

Corina Gutmann, Leiterin der thüringischer Stadtbibliothek Greiz, ist seit vielen Jahren hochengagiert in Sachen kulturelle Vielfalt in der Region wie auch in der Gefängnisarbeit. Sie arbeitet in der JVA Hohenleuben mit Häftlingen. Aus ihren Workshops ist die Anthologie „Kopfkino“ entstanden, die Lyrik, Prosa, Kurzgeschichten, aber auch einen Songtext beinhaltet und die Workshoparbeit in zahlreichen Fotografien abbildet. Ein Interview mit der Herausgeberin.

Corina, was war Deine ursprüngliche Motivation, Dich ausgerechnet in der Gefängnisarbeit zu engagieren?

Das passierte eher zufällig, damals zu Zeiten ohne Smartphone etc. kamen die Freigänger in die Greizer Bibliothek und nutzten die Internet-Arbeitsplätze. Na und mit der JVA-Beamtin Anke Hartmann arbeitete ich schon länger zusammen. Und wenn zwei Kreative die Köpfe zusammen stecken, entsteht etwas… Zwei Wochen später führten wir im Knast einen Vorlesewettbewerb durch und bald folgte Poetry Slam. Tja, und wenn man einmal dabei ist…

Du kommst im Rahmen dieser Arbeit mit verschiedensten Menschen zusammen. Ist es angesichts dessen und der Bedingungen leicht, eine kreativ schöpferische Arbeit zu koordinieren?

Das ist eine Parallelwelt und doch ist es genauso wie „draußen“. Der Anstaltsleiter (mittlerweile der Dritte) muss hinter dieser Arbeit stehen. Und man braucht in der Einrichtung einen Partner, mit dem man vertrauensvoll und auf Augenhöhe arbeiten kann. Das ist Anke Hartmann, einfach unglaublich gut, wie wir zusammen funktionieren. Und dann bin ich immer auf Sponsoren- und Künstlersuche für die Projekte. Das gleicht der Polarisierung in der öffentlichen Wahrnehmung, Begeisterung pur oder totale Ablehnung. Die Koordinierung ist im Knast natürlich aufwendiger, da geht es zum Beispiel um Sicherheit.

Wie kann man sich eine solche Workshoparbeit vorstellen?

Es geht um erwachsene Menschen, die Basis ist Freiwilligkeit. Also für mich ist das genau so wie „draußen“, man stellt sich vor und tastet sich heran und man weiß genau, wenn es nicht passt, kommt keiner mehr. Anders ist im Knast die Intensität. Es gibt keine Ablenkung zwecks Telefone oder Internet, da wird schon intensiver gearbeitet. Und bitteschön, das sind erwachsene Männer, „draußen“ arbeite ich doch eher mit Jugendlichen. Vertrauen und Respekt sind ganz wichtig.

Wie viele der Inhaftierten sind unverbesserlich, „mitgehangen und reingerutscht“ oder bereuen sie ihre Fehler, um sich in Zukunft ein anderes und besseres Leben aufzubauen?

Dazu bin ich nicht aussagefähig. Die Gefangenen erzählen mir während der Projekte oder als Justizhelferin von ihren Straftaten – oder nicht. Und fest steht auch, nicht jeder wird bei solchen Projekten mitmachen. Also ehrlich, all die, die ich kennengelernt habe und die sich mir anvertraut haben, waren nicht stolz auf ihre Straftaten und wollen draußen ihr Leben führen.

Du sagtest, dass Du aufgrund dieser Arbeit auch Ablehnung und Vorurteile erfährst. Wo liegen die Ursachen dafür?

Na sicher polarisiert diese Arbeit im Gefängnis. Da sind wir schon wieder beim „Kopfkino“, Bibliothekarin und Knast, das passt nicht zusammen. Man darf auch nie die Opfer vergessen, zu oft werden sie allein gelassen oder sie müssen sich rechtfertigen. Das verstehe ich sehr. Aber einfach wegsperren, wie es oft heißt „bei Wasser und Brot“, ich glaube nicht, dass das der bessere Weg wäre. Ursachen der Ablehnung für diese Projekte liegen gewiss auch in Unkenntnis, das Thema ist emotional. Ich bin gewiss keine Sozialromantikerin, aber was ich sehe an Resozialisierung in der JVA Hohenleuben macht Hoffnung. Da gibt es beispielsweise die Suchtberatung, Sozialarbeiter, Schul- und Berufsausbildung, so wird ein eigenverantwortliches Leben nach dem Knast gut vorbereitet.

Wie unterscheidet sich aus Deiner Sicht das gesellschaftliche Miteinander im Gefängnis von dem in Freiheit?

Es ist eine Welt in sich, eben hinter dicken Mauern, alle müssen miteinander leben und auskommen. Ich werde immer sehr anständig behandelt und gehe mit allen normal und selbstverständlich um.

Du erfährst enge Unterstützung vom Leiter der Haftanstalt und der Freizeitbeamtin. Wie sieht so eine Kooperation aus?

Die ist eben genau wie alle anderen Kooperationen. Das ist sehr schön, dass der Anstaltsleiter die Kooperation so positiv unterstützt, sonst könnte diese überhaupt nicht stattfinden. Vertrauen und Augenhöhe sind wichtig. Anke Hartmann, die Freizeitbeamtin ist im Agieren meine Ansprechpartnerin. Ohne sie gäbe es diese Kooperation gar nicht. Das ist ein richtig gutes Zusammenarbeiten, also so ein bisschen verrückt sind wir beide, da entstehen eben auch außergewöhnliche Projekte.

Wie würdest Du „Kopfkino“ beschreiben, was bedeutet dieses Buch für Dich oder was spiegelt es wieder?

Also ich bin so glücklich, das Buch macht mich froh. Und stolz bin ich, dass sie alle mitgemacht haben und dann auch ihre Texte unbedingt im Buch wollten. „Kopfkino“ – der Weg war das Eigentliche, was da miteinander beim Schreiben passiert. Wir haben ja um die 50 Stunden zusammen geschrieben, über das Geschriebene gesprochen und selbstverständlich auch über andere Dinge geredet, fotografiert, das macht etwas mit einem. Da wird Vertrauen aufgebaut und natürlich habe ich hinsichtlich der Veröffentlichung alles getan, um niemanden zu enttäuschen. Das wäre desaströs. Dieses Vertrauen und die Ehrlichkeit ohne Schnörkel zeigen diese Texte. Ja, da schenkst du jedem das gedruckte Buch und siehst in den Gesichtern den Stolz, die Freude?!

Das Interview führte Tristan Rosenkranz | Outcapes

 

 

 

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