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JVA Werl: 37 Infizierte auf Quarantänestation verlegt

5. Juni 2021

Eine große Justizvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen hat es jetzt getroffen. Die JVA Werl ist aufgrund vermehrter positiv getesteter Coronafälle unter den Gefangenen im strikten Lockdown. Von den rund 1400 Abstrichen sind 37 Corona-Fälle bestätigt worden. Eine Bedienstete ist ebenso betroffen. „Diese steht aber nicht im Zusammenhang mit dem Infektionsgeschehen unter den Inhaftierten“, sagt die Pressesprecherin der JVA, Verena Voigt. Alle Bediensteten sollen mit der Massentestung negativ getestet worden sein.

Die Inzidenzzahlen „draußen“ gehen zurück. Hinter den gesicherten Mauern des Gefängnisses schnellen sie hoch. Zu eng ist der Raum und die Möglichkeit einer Ansteckung trotz den Schutzmaßnahmen, wie das Maskentragen und bestehende Hygienekonzepte. Die Justizvollzugsanstalt Werl verlegt jetzt die Corona-Betroffenen auf die eingerichtete Quarantänestation. Es ist das Haus 2, das pädagogische Zentrum. Seit Anfang der Woche ist die Anstalt unter „Dauerverschluss“. Das heißt, die Arbeit ist eingestellt, Gottesdienste sind ausgefallen und die Gefangenen sind im Einschluss. Zwei Häftlinge sind ins Justizkrankenhaus Fröndenberg verlegt worden. Die JVA Werl verfügt über 1034 Haftplätze. Die Sicherungsverwahrung (SV) des Landes Nordrhein-Westfalen befindet sich ebenfalls auf diesem Gelände. Mehrere Gebäude aus unterschiedlichen Zeiten macht die JVA zu einem zeitgeschichtlichen Potpourri. 1906 wurde der panoptische Kreuzbau errichtet. 2007 wurde die Anstalt mit neuen Werkhallen erweitert. In den letzten Jahren kam das Gebäude der Sicherungsverwahrung und die große Außenpforte hinzu.

Die Kirche und der Abteilungsflügel A der Justizvollzugsanstalt Werl.

Keine Erklärung, wie das Virus reinkam

Eine groß angelegte Abstrichaktion angesichts des Corona-Ausbruchs hinter den Anstaltsmauern ist notwendig geworden. Rund 1400 Tests von Inhaftierten und Vollzugsbediensteten unter der Leitung des Kreisgesundheitsamts in Kooperation mit der Anstaltsärztin und örtlichen Hilfsorganisationen sind durchgeführt. Die Landesjustizvollzugsdirektion nimmt Stellung zu Mutmaßungen, wie das Coronavirus den Weg in die Anstalt fand. Es sei „zutreffend“, sagt Nils Radtke, stellvertretender Pressesprecher, „dass ein später positiv auf das Corona-Virus getesteter Gefangener der JVA Werl sich Mitte Mai in der JVA Münster befunden hat“. Warum das Virus in mehreren Abteilungen ausgebrochen ist, kann man nicht erklären. „Die Eindämmung der Pandemie in den Justizvollzugsanstalten ist aufgrund der räumlichen Gegebenheiten und dem Zusammentreffen von vielen Menschen auf engem Raum eine Herausforderung“, sagt Radtke, „Warum das Infektionsgeschehen trotz bestehender Schutzmaßnahmen stattfinden konnte, ist derzeit unbekannt.“ In allen Anstalten des Landes wird jetzt jeder Gefangener, der auf „Transport geht“ und zurückkommt, per Schnelltest getestet.

Lage der Gefangenen

Die fast 540 Bediensteten sind zum größten Teil geimpft worden. Erste Impfmaßnahmen bei Gefangenen sollten beginnen. Man habe weitere Häftlinge und Sicherungsverwahrte impfen wollen, sagt die Sprecherin. „Aber dafür stand kein Impfstoff zur Verfügung.“ Und man habe kein Zeitfenster, wann die die Impfungen stattfinden könnten. Die gesamte Anstalt ist betroffen, da die Gefangenen bei der täglichen Arbeit in den Betrieben wie bei den gemeinsamen Sporttätigkeiten zusammenkommen. Was der nun erfolgte rigorose Einschluss für die Gefangenen bedeutet, können nur Insider nachvollziehen. Außer dem Fernseher im Haftraum gibt es keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Viele einzelne Freistunden können wohl nicht durchgeführt werden. Die Quarantäne aller Inhaftierten innerhalb der Mauern wirkt doppelt. Insgesamt sei die Lage aber ruhig, versichert die Sprecherin. „Der Zusammenhalt ist sehr gut, alle ziehen an einem Strang.“ Bis jetzt kam es unter den Gefangenen nicht zu Unruhen. Wie das weitergehen wird, weiß niemand.

Isoliertes Ausbruchsgeschehen

Das NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) hat dem Kreis Soest am 2. Juni mitgeteilt, dass die Corona-Fälle in der Justizvollzugsanstalt Werl als isoliertes Ausbruchsgeschehen betrachtet und somit nicht für die Berechnung der 7 Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner herangezogen werden. Somit ergeben sich keine Auswirkungen auf die Einordnung des Kreises in die Lockerungsstufen der gültigen Coronaschutzverordnung. Das teilt der Krisenstab des Landkreises Soest mit. Die Gefängnisse in NRW sind bislang nur in geringem Maße betroffen. Zuletzt hatte es Ende Mai 17 positiv getestete Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt in Münster gegeben. Ansonsten gab es – mit Ausnahmen in Einrichtungen des Offenen Vollzuges – wenige akute Fälle im geschlossenen Vollzug. In Werl sind Transporte von Gefangenen ausgesetzt worden. „Würde dies in vielen Einrichtungen notwendig werden, stünde das System Vollzug vor dem Kollaps“, meint Ulrich Biermann, der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten in NRW. Er hat die Administration zwischenzeitlich aufgefordert, die bislang zu beobachtende Halbherzigkeit der ergriffenen Maßnahmen aufzugeben und alles daran zu setzen, damit der gesamte Vollzug zeitnah immunisiert wird. Nur so könnten negative Auswirkungen auch auf die Bevölkerung am Sitz von Gefängnissen verhindert werden.

M.K.

 

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