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Karlsruher Knastchor ist das Highlight in der Woche

13. Januar 2020

Triste Mauern, beklemmende Stille, graue Langeweile: So ein Knast-Alltag ist alles andere als behaglich. Verständlicherweise. In der Karlsruher JVA schleicht sich jedoch einmal pro Woche ein Hauch Behaglichkeit zwischen die Gitterstäbe – und zwar wenn Michael Drescher zur Chorprobe ruft. Es ist ein ungewöhnliches Projekt, singende Knackis und Menschen von draußen in einem Chor. „Als ich als Gefängnisseelsorger an die JVA Karlsruhe kam, vermisste ich einen Chor“, erinnert sich Michael Drescher im Gespräch, „von anderen Gefängnissen wusste ich, dass Musik hilft, die schwere Zeit in Haft zu bestehen.“

So nahm Drescher die Aufgabe an, einen Singchor zu gründen. Hierbei stieß er jedoch zunächst auf Hindernisse hinter den Gittern: „Da im Karlsruher Gefängnis vor allem Untersuchungshaft vollzogen wird, sind die Gefangenen nicht sehr lange hier – etwa sechs bis zwölf Monate. Nach ihrer Verhandlung werden sie in andere Anstalten verlegt oder entlassen.“ Dieses Kommen und Gehen schien einer dauerhaften Chorarbeit im Wege zu stehen, so der Seelsorger. Schließlich kam ihm und seinen Kollegen die Idee, ehrenamtliche SängerInnen von außen dazu zu nehmen. Heute wird der Chor von ehrenamtlichen Männern und Frauen getragen – Inhaftierte können jederzeit einsteigen und mitsingen.

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Ein gemischter Chor hinter den Mauern der JVA Karslruhe. Gelegentlich übernimmt der Knast-Chor die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes.

Der musische Ausgleich kommt gut an, weiß Drescher. Von Häftlingen höre man immer wieder, dass der Chor für viele das Highlight der Woche sei. Auch Ex-Knackis, die mittlerweile nicht mehr hinter ‚Karlsruher Gardinen‘ verweilen, erinnern sich gern an die Chor-Stunde zurück: „Wir bekommen immer wieder Post von Ehemaligen, in denen steht: Die Zeit im Knast konnte ich nur aushalten, weil ich mich jede Woche auf den Chor freuen konnte.“

Aktuell nehmen zehn Gefangene und elf Ehrenamtliche regelmäßig an den Chorstunden teil. Allen Inhaftierten sei es erlaubt mitzusingen, sofern keine besonderen Sicherungsmaßnahmen vorgesehen sind. Mutmaßliche Schläger, Drogendealer und Mörder teilen sich die Notenblätter und singen gemeinsam mit den Ehrenamtlichen. „Das Liedgut ist sehr vielfältig“, sagt Drescher. Nationalhymnen, Kirchenmusik, aber auch Taizé-Lieder und Kanongesänge stehen hoch im Kurs. „Es gibt aber ein Lied, das ist fast die Hymne des Chores: Die Gedanken sind frei“, erzählt Drescher. Auftritte außerhalb der Anstalt gebe es allerdings nicht, so der Seelsorger weiter, „aus verständlichen Gründen.“ Gelegentlich übernehme der Knast-Chor die musikalische Gestaltung des sonntäglichen Gottesdienstes in der JVA.

Was ist anders, wenn man mit Häftlingen statt mit den Leuten von nebenan singt? Drescher erklärt: „Die Ehrenamtlichen erfahren von den Inhaftierten eine große Dankbarkeit. Die Gefangenen wissen es sehr zu schätzen, dass sich die Männer und Frauen von außen jede Woche 1 ½ Stunden Zeit nehmen, um in den Knast zu gehen.“ Man singe selten, um sich auf den Auftritt, wie den in der Kirche vorzubereiten. „Im Vordergrund steht die Freude am gemeinsamen Singen, Musizieren und Ausprobieren“, so der Seelsorger. Zudem bleibe auch Zeit für das Gespräch untereinander.

Michael Drescher als katholischer Gefängnisseelsorger arbeitet gemeinsam mit seinem evangelischen Kollegen Karl-Heinz Dümmig und mit der Unterstützung des Bezirksvereins für soziale Rechtspflege für das Chor-Projekt in der Karlsruher JVA. Geleitet wird der Chor von Ralph Hammer. Das Chorprojekt der Justizvollzugsanstalt Karlsruhe hat den ersten Platz im Ehrenamtswettbewerb ECHT GUT!  des Landes-Baden-Württemberg gewonnen. SWR Filmbeitrag.

Marie Wehrhahn | Mit freundlicher Genehmigung: ka-news.de

 

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